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EU kann an Ukraine zugesagte Munition wohl nicht liefern

Deutschland rechnet mit einem unangenehmen Scheitern des EU-Munitionsplans für die Ukraine. Wer dafür die Verantwortung trägt, ist umstritten.

Ukraine-Krieg
Ukrainische Soldaten bereiten einen Mehrfachraketenwerfer vor, bevor sie auf russische Stellungen feuern. Foto: Roman Chop/DPA
Ukrainische Soldaten bereiten einen Mehrfachraketenwerfer vor, bevor sie auf russische Stellungen feuern.
Foto: Roman Chop/DPA

Verteidigungsminister Boris Pistorius erwartet ein Scheitern der EU-Pläne für die Lieferung von einer Million Artilleriegeschosse an die Ukraine bis zum Frühjahr 2024. »Die eine Million werden nicht erreicht. Davon muss man ausgehen«, sagte der SPD-Politiker bei einem EU-Verteidigungsministertreffen in Brüssel. Grund seien unzureichende Produktionskapazitäten.

Deutschland habe mit dem Abschluss von Rahmenverträgen einen großen Teil dazu beigetragen, dass die Kapazitäten vergrößert werden können, erklärte Pistorius. Die Produktionsprozesse seien aber »wie sie sind«. Nicht einmal ein Beschluss über eine Kriegswirtschaft könnte dazu führen, dass die Produktion morgen anspringt und der Bedarf gedeckt wird.

Pistorius machte zudem deutlich, dass er schon immer Zweifel an dem im März ausgegebenen EU-Ziel hatte. »Ich habe keine eine Million versprochen - bewusst nicht«, sagte er. Es habe bereits vor dem Beschluss Stimmen gegeben, die gesagt hätten: »Vorsicht, eine Million ist leicht zu beschließen, und das Geld ist da - aber die Produktion muss da sein.« Die mahnenden Stimmen hätten jetzt leider recht.

EU-Chefdiplomat erwägt Zwangsmaßnahmen

Einigkeit über die Frage der Verantwortung gibt es allerdings nicht. Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell betonte am Dienstag, das Problem seien seiner Auffassung nach nicht die Industriekapazitäten. Etwa 40 Prozent der Produktion werde derzeit in Drittländer exportiert. Dass nicht genug Munition da sei, liege also daran, dass die Unternehmen ihre Produkte auf andere Märkte schickten. »Vielleicht müssen wir also versuchen, diese Produktion auf den vorrangigen Markt zu verlagern, nämlich den ukrainischen.«

Ähnlich äußerte sich EU-Industriekommissar Thierry Breton. Er sagte, die EU-Staaten müssten nun sicherstellen, dass die Produktion, die auf ihrem Territorium stattfinde, vorrangig für die Ukraine bestimmt sei. Seinen Angaben zufolge sollte es möglich sein, ab dem Frühjahr in der EU mehr als eine Million Schuss Munition jährlich zu produzieren.

Erst rund 300.000 Geschosse geliefert

Die Fortschritte der EU bei der Unterstützung der Ukraine und Hilfspläne für die Zukunft standen als Topthema auf der Tagesordnung des Verteidigungsministertreffen in Brüssel. Die EU-Staaten hatten der Ukraine am 20. März versprochen, innerhalb von zwölf Monaten eine Million neue Artilleriegeschosse für den Abwehrkrieg gegen Russland bereitzustellen. Sie sollen aus den Beständen der Mitgliedstaaten, aber auch über neue gemeinsame Beschaffungsprojekte organisiert werden und Engpässe der ukrainischen Streitkräfte verhindern. Nach Angaben Borrells konnten bislang allerdings erst etwa 300.000 der in Aussicht gestellten Artilleriegranaten geliefert werden.

Der estnische Verteidigungsminister Hanno Pevkur kritisierte, es könne nicht sein, dass Nordkorea Russland Geschosse liefere, die EU aber nicht die Ukraine versorgen könne. Man müsse einfach mehr beschaffen und mehr kaufen. Der lettische Verteidigungsminister Andris Spruds forderte »Ehrgeiz und Ambitionen«.

Gute Nachrichten in dieser Hinsicht gab es für die Ukraine zumindest von Pistorius. Er bestätigte, dass die Bundesregierung die Haushaltsmittel für Militärhilfe für die Ukraine im kommenden Jahr deutlich aufstocken will. Statt der ursprünglich veranschlagten vier Milliarden Euro sind im Etat für 2024 nun acht Milliarden Euro vorgesehen.

Zusätzlich sollen die sogenannten Verpflichtungsermächtigungen für die militärische Unterstützung der von Russland angegriffenen Ukraine um zwei Milliarden Euro aufgestockt werden. Dabei geht es um Ausgaben, die erst in den Folgejahren zu Buche schlagen. Für die Haushaltsjahre 2025 bis 2028 sind nun insgesamt sechs Milliarden Euro vorgesehen.

© dpa-infocom, dpa:231114-99-939248/4