Die EU bringt gegen den Willen der ungarischen Regierung rund 1,4 Milliarden Euro für Militärhilfen für die Ukraine auf den Weg. Bei einem Außenministertreffen in Luxemburg wurde das geplante Verfahren dafür gebilligt, wie der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell am Abend in einer Pressekonferenz bestätigte. Es sieht vor, dass Ungarn gegen die Entscheidung kein Veto einlegen kann, weil sich das Land bei einer vorherigen Grundsatzentscheidung zum Thema enthalten hatte.
Zudem beschlossen die Außenminister ein neues Paket mit Sanktionen gegen Russland. Es umfasst Maßnahmen gegen milliardenschwere Geschäfte mit Flüssigerdgas (LNG) und Unternehmen, die an der Umgehung von Sanktionen beteiligt sind.
Ungarns Milliarden-Blockade
Für die Ukraine ist besonders die Entscheidung zu EU-finanzierten Waffenlieferungen ein wichtiges Zeichen. Ungarn blockiert seit Monaten die Auszahlung von EU-Geldern für Militärhilfen. Die Regierung in Budapest begründet dies mit Zweifeln an der Effizienz der Unterstützung des angegriffenen Landes und Sorgen vor einer weiteren Eskalation des Konflikts. In Brüssel geht man davon aus, dass es ihr auch darum geht, wegen Rechtsstaatsbedenken eingefrorene EU-Gelder für Ungarn freizupressen.
Die rund 1,4 Milliarden Euro sind Zinserträge aus eingefrorenem Vermögen der russischen Zentralbank in der EU. Diese für die Ukraine zu nutzen, war bereits vor mehreren Wochen von der EU grundsätzlich beschlossen worden. Wegen der ungarischen Veto-Politik war aber zunächst unklar, wann sie verwendet werden können.
Nun ist geplant, dass das Geld innerhalb des nächstens Monats an Länder wie Deutschland oder Tschechien fließt, die der Ukraine dann damit zeitnah etwa Ausrüstung für die Luftverteidigung oder Artilleriegeschosse zur Verfügung stellen. Eine weitere Milliarde Euro aus Zinserträgen soll nach Angaben von Borrell bis Ende des Jahres folgen.
Dass die Entscheidung nicht wie üblich einstimmig getroffen werden muss, begründen die anderen EU-Staaten insbesondere damit, dass Ungarn sich bei der Grundsatzentscheidung zur Verwendung der eingefrorenen Gelder enthalten habe. Dies wird nun so interpretiert, dass auch alle Folgeentscheidungen dazu ohne Ungarn getroffen werden können.
Ungarns Außenminister Peter Szijjarto bezeichnete das Vorgehen als Grenzüberschreitung. Er warf den EU-Partnern eine Missachtung der ungarischen Entscheidungsbefugnisse und einen »beispiellosen Verstoß gegen gemeinsame europäische Regeln« vor. Es sei Heuchelei, dass man für Rechtsstaatlichkeit und demokratische Werte eintrete, gleichzeitig aber selbst gegen die Regeln verstoße, kritisierte er.
Neue Sanktionen gegen LNG-Geschäfte
Die Sanktionen gegen die Geschäfte mit LNG sehen vor, dass Häfen wie der im belgischen Zeebrugge nicht mehr zur Verschiffung von russischem LNG in Drittstaaten genutzt werden dürfen. Dies soll dazu führen, dass Russland wegen mangelnder Transportkapazitäten weniger Flüssigerdgas verkaufen kann und weniger Gewinne erzielt, die für die Fortsetzung des Angriffskriegs gegen die Ukraine verwendet werden könnten.
Bislang bringen häufig für den Einsatz in eisbedeckten Gewässern geeignete russische Tanker Flüssigerdgas von der Jamal-Halbinsel in Sibirien in EU-Häfen. Dort wird das LNG auf normale Tanker umgeladen, die in weiter entfernte Weltregionen fahren. So können die »Eisbrecher«-Tanker deutlich mehr Einsätze fahren.
Nach Angaben der EU-Kommission wurden im vergangenen Jahr etwa vier bis sechs Milliarden Kubikmeter russisches LNG über EU-Staaten in andere Länder weitergeleitet. Betroffen sein könnten damit Geschäfte im Wert von mehreren Milliarden Euro. LNG-Importe für den Gebrauch in der EU sind nicht betroffen. Manche EU-Staaten halten sie für unverzichtbar, damit die Energieversorgung bezahlbar bleibt.
Kampf gegen Sanktionsumgehung
Neben den LNG-Sanktionen enthält das 14. EU-Paket Maßnahmen, die eine Umgehung von bestehenden Sanktionen erschweren sollen. Denn Russlands Rüstungsindustrie kann noch immer westliche Technologie nutzen, um Waffen für den Krieg gegen die Ukraine herzustellen.
EU-Unternehmen sollen sorgfältiger kontrollieren, dass von ihnen exportierte kritische Güter nicht in Russland landen. Eine Ausweitung der »No Russia Clause« auf Tochterunternehmen wurde allerdings von der Bundesregierung verhindert. Grund waren offensichtlich Warnungen von Unternehmen, die einen zu hohen Verwaltungsaufwand und Umsatzverluste befürchteten.
Mit der »No Russia Clause« wird von EU-Exporteuren verlangt, dass sie die Wiederausfuhr von bestimmten Gütern nach Russland vertraglich verbieten. Betroffen davon sind unter anderem Luftfahrtgüter, Waffen und fortgeschrittene Technologiegüter, die in russischen Militärsystemen verwendet werden. Neu auf die Liste kommt auch industrielles Know-how zur Herstellung von Rüstungsgütern.
Unternehmen in China und Türkei betroffen
Zudem werden Dutzende weitere Unternehmen sanktioniert, denen vorgeworfen wird, zur militärischen und technologischen Stärkung Russlands oder zur Entwicklung seines Verteidigungs- und Sicherheitssektors beizutragen. An sie dürfen aus der EU keine militärisch nutzbaren Güter und Technologien mehr verkauft werden. Einige dieser Unternehmen haben ihren Sitz nach EU-Angaben etwa in China, Kasachstan, Kirgistan, der Türkei und den Vereinigten Arabischen Emiraten.
Darüber hinaus wird die Nutzung des russischen Finanznachrichtendienstes (SPFS) weitgehend verboten, weil dieser aus EU-Sicht von der Zentralbank Russlands entwickelt wurde, um die Wirkung von Sanktionen zu neutralisieren.
Russisches Regierungsgeld ist künftig tabu
Angesichts der anhaltenden Versuche Russlands, die demokratischen Prozesse in der EU zum Beispiel mit Desinformationskampagnen zu stören, wurde beschlossen, dass politische Parteien und Stiftungen, nicht staatliche Organisationen und Mediendienstleister in der ganzen EU keine Finanzierung von der russischen Regierung und ihren Vertretern mehr akzeptieren dürfen.
Außenministerin Annalena Baerbock bezeichnete das Paket als Teil der entschlossenen Unterstützung für die Ukraine. Russlands Präsident Wladimir Putin habe das Land und die europäische Friedensordnung brechen wollen, sagte die Grünen-Politikerin. Erreicht habe er das Gegenteil.
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