Estlands Ministerpräsidentin Kaja Kallas hat formal ihren Rücktritt eingereicht, um eine neue Regierung in dem baltischen EU- und Nato-Land zu bilden.
Die 45-Jährige informierte das Parlament in Tallinn über ihre Entscheidung und überreichte ihr Demissionsgesuch an Staatspräsident Alar Karis. Kallas' Schritt führt gemäß estnischer Verfassung automatisch zum Rücktritt der gesamten Regierung, die seit mehr als einem Monat ohne parlamentarische Mehrheit ihren Amtsgeschäften nachgeht. Bis zur Bestätigung einer neuen Regierung bleibt sie aber weiter geschäftsführend im Amt.
Nach Angaben der Staatskanzlei schlug Kallas zugleich dem sich in der Sommerpause befindenden Volksvertretung Riigikogu vor, am Freitag eine außerordentliche Sitzung abzuhalten. Das Parlament soll dann über die neue Regierungskoalition der von ihr geführten Reformpartei mit den Sozialdemokraten und der konservativen Partei Isamaa abstimmen. Das Dreierbündnis, das früher schon einmal eine Regierung gebildet hatte, kommt auf eine Mehrheit von 55 der 101 Sitze.
Machtkämpfe und wochenlange politsiche Blockade
In Estland war Anfang Juni das Regierungsbündnis aus Reformpartei und der linksgerichteten Zentrumspartei zerbrochen. Dem vorausgegangen waren Streit, Machtkämpfe und eine wochenlange politische Blockade. Kallas hatte deshalb die seit Januar 2021 bestehende Zweierkoalition aufgekündigt und die sieben Minister der Zentrumspartei entlassen.
Die wirtschaftsliberale Reformpartei, die Sozialdemokraten und Isamaa hatten sich nach längeren Verhandlungen Ende vergangener Woche auf eine Koalition geeinigt. Jede der drei Parteien soll demnach fünf Ministerposten in der neuen Regierung erhalten, über deren personelle Besetzung am Donnerstagabend entschieden werden sollte. Der Koalitionsvertrag soll am Freitag unterzeichnet werden.
Staatspräsident Karis, der Kallas nach deren Rücktritt umgehend wieder einen Auftrag zur Regierungsbildung erteilte und das neue Kabinett ernennen muss, kündigte an, sich mit allen designierten Ministern treffen zu wollen. »Ich hoffe, dass die neue Regierung ihre Arbeit bereits nächste Woche aufnehmen kann«, schrieb er auf Twitter.
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