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Esken und DGB: Schuldenbremse für 2023 und 2024 aussetzen

Die Haushaltspolitik des Bundes steht auf dem Prüfstand: Was geht noch, was geht nicht mehr nach dem Urteil aus Karlsruhe? In den Fokus der Debatte rückt die Schuldenbremse.

Saskia Esken
»Klar ist, wir werden weder beim Klimaschutz und seiner sozialgerechten Ausgestaltung noch beim Sozialstaat Einsparungen zulassen«, sagt SPD-Parteichefin Saskia Esken. Foto: Michael Kappeler/DPA
»Klar ist, wir werden weder beim Klimaschutz und seiner sozialgerechten Ausgestaltung noch beim Sozialstaat Einsparungen zulassen«, sagt SPD-Parteichefin Saskia Esken.
Foto: Michael Kappeler/DPA

SPD-Parteichefin Saskia Esken plädiert nach dem Haushaltsurteil des Bundesverfassungsgerichts dafür, die Schuldenbremse für dieses und das kommende Jahr wegen einer Notlage nicht anzuwenden. »Da wir uns durch äußere Einflüsse in einer fortdauernden krisenhaften Situation befinden, plädiere ich auch weiterhin dafür, die Schuldenbremse für 2023 und 2024 auszusetzen«, sagte Esken den Zeitungen der Funke Mediengruppe.

Eine Aussetzung würde vorübergehend wieder mehr Spielraum für staatliche Ausgaben schaffen, der durch das Karlsruher Urteil mit Blick auf sogenannte Schattenhaushalte in der Vergangenheit eingeschränkt wurde. Esken betonte, gleichzeitig würden die Aufgaben des Klimawandels, der Digitalisierung und des demografischen Wandels eine allgemeine Reform der Schuldenbremse »unausweichlich« machen.

Unterstützung vom DGB

Unterstützung bekam Esken vom Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) und der Chefin der Wirtschaftsweisen, Monika Schnitzer. »Kurzfristig muss die Bundesregierung die Schuldenbremse nochmals aussetzen. Dafür gibt es eine gute Begründung, denn die Auswirkungen der Energiekrise sind längst nicht ausgestanden«, sagte DGB-Vorstandsmitglied Stefan Körzell der »Rheinischen Post«. Das Karlsruher Urteil zeige, dass die Schuldenbremse unflexibler sei als gedacht - eine grundlegende Reform sei daher notwendig, Investitionen müssten künftig ausgenommen werden.

Schnitzer, Vorsitzende des Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, schloss sich in der Zeitung dieser Sichtweise an, betonte jedoch: »Es scheint allerdings wenig wahrscheinlich, dass man sich in dieser Legislaturperiode auf eine Reform der Schuldenbremse einigen können wird.« Vor allem die mitregierende FDP gilt als Verfechterin der Schuldenbremse in ihrer heutigen Form.

FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai reagierte entsprechend ablehnend auf Eskens Vorstoß. Die Ausgabenwünsche der SPD seien »ganz sicher keine Notlage im Sinne des Grundgesetzes«, teilte er mit.

»Klar ist, wir werden weder beim Klimaschutz und seiner sozialgerechten Ausgestaltung noch beim Sozialstaat Einsparungen zulassen«, sagte Esken, die gemeinsam mit Lars Klingbeil auf dem Parteitag im Dezember für weitere zwei Jahre an der Spitze der Sozialdemokraten antreten will. Sie erneuerte außerdem die Forderung der SPD, über höhere Steuern für Spitzenverdiener für Mehreinnahmen zu sorgen.

Merz macht Scholz und Lindner verantwortlich

Das Bundesverfassungsgericht hatte am Mittwoch eine Umwidmung von Krediten von 60 Milliarden Euro im Haushalt 2021 für nichtig erklärt. Sie waren zur Bewältigung der Corona-Krise genehmigt worden, sollten aber für Klimaschutz und die Modernisierung der Wirtschaft eingesetzt werden. Offen ist, ob das Urteil darüber hinaus Folgen für den Umgang mit schuldenfinanzierten Sondervermögen in Bund und Ländern haben könnte.

Der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz macht Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Finanzminister Christian Lindner (FDP) persönlich für das Scheitern des 60-Milliarden-Euro-Transformationsfonds verantwortlich. »Der zuständige Bundesfinanzminister Christian Lindner trägt die Verantwortung für den Bundeshaushalt«, sagte Merz dem Nachrichtenportal t-online. »Die politische Gesamtverantwortung für die Arbeit der Bundesregierung trägt der Bundeskanzler, der die Konstruktion mit der verfassungswidrigen Übertragung der Schulden aus dem Coronafonds ja auch erfunden hat.«

CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt sagte der »Welt am Sonntag« mit Blick auf das Haushaltsurteil: »Die volle Auswirkung dieses Urteils ist aus heutiger Sicht noch nicht zu fassen. Jedenfalls sind seine Folgen deutlich weitreichender als viele heute glauben. Alle müssen begreifen: Die Schuldenbremse muss strengstens eingehalten werden. Das wird generell das Ende von Schattenhaushalten bedeuten.« Die Union habe ein Gutachten in Auftrag gegeben, welche Auswirkungen das Urteil auf die verschiedenen Ausgabentöpfe hat. »Klar ist aber schon jetzt: Sollte der Haushalt 2024 weiterhin auf gefälschten Schecks aufbauen, werden wir vor dem Verfassungsgericht klagen«.

© dpa-infocom, dpa:231118-99-990651/5