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Eskalation im Koalitionsstreit um Kampfpanzer

Der Streit um die Kampfpanzer läuft immer weiter aus dem Ruder: Bündnispartner sind sauer auf Deutschland, Ampel-Koalitionäre beschimpfen sich. Und der Bundeskanzler? Er macht es weiter spannend.

Olaf Scholz
Bundeskanzler Olaf Scholz wird in der Frage nach Kampfpanzer-Lieferungen stärker unter Druck gesetzt. Foto: Markus Schreiber
Bundeskanzler Olaf Scholz wird in der Frage nach Kampfpanzer-Lieferungen stärker unter Druck gesetzt.
Foto: Markus Schreiber

In der Ampel-Koalition kracht es wegen des Panzer-Pokers um den Leopard 2, aber Bundeskanzler Olaf Scholz hüllt sich weiter in Schweigen. Nach dem deutsch-französischen Gipfel in Paris ließ er weiterhin nicht erkennen, wann er seine Entscheidung über die Lieferung deutscher Kampfpanzer in die Ukraine treffen und wovon er sie abhängig machen wird.

Der französische Präsident Emmanuel Macron schloss die Lieferung von Leclerc-Kampfpanzern nicht aus, wollte sich aber auch noch nicht festlegen. In Berlin machten sich unterdessen Koalitionspolitiker gegenseitig schwere Vorwürfe.

Die FDP-Politikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann bezeichnete die Kommunikation des Kanzlers in der Panzer-Frage als »Katastrophe« und warnte davor, die russische Brutalität zu unterschätzen. »In der Ostukraine steht nicht das Bolschoi-Ballett und tanzt «Schwanensee»«, sagte sie am Samstag bei einem Landesparteitag in Bielefeld. »Da stehen Soldaten, die morden, vergewaltigen, verschleppen und noch vieles Schreckliche mehr - foltern tun sie auch.«

Mützenich wirft Strack-Zimmermann »Schnappatmung« vor

SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich wies die Vorwürfe der Vorsitzenden des Verteidigungsausschusses mit scharfen Worten zurück: »Frau Strack-Zimmermann und andere reden uns in eine militärische Auseinandersetzung hinein. Dieselben, die heute Alleingänge mit schweren Kampfpanzern fordern, werden morgen nach Flugzeugen oder Truppen schreien«, sagte er der Deutschen Presse-Agentur. »Eine Politik in Zeiten eines Krieges in Europa macht man nicht im Stil von Empörungsritualen oder mit Schnappatmung, sondern mit Klarheit und Vernunft.«

Druck bekamen Scholz und die SPD auch vom anderen Koalitionspartner, den Grünen. Der Vorsitzende des Europaausschusses im Bundestag, Anton Hofreiter, sagte den Zeitungen der Funke-Mediengruppe, es müsse »jetzt sofort« mit der Ausbildung ukrainischer Soldaten am Leopard begonnen werden, damit es nicht zu weiteren Verzögerungen komme.

Hofreiter nennt Zögern in Ramstein »erheblichen Fehler«

Auf der Ukraine-Konferenz in Ramstein hatte sich Deutschland am Freitag trotz erheblichen Drucks der Verbündeten noch nicht für die Lieferung von Kampfpanzern ins Kriegsgebiet entschieden. Die Bundesregierung erteilte auch noch keine Liefererlaubnis an andere Länder für die in Deutschland produzierten Panzer. Hofreiter sagte dazu: »Deutschland hat in Ramstein einen erheblichen Fehler gemacht und dadurch weiter Ansehen eingebüßt. Das muss jetzt schnell korrigiert werden.«

Auch die Bündnispartner hielten den Druck auf Scholz aufrecht. Die Außenminister der baltischen Länder forderten Deutschland auf, Leopard-Panzer an die Ukraine zu liefern. »Das ist nötig, um die russische Aggression zu stoppen, der Ukraine zu helfen und den Frieden in Europa schnell wieder herzustellen«, schrieb der lettische Außenminister Edgars Rinkevics am Samstag auf Twitter - nach eigenen Angaben auch im Namen seiner Amtskollegen aus Estland und Litauen. Der britische Außenminister James Cleverly sagte der BBC am Sonntag: »Ich würde nichts lieber sehen, als dass die Ukrainer mit Leopard 2 ausgerüstet sind.«

Polen will »nicht tatenlos zusehen, wie die Ukraine ausblutet«

Polens Ministerpräsident Mateusz Morawiecki kündigte an, notfalls auch ohne Zustimmung Deutschlands Leopard-Panzer an die Ukraine zu liefern. Der Nachrichtenagentur PAP sagte er am Sonntag: »Wir werden nicht tatenlos zusehen, wie die Ukraine ausblutet. Die Ukraine und Europa werden diesen Krieg gewinnen - mit oder ohne Deutschland.« Wenn es mit Deutschland keine baldige Einigung gebe, werde Polen mit anderen Ländern eine »kleinere Koalition« bilden. Diese Länder würden dann ohne deutsche Zustimmung beginnen, einige ihrer Leopard-Panzer an die Ukraine zu liefern.

Die »Süddeutsche Zeitung« berichtete, dass auch die USA verärgert über die deutsche Haltung seien. Der Sicherheitsberater von US-Präsident Joe Biden, Jake Sullivan, habe beim Kanzler-Berater Jens Plötner angerufen, um zu protestieren. In der US-Administration werde der Protest als heftig beschrieben, schreibt die Zeitung.

Scholz bekräftigt: »Nur eng miteinander abgestimmt«

Scholz ließ in Paris weiter offen, ob er die Lieferung von Leopard 2 davon abhängig machen werde, ob die Amerikaner ihre M1 Abrams liefern. »Wir handeln nur eng miteinander abgestimmt«, bekräftigte er lediglich. Macron sagte: »Was die Leclerc angeht, ist nichts ausgeschlossen.« Eine Bereitstellung dieser Kampfpanzer dürfe aber den Konflikt nicht eskalieren, die eigene Verteidigungsfähigkeit nicht schwächen und müsse eine realistische und effiziente Unterstützung der Ukraine darstellen.

Die USA halten die Bereitstellung ihrer Abrams aus praktischen Gründen nicht für sinnvoll. Die US-Panzer müssten erst über den Atlantik transportiert werden, die Instandhaltung sei aufwendiger, und sie verbrauchten zu viel Treibstoff, heißt es. Die Panzer schlucken das Flugzeugbenzin Kerosin, nicht wie der Leopard und viele Gefährte der Ukrainer Diesel.

Russland warnt vor »Tragödie weltweiten Ausmaßes«

Der russische Parlamentschef Wjatscheslaw Wolodin warnte für den Fall von Kampfpanzer-Lieferungen an die Ukraine vor einer möglichen »Tragödie weltweiten Ausmaßes«. »Die Lieferung von Angriffswaffen an das Kiewer Regime führt zu einer globalen Katastrophe«, schrieb Wolodin am Sonntag in seinem Kanal im Nachrichtendienst Telegram. Russland werde noch »mächtigere Waffen« einsetzen, falls die USA und die Staaten der Nato Waffen an Kiew lieferten, die dafür genutzt werden könnten, Gebiete zurückzuerobern.

© dpa-infocom, dpa:230122-99-310045/8