Wer eine Geldstrafe nicht zahlen kann oder will, soll nach den Vorstellungen von Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) künftig nicht mehr so viel Zeit ersatzweise hinter Gittern verbringen müssen.
Ein Entwurf aus seinem Haus, der zur Abstimmung an die anderen Ressorts der Bundesregierung verschickt wurde, sieht vor, dass ein Tag Ersatzfreiheitsstrafe nicht mehr einem, sondern zwei sogenannten Tagessätzen entsprechen soll. Die Zeit hinter Gittern würde dadurch also kürzer.
Wie hoch der jeweilige Tagessatz ist, hängt vom Nettoeinkommen des Verurteilten ab. Geldstrafen, die bei Nicht-Zahlung in die Haftanstalt führen, werden zu etwa einem Drittel wegen kleinerer Diebstähle oder Betrügereien verhängt. Knapp ein Viertel der Fälle betrifft Schwarzfahrer. Eine Entscheidung darüber, ob das Fahren ohne gültigen Fahrschein womöglich demnächst von der Straftat zur Ordnungswidrigkeit herabgestuft wird, soll im Zuge dieser geplanten Reform noch nicht getroffen werden. Aus Koalitionskreisen heißt es dazu immer noch, dies werde noch geprüft.
Buschmann will Engpässe vermeiden und Kosten sparen
Um Ersatzfreiheitsstrafen nach Möglichkeit zu vermeiden, soll die Vollstreckungsbehörde nach dem Willen des Bundesjustizministers zudem verpflichtet werden, Verurteilte rechtzeitig darauf hinzuweisen, wenn ihnen gestattet werden kann, die Ersatzhaft durch gemeinnützige Arbeit abzuwenden. Dieser Hinweis soll auf jeden Fall in einer Form erfolgen, die sicherstellt, dass ihn auch ein Mensch, der nicht gut Deutsch spricht, versteht.
Buschmann hofft, dass die Länder mitziehen werden, da dadurch wohl auch Engpässe im Justizvollzug vermieden und Kosten gespart werden könnten. Ein belegter Strafplatz kostete im Bundesdurchschnitt nach Berechnungen seines Ministeriums im Jahr 2019 rund 119 Euro pro Tag, wenn die Baukosten für die Haftanstalt nicht mitgerechnet werden.
DAV geht Reform nicht weit genug
Dem Deutschen Anwaltverein (DAV) geht die geplante Reform nicht weit genug. Die Halbierung der ersatzweise abzusitzenden Haftzeit durch die geplante Regelung ziele zwar in eine gute Richtung, sagte Swen Walentowski vom DAV. Er fügte jedoch hinzu: »Nach unserer Auffassung gehört das Konzept der Ersatzfreiheitsstrafen jedoch generell auf den Prüfstand - und in letzter Instanz abgeschafft.«
Der Entwurf enthält noch weitere geplante Änderungen auf anderen Gebieten. Unter anderem soll der Katalog der Gründe, die bei der Strafzumessung zu berücksichtigen sind, um »geschlechtsspezifische« und »gegen die sexuelle Orientierung« gerichtete Beweggründe ergänzt werden.
Dabei geht es um Hassdelikte gegen Menschen aufgrund ihrer geschlechtlichen Identität oder ihrer sexuellen Orientierung. Zu einer härteren Bestrafung soll außerdem führen, wenn ein Mann aufgrund patriarchalischer Denkmuster seine Partnerin oder Ex-Partnerin unter Druck setzt oder ihr Gewalt antut. Das wäre - im Sinne des Referentenentwurfs aus dem Justizministerium - etwa dann der Fall, wenn ein Mann seiner Tochter, Schwester oder Ex-Frau generell das Recht abspricht, ihren Lebenspartner frei zu wählen. Im Jahr 2020 wurden bundesweit 359 Frauen Opfer eines Tötungsdelikts in einer Partnerschaft, wobei die Statistik hier versuchte und vollendete Taten zählt. 139 Frauen starben in dem Jahr durch sogenannte Partnerschaftsgewalt.
Mehr Spielraum sollen Richter zudem bei Weisungen erhalten, die im Sinne einer erfolgreichen Resozialisierung des Täters erteilt werden können: etwa im Rahmen einer Strafaussetzung zur Bewährung, bei einer Verwarnung mit Strafvorbehalt oder bei einem vorläufigen Absehen von der Verfolgung. Das kann bedeuten, dass der Betreffende angewiesen wird, gemeinnützige Leistungen zu erbringen oder sich einer Therapie zu unterziehen.
Reform könnte im kommenden Frühjahr in Kraft treten
Strenger will Buschmann dagegen die Voraussetzungen für die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt fassen. Ziel der geplanten Änderungen ist es hier, die begrenzten Kapazitäten auf die Suchtkranken zu konzentrieren, die tatsächlich der Behandlung in einer solchen Einrichtung bedürfen. Um das künftig zu erreichen, soll die Sucht, die Voraussetzung für eine solche Unterbringung ist, klarer als bislang definiert werden.
Außerdem soll es einen eindeutig belegten kausale Zusammenhang geben zwischen dem Hang zum übermäßigen Konsum alkoholischer Getränke oder anderer berauschender Mittel und der jeweiligen Tat, wegen der jemand vor Gericht steht. Die Strafaussetzung zur Bewährung bei den in diesen Einrichtungen untergebrachten Tätern soll nicht mehr nach der Hälfte der Haftzeit, sondern erst nach Ablauf von zwei Drittel der Zeit möglich sein. Damit will das Justizministerium verhindern, dass Angeklagte und ihre Anwälte versuchen, aus taktischen Gründen eine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt zu erreichen.
Sollte der Entwurf in diesem Herbst vom Kabinett beschlossen werden, könnte die Reform - vorausgesetzt Bundestag und Bundesrat stimmen zu - im kommenden Frühjahr in Kraft treten.
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