BERLIN. Der stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion im Bundestag, Carsten Linnemann (CDU), hat vor einer Kampfabstimmung zwischen den möglichen Kanzlerkandidaten Armin Laschet und Markus Söder in der Fraktion gewarnt.
»Was wir jetzt brauchen ist eine gemeinsame Lösung und keine Kampfabstimmung in der Fraktion. Ansonsten drohen Gräben aufgerissen zu werden, die sich nur schwer wieder zuschütten lassen«, sagte er der Funke Mediengruppe. Zuvor hatte auch Friedrich Merz vor dem Szenario gewarnt.
Die vom CDU-Vorsitzenden Laschet und von CSU-Chef Söder selbst gesetzte Frist für eine Einigung im Machtkampf um die Kanzlerkandidatur läuft an diesem Sonntag ab. Ob die beiden Rivalen bis zum Abend oder frühen Montagmorgen eine Lösung finden, oder ob am Ende doch noch die Unionsfraktion wohl an diesem Dienstag entscheiden muss, war zunächst unklar. Am Samstag hieß es aus Unionskreisen lediglich, Laschet und Söder seien in guten und konstruktiven Gesprächen.
Am vergangenen Sonntag hatten sich sowohl Laschet als auch Söder zur Übernahme der Kanzlerkandidatur bereiterklärt. Am Montag stellten sich die Spitzengremien von CDU und CSU jeweils hinter ihre Parteichefs. Am Dienstag traten beide in der Bundestagsfraktion auf, wo es Dutzende Wortmeldungen gab - nach Teilnehmerangaben mehr zugunsten Söders als für Laschet. Beide stellten anschließend eine Verständigung bis Ende der Woche in Aussicht.
Während die CSU quasi geschlossen fest zu Söder steht, ist die Lage in der großen Schwesterpartei deutlich heterogener. Auch zuletzt sprachen sich CDU-Politiker für Laschet, aber auch für Söder aus.
So unterstützt der Arbeitnehmerflügel CDA Laschet. CDA-Chef Karl-Josef Laumann, der in Nordrhein-Westfalen in Laschets Kabinett auch Sozialminister ist, sagte der »Bild am Sonntag«: »Armin Laschet ist der richtige Kanzlerkandidat der Union, weil er eine Politik der Mitte und des Ausgleichs verkörpert. Auf ihn ist Verlass, er steht zu seinem Wort. Das ist nicht ganz unwichtig in der Politik.«
Der Vorsitzende der Senioren-Union der CDU, Otto Wulff, hat sich ebenfalls hinter den CDU-Chef gestellt. »Ich halte nichts davon, Politik auf Basis von Tagesmeinungen zu machen oder den Kanzlerkandidaten nach den Umfragen auszuwählen«, sagte Wulff der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. »Wir müssen aus Überzeugung handeln. Und die Führungsgremien der CDU sind, wie ich auch, davon überzeugt, dass Laschet der richtige Kanzlerkandidat für die Union ist.«
Laschet habe »das wichtige Talent zu integrieren. Nicht nur in der Partei, sondern auch die Menschen im Land«, sagte Wulff. »Und das erscheint mir zu den wichtigsten Aufgabe zu gehören, vor denen wir derzeit stehen: Corona-Krise, Klimawandel, gesellschaftlicher Zusammenhalt.«
Der nordrhein-westfälische CDU-Politiker Dennis Radtke mahnte Söder, endlich Laschet den Vortritt zu lassen - andernfalls könnte die CDU einen Landesverband im CSU-Stammland Bayern gründen. »Wenn Söder die Kanzlerkandidatur erzwingen will, wenn er die CDU zerstören will, dann darf die Gründung der CDU in Bayern kein Tabu mehr sein«, sagte Radtke dem ZDF-Hauptstadtstudio am Samstag. Der 41-jährige Europaparlamentarier aus Bochum ist stellvertretender CDA-Bundesvorsitzender und Mitglied im nordrhein-westfälischen CDU-Landesvorstand, dem auch Laschet angehört.
Seit Jahrzehnten gilt eigentlich, dass CDU und CSU nicht in Konkurrenz zueinander treten wollen. Die CSU nimmt daher nicht an Wahlen außerhalb Bayerns teil, die CDU ist nicht in Bayern aktiv.
Der CDU-Landesvorsitzende von Thüringen, Christian Hirte, sprach sich mit Blick auf die Umfragezahlen hingegen indirekt für Söder aus. Laschet und Söder seien von den Parteigremien und der Fraktion beauftragt, eine Einigung herbeizuführen. »Der Wunsch in der Mehrheit von Wählern und CDU ist dabei offensichtlich«, sagte er.
SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich warf der Union vor, die Corona-Politik während der Debatte um die Kanzlerkandidatur zu vernachlässigen. Der »Bild am Sonntag« sagte er: »Es ist wirklich erschreckend, was unser Koalitionspartner treibt. Tag um Tag vertändeln CDU und CSU leichtfertig mit ihrem internen Streit um Macht und Eitelkeiten, statt sich um die wichtigen Dinge zu kümmern.« (dpa)