Der endlose Hickhack um das Heizungsgesetz sollte sich nicht wiederholen - das war die Hoffnung vieler in der Ampel-Koalition aus SPD, Grünen und FDP. Hat nicht geklappt: In der Kabinettssitzung kam es in dieser Woche zum Eklat.
Dabei müssen sich die Koalitionäre noch bei einer ganzen Reihe anderer Themen einig werden. Oft geht es dabei um Wirtschafts- und Sozialpolitik.
LAGE DER WIRTSCHAFT
Die deutsche Wirtschaft steckt in einer Flaute. Anders als im Rest Europas erholt sie sich nur schlecht von den durch Corona-Krise und Ukraine-Krieg ausgelösten Tiefs. Wie die Regierung die Unternehmen stützen kann, ist hoch umstritten. Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) setzt auf einen staatlich subventionierten, niedrigeren Industriestrompreis bis Deutschland mehr Strom durch erneuerbare Energien erzeugt.
Doch Kanzler Olaf Scholz (SPD) ist kein Fan des Konzepts, Finanzminister Christian Lindner (FDP) lehnt es ab. Denn man dürfte aus EU-rechtlichen Gründen nur die Industrie und nicht das Handwerk unterstützen. Die FDP setzt stattdessen auf steuerliche Entlastungen. Doch das entsprechende Gesetz kam in dieser Woche nicht durchs Kabinett, weil sich Familienministerin Lisa Paus (Grüne) querstellte.
KINDERGRUNDSICHERUNG
Die Ampel-Koalition will staatliche Unterstützungsleistungen für Familien in einer Kindergrundsicherung zusammenfassen und dafür sorgen, dass alle Berechtigten sie auch tatsächlich bekommen. Denn bisher stellt nur ein kleiner Teil der Familien überhaupt die entsprechenden Anträge. Umstritten ist allerdings, ob die Leistungen auch ausgeweitet werden sollen - und was das dann kostet.
Nach monatelangem Hin und Her zwischen Lindner und Familienministerin Paus, die beiden von ihren Haltungen nicht abweichen, hat Kanzler Scholz ein schriftliches Machtwort gesprochen. Bis Ende August soll ein geeinter Gesetzentwurf vorliegen. Darum kümmert sich gerade eine Arbeitsgruppe mehrerer Ministerien - es ist aber zu hören, dass es knapp wird.
BUNDESHAUSHALT
Nach monatelangem Hickhack zwischen Finanzminister Lindner und seinen Kollegen ist der Etat für 2024 zwar im Kabinett beschlossen. Das ist aber nur ein Scheinfrieden, denn zufrieden mit den geplanten Kürzungen sind die wenigsten. Längst kommen aus Reihen von SPD und Grünen Forderungen, für mehr Haushalts-Spielraum entweder Steuern für Reiche zu erhöhen oder den wegen der hohen Energiepreise eingeführten Abwehrschirm anzuzapfen. Beides schließt Lindner kategorisch aus.
Der Etatentwurf liegt nun im Bundestag, wo üblicherweise noch einiges umgeschichtet wird. Aber auch hier gilt: Die Schuldenbremse, die der Neuverschuldung des Bundes enge Grenzen setzt, muss halten. Eine erneute Ausnahme ließe sich in diesem Jahr kaum begründen.
RENTE
Hier hat die Koalition gleich zwei Baustellen: Die Zukunft der Riester-Rente zur privaten Altersvorsorge und die künftige Finanzierung der gesetzlichen Rente. Regierungsberater warnen, schon in den 2040er Jahren könne mehr als die Hälfte des Bundeshaushalts in die Rente fließen. Wenn das Rentenniveau stabil bleiben soll, muss sich die Bundesregierung etwas einfallen lassen.
Lindner und Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) setzen auf Aktien. Aus öffentlichen Mitteln soll ein Kapitalstock aufgebaut werden, dessen Erträge in die Rentenbeiträge fließen. Doch viele halten das Risiko für zu groß, dass die Kapitalmärkte abstürzen. Bei den Grünen gibt es Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit.
MIGRATION
In der Migrationspolitik setzte Bundesinnenministerin Nancy Faeser - die auch SPD-Spitzenkandidatin im hessischen Landtagswahlkampf ist - zuletzt auf Verschärfungen. So brachte Faeser einen von derzeit zehn Tagen auf künftig vier Wochen verlängerten Abschiebegewahrsam ins Spiel. Oder auch Möglichkeiten zur Abschiebung nicht verurteilter Clan-Mitglieder oder anderer Mitglieder krimineller Vereinigungen, wenn es bei ihnen einen klaren Bezug zu kriminellen Aktivitäten gibt. Beides stieß bei den Grünen auf Gegenwehr.
INDEXMIETEN
Insbesondere die SPD dringt auf eine Reform der Indexmieten. Bei solchen Verträgen können die Mieten jährlich mit der Inflation erhöht werden, die zuletzt ziemlich hoch ausfiel. Dafür gibt es bei dieser Variante keine Anpassung der Miete an die ortsübliche Vergleichsmiete. Auch die Grünen haben hier in der Vergangenheit Handlungsbedarf angemeldet. In der FDP finden solche Forderungen aber keine Freunde: Justizminister Marco Buschmann (FDP) entgegnete kürzlich, Problem sei nicht mangelnde Regulierung sondern fehlender Wohnraum. Damit Investitionen attraktiv seien, brauche es auch stabile Erträge.
© dpa-infocom, dpa:230817-99-868162/2