Fast zehn Jahre nach seinem Rücktritt als Papst ist Benedikt XVI. gestorben. Der zuletzt schwer kranke Geistliche starb am Silvestermorgen im Alter von 95 Jahren im Kloster Mater Ecclesiae im Vatikan, wie der Sprecher des Heiligen Stuhls, Matteo Bruni, mitteilte.
Sein Gesundheitszustand hatte sich diese Woche deutlich verschlechtert. Papst Franziskus bezeichnete seinen Vorgänger in der Predigt des Vespergottesdienst am Samstagabend als »so edle, so sanfte Person« und äußerte Dankbarkeit »für all das Gute, das er vollbracht hat, und vor allem für sein Zeugnis des Glaubens und des Gebets«.
Die letzten Worte des gestorbenen Papstes Benedikt XVI. waren einem Medienbericht zufolge »Jesus, ich liebe dich«. Das berichtete die argentinische Zeitung »La Nación« unter Berufung auf informierte Quellen am Samstag.
Spitzenpolitiker aus aller Welt würdigten den in Bayern geborenen Joseph Ratzinger als »Giganten des Glaubens«, einen »demütigen Mann des Gebets und des Studium« sowie als klugen Theologen. Die Reform-Initiative »Wir sind Kirche« beschrieb Benedikt dagegen als einen »von Misstrauen getriebenen und in Angst erstarrten Theologen«, der die Kirche »in rückwärtsgewandter Weise« geprägt habe.
Aufbahrung in der Basilika
Am kommenden Donnerstag um 9.30 Uhr will Franziskus auf dem Petersplatz in Rom den Trauergottesdienst für den Papa Emeritus feiern. Aus Deutschland reist Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier an. Die Stadt Rom rechnet bei der öffentlichen Veranstaltung mit bis zu 60.000 Gläubigen. Anschließend soll Benedikt in der Krypta unterhalb des Petersdoms beigesetzt werden. Bereits ab Montag wird der Verstorbene in der Basilika öffentlich aufgebahrt. Gläubige haben dann die Möglichkeit, sich zu verabschieden.
Ratzinger war am 19. April 2005 als Nachfolger von Johannes Paul II. zum Papst gewählt worden - als erster Deutscher seit etwa 480 Jahren. Knapp acht Jahre später trat er in einem spektakulären Schritt als erster Papst seit mehr als 700 Jahren freiwillig zurück. Auf ihn folgte der Argentinier Jorge Bergoglio als Papst Franziskus. Benedikt lebte seitdem zurückgezogen im Kloster Mater Ecclesiae in den Vatikanischen Gärten, wo er nun auch starb.
Über Benedikts ernsten Gesundheitszustand hatte Franziskus am Mittwoch berichtet. An dem Tag erhielt Benedikt auch die Krankensalbung, wie Sprecher Bruni sagte. In den Tagen danach bezeichnete der Vatikan den Zustand des 95-Jährigen als ernst, aber stabil. Medienberichten zufolge hatten wichtige Vitalfunktionen nachgelassen.
Kanzler Scholz: »Welt verliert prägende Figur«
Die Todesnachricht sorgte für große Anteilnahme in Deutschland und auch international unter den weltweit etwa 1,4 Milliarden Katholiken. Bundeskanzler Olaf Scholz nannte ihn bei Twitter einen »besonderen Kirchenführer« und schrieb: »Die Welt verliert eine prägende Figur der katholischen Kirche, eine streitbare Persönlichkeit und einen klugen Theologen.« Bundespräsident Steinmeier erklärte: »Die Einheit der Christenheit und der Dialog der Religionen, das Miteinander von Religion und Gesellschaft lagen ihm besonders am Herzen.«
Italiens Ministerpräsidentin Giorgia Meloni bezeichnete den Deutschen als »Giganten des Glaubens und der Vernunft«. Staatspräsident Sergio Mattarella sagte, Italien trauere um Benedikt, der »für das italienische Volk unvergesslich bleiben wird«.
Für den Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, Georg Bätzing, war Benedikt XVI. »ein beeindruckender Theologe und erfahrener Hirte«. Die Katholiken trauerten um eine Persönlichkeit, die der Kirche auch in schwierigen Zeiten Hoffnung und Richtung vermittelt habe, teilte der Limburger Bischof der Deutschen Presse-Agentur mit.
In seinem Pontifikat führte Benedikt den konservativen Kurs seines Vorgängers fort. Er stemmte sich gegen eine Modernisierung der Kirche, was ihm viel Kritik einbrachte. Seine Amtszeit wurde von dem Missbrauchsskandal überschattet, der die katholische Kirche in eine tiefe Krise stürzte.
Kritik zu Umgang mit Missbrauchsfällen
Anfang 2022 geriet auch sein eigener Umgang mit Missbrauchsfällen in der Zeit als Erzbischof von München und Freising in die Schlagzeilen. Ein vom Münchener Erzbistum in Auftrag gegebenes Missbrauchsgutachten warf ihm Fehlverhalten in vier Fällen vor. Benedikt war von 1977 bis 1982 Erzbischof von München und Freising gewesen.
Kurz nach der Veröffentlichung des Gutachtens musste Benedikt über seinen Privatsekretär Georg Gänswein eine Aussage korrigieren: Entgegen einer ersten Darstellung hatte er demnach 1980 doch an einer wichtigen Sitzung teilgenommen, in der über einen Priester gesprochen worden war, der im Bistum Essen mehrfach wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern auffällig geworden war. Der Fall war deshalb brisant, weil der Priester in Bayern wieder als Seelsorger eingesetzt wurde. In einem öffentlichen Brief entschuldigte sich Benedikt etwas später bei allen Opfern sexuellen Missbrauchs.
Bätzing erinnerte an den Brief, mit dem Benedikt auf das Gutachten reagiert hatte. »Die Betroffenen hat er um Vergebung gebeten und doch blieben Fragen offen«, so Bätzing. Die Reform-Initiative »Wir sind Kirche« kritisierte dies aber am Samstag als unzureichend: »Zu einem persönlichen Schuldeingeständnis war er nicht bereit. Damit hat er dem Bischofs- und Papstamt großen Schaden zugefügt.« Kritik kam auch von der Opfer-Initiative »Eckiger Tisch«. »Den Tausenden von Missbrauchsopfern seiner Kirche in aller Welt wird er in unguter Erinnerung bleiben als langjähriger Verantwortlicher jenes Systems, dem sie zum Opfer fielen«, sagte der Sprecher der Initiative, Matthias Katsch, der Deutschen Presse-Agentur.
Geistig fit aber nicht körperlich
Zuletzt war es um den Papst im Ruhestand still geworden. Obwohl er bis ins hohe Alter geistig fit war, wie sein Privatsekretär Georg Gänswein immer wieder betonte, baute er körperlich stark ab. Vor ihm starb bereits sein älterer Bruder Georg Ratzinger am 1. Juli 2020 im Alter von 96 Jahren in Regensburg. Benedikt hatte den ehemaligen Kirchenmusiker noch kurz davor am Krankenbett besucht.
Benedikt prägte die katholische Kirche schon vor seinem Pontifikat. Als Präfekt der Glaubenskongregation in Rom hatte Kardinal Ratzinger, geboren am 16. April 1927 im oberbayerischen Marktl am Inn, bereits mehr als 20 Jahre Kirchengeschichte geschrieben. Seine strenge Haltung zu Themen wie Geburtenkontrolle, Abtreibung oder Zölibat lehnten zahlreiche Gläubige insbesondere in Europa ab. In anderen Teilen der katholischen Weltkirche, etwa in Ländern Afrikas und Lateinamerikas, erfuhr die konservative Linie dagegen Unterstützung.
Das Papstamt hatte sich Ratzinger nach eigener Aussage nicht gewünscht, es jedoch akzeptiert, da er dahinter den Willen Gottes vermutete. Die anfängliche Begeisterung der Deutschen (»Wir sind Papst«) wie etwa beim Weltjugendtag 2005 wich bald Ernüchterung.
Äußerung zum Islam sorgte für Empörung
Immer wieder löste Benedikt Irritationen aus. So trat er 2006 bei einer Rede an der Universität Regensburg mit einem mittelalterlichen Zitat über das Verhältnis des Islam zur Gewalt eine Welle der Empörung in der muslimischen Welt los. Der Vatikan verteidigte ihn damit, dass das ausgekoppelte Zitat völlig aus dem Zusammenhang gerissen worden sei. Unverständnis erregte er auch mit seiner Entscheidung, die Exkommunikation aller vier Bischöfe der rechts gerichteten Pius-Bruderschaft zurückzunehmen - unter ihnen der Holocaust-Leugner Richard Williamson.
Um den fünften Jahrestag seiner Wahl zum Papst kam 2010 der Missbrauch an unzähligen Kindern durch katholische Geistliche ans Licht - und wie dies jahrzehntelang vertuscht worden war. Mit der Forderung nach »null Toleranz« gegen die »Sünde in der Kirche« und der Bitte um Vergebung positionierte sich Benedikt in dieser Krise eindeutig. Klar setzte er sich für Aufklärung, Aufarbeitung und Sühne ein und traf mehrfach mit Missbrauchsopfern zusammen.
In seinem Testament bedankte sich Benedikt, bat aber auch um Verzeihung. »Betet für mich, damit der Herr mich trotz all meiner Sünden und Unzulänglichkeiten in die ewigen Wohnungen einlässt«, so seine Worte in dem Dokument, das der Vatikan am Samstagabend veröffentlichte. Benedikt sprach auch von »dunklen und mühsamen Strecken« seines Weges, auf denen ihn der Herr gut geführt habe. »Alle, denen ich irgendwie Unrecht getan habe, bitte ich von Herzen um Verzeihung«, schrieb er weiter.
Rücktritt 2013
Benedikt veröffentlichte drei Enzykliken - über die christliche Liebe, die christliche Hoffnung und die »ganzheitliche Entwicklung des Menschen in der Liebe und in der Wahrheit«. Er betrat als erster Papst eine Synagoge in Deutschland und sprach im ehemaligen deutschen Vernichtungslager Auschwitz sowie in der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem. Schon in seiner bayerischen Familie war die NS-Ideologie strikt abgelehnt worden.
Im Rückblick räumte er selbst ein, dass er manchmal nicht nah genug an den Menschen gewesen sei. Den Lasten des Amtes fühlte er sich am Ende nicht mehr gewachsen. Seinen Rücktritt Ende Februar 2013 begründete er mit seinem fortgeschrittenen Alter und seiner angeschlagenen Gesundheit - ihm fehlten die Kräfte für das anspruchsvolle Amt, sagte er. Der Emeritus versprach, »für die Welt verborgen« zu bleiben. Doch befeuerte er mit Schriften zu heiklen Themen wie Zölibat oder Missbrauch immer wieder Spekulationen, dass er mit dem Kurs seines Nachfolgers Franziskus zumindest in Teilen nicht einverstanden sei.
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