Nach einem blutigen Wahlkampf haben die Ecuadorianer den erst 35 Jahre alten Daniel Noboa zum neuen Präsidenten ihres Landes gewählt. Der Sohn eines der reichsten Männer des südamerikanischen Landes kam in der Stichwahl auf 52,01 Prozent der Stimmen, wie die Wahlbehörde CNE am Montag mitteilte. Er ist der jüngste demokratisch vom Volk gewählte Präsident Ecuadors. Seine Rivalin Luisa González aus dem Lager des wegen Korruption verurteilten Ex-Präsidenten Rafael Correa erhielt 47,99 Prozent.
»Heute haben wir Geschichte geschrieben. Die ecuadorianischen Familien haben ein neues Ecuador gewählt, ein Land der Sicherheit und der Arbeit«, schrieb Noboa auf der Nachrichtenplattform X, ehemals Twitter. »Lasst uns ein Land aufbauen, in dem die Versprechen nicht nur im Wahlkampf gemacht werden und wo die Korruption bestraft wird.«
Der Wirtschaftswissenschaftler kündigte Investitionen in Schlüsselindustrien wie Energie und Logistik sowie Steuervorteile für Unternehmen an, die neue Arbeitsplätze schaffen. Im Kampf gegen die organisierte Kriminalität versprach der künftige Präsident den Aufbau eines Geheimdienstes, die Militarisierung der Grenzen und Häfen sowie die Auflösung der aus seiner Sicht inkompetenten Gefängnisverwaltung.
Gonzáles räumt Niederlage ein
Die Linkspolitikerin González räumte ihre Niederlage ein. Sie bot dem gewählten Staatschef ihre Unterstützung an. »Ecuador muss nun geeint sein«, sagte González vor Anhängern. Die Abgeordneten ihres Lagers würden Reformen im Gesundheits-, Bildungs- und Sicherheitsbereich mittragen, solange die natürlichen Ressourcen des Landes nicht privatisiert würden. Auch der amtierende Präsident Guillermo Lasso gratulierte Noboa zu seinem Wahlsieg.
Noboa trat für das Parteibündnis Acción Democrática Nacional (Nationaldemokratische Aktion) an und gilt als Mitte-Rechts-Politiker. Er präsentierte sich im Wahlkampf als Vertreter der jüngeren Generation mit einem marktliberalen Programm für die angeschlagene Wirtschaft. Sein Vater, der Bananen-Tycoon Álvaro Noboa, hatte sich selbst bereits fünfmal vergeblich um das Präsidentenamt beworben.
Noboa wird Ecuador ab Mitte Dezember allerdings nur für rund 18 Monate regieren - bis zum Ende der regulären Amtszeit des amtierenden Präsidenten Lasso. Der Konservative hatte im Mai nach zwei Jahren im Amt das Parlament aufgelöst, nachdem die Abgeordneten wegen Unterschlagungsvorwürfen ein Amtsenthebungsverfahren gegen ihn in die Wege geleitet hatten. Der 68-Jährige löste damit erstmals den in der Verfassung von 2008 vorgesehenen Vorgang der »Muerte Cruzada« (etwa: gegenseitige Zerstörung) aus, womit vorgezogene Wahlen nötig wurden.
Lasso verzichtete auf eine erneute Kandidatur. Die erste Wahlrunde fand im August während eines von ihm ausgerufenen Ausnahmezustands statt. Elf Tage zuvor war der Präsidentschaftskandidat Fernando Villavicencio, der gegen die Korruption zu kämpfen versprach, nach einer Wahlkampfveranstaltung in der Hauptstadt Quito erschossen worden. Mehrere weitere Politiker wurden in diesem Jahr getötet. Die Kandidaten trugen in der Öffentlichkeit kugelsichere Westen.
Mordrate so hoch wie nie
Die Gewalt in dem 17 Millionen Einwohner zählenden Andenstaat hat in den vergangenen Jahren dramatisch zugenommen. Die Mordrate von rund 25 Tötungsdelikten pro 100.000 Einwohner im vergangenen Jahr war die höchste in der Geschichte des Landes und eine der höchsten Lateinamerikas. Vor wenigen Tagen wurden sieben Verdächtige im Fall des Mordes an Kandidat Villavicencio in Gefängnissen tot aufgefunden.
Banden, die Verbindungen zu mächtigen mexikanischen Kartellen haben, kämpfen um Kontrolle über die Routen des Drogenhandels. Ecuador grenzt an Kolumbien und ist ein wichtiges Transitland für Kokain aus Südamerika, das in die USA und nach Europa geschmuggelt wird.
Die 45-jährige González wäre bei einem Sieg die erste Präsidentin Ecuadors geworden. Sie gehört zum linken Lager des Ex-Präsidenten Rafael Correa (2007-2017), der wegen Korruption verurteilt wurde und im Exil in Belgien lebt. González hatte die erste Wahlrunde mit 33,6 Prozent der Stimmen gewonnen. Bei der gleichzeitigen Parlamentswahl wurde ihre Partei, Revolución Ciudadana (Bürgerrevolution), nach dem vorläufigen Ergebnis mit 48 der 137 Sitze stärkste Kraft.
© dpa-infocom, dpa:231016-99-577979/8