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Druck auf Scholz in Panzerfrage wächst

In der Debatte um die Lieferung von Kampfpanzern an die Ukraine wächst der Druck auf Deutschland. EU-Diplomaten äußern Kritik und Zweifel. Polen will nun offiziell um eine Genehmigung für den Transfer bitten.

Leopard 2
Polen hat angekündigt, Deutschland um eine Genehmigung für die Lieferung der in Deutschland hergestellten Kampfpanzer vom Typ Leopard an die Ukraine zu bitten. Foto: Lech Muszynski
Polen hat angekündigt, Deutschland um eine Genehmigung für die Lieferung der in Deutschland hergestellten Kampfpanzer vom Typ Leopard an die Ukraine zu bitten.
Foto: Lech Muszynski

Die internationale Sorge über das Zögern von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) in der Panzerfrage wird immer größer. Mehrere EU-Staaten kritisierten die Bundesregierung beim Außenministertreffen in Brüssel teils sehr deutlich.

Polen kündigte an, Deutschland um eine Genehmigung für die Lieferung der in Deutschland hergestellten Kampfpanzer vom Typ Leopard an die Ukraine zu bitten - machte aber deutlich, notfalls auch ohne Erlaubnis in einer kleinen Koalition Leopard-2-Panzer liefern zu wollen. »Wenn die Deutschen nicht in dieser Koalition sind, werden wir trotzdem unsere Panzer zusammen mit anderen in die Ukraine verlegen«, sagte Regierungschef Mateusz Morawiecki am Montag in Posen.

Um in Deutschland hergestellte Panzer an andere Länder zu liefern, ist die Genehmigung der Bundesregierung erforderlich. Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) wich bei einem EU-Außenminister-Treffen der Frage aus, ob die Bundesregierung einen Antrag auf die Lieferung von Leopard-Kampfpanzern aus anderen Ländern an die Ukraine schnell bewilligen würde. Sie begründete in Brüssel am Montag lediglich, warum es aus ihrer Sicht eine Entscheidung braucht.

Putin sei von seinem Plan, die Ukraine zu vernichten, nicht abgewichen, sagte die Grünen-Politikerin. »Deswegen ist es so wichtig, dass wir als internationale Gemeinschaft alles dafür tun, die Ukraine zu verteidigen.« Zuvor hatte sie in einem Interview zu den polnischen Plänen gesagt: »Wir wurden bisher nicht gefragt und (...) wenn wir gefragt würden, würden wir dem nicht im Wege stehen.« Regierungssprecher Steffen Hebestreit sagte: »Wenn ein solcher Antrag in Deutschland gestellt würde, was zur Stunde noch nicht der Fall ist, dann gibt es dafür eingespielte Verfahren, in denen eine solche Anfrage beantwortet wird. Und an die halten wir uns alle.«

Notwendigkeit deutscher Lieferungen

Polen sieht indes die Notwendigkeit auch deutscher Lieferungen. »Sie haben mehr als 350 Leopard-Panzer im Einsatz und etwa zweihundert auf Lager. Deshalb können sie der Ukraine heute wirklich helfen, der kämpfenden Ukraine, denn dort bedeutet dieser Kampf auch Kampf für Sicherheit, für Frieden in Europa«, sagte Morawiecki.

»Wir müssen die Angst davor überwinden, Russland zu bezwingen«, sagte Litauens Außenminister Gabrielius Landsbergis in Brüssel. »Was uns aufhält, ist die Angst davor, was passiert, wenn Russland diesen Krieg verliert.« Sein lettischer Kollege Edgars Rinkevics sagte zur deutschen Rolle: »Groß zu sein, bringt auch eine große Verantwortung mit sich. Aber an dieser Stelle glaube ich, dass es keine guten Argumente gibt, warum Kampfpanzer und Flugabwehrsysteme nicht bereitgestellt werden können.«

Der ukrainische Präsidentenbürochef Andrij Jermak schrieb am Montagabend auf Telegram, sein Land benötige »einige hundert« Kampfpanzer für die angestrebte Rückeroberung der von Russland besetzten Gebiete: »Jeder Panzer, der kampffähig ist, muss heute an unserer Front sein.« Ohne einen Sieg der Ukraine mit einer Rückkehr zu den Grenzen von 1991 und der Bestrafung Russlands werde es weder eine stabile Entwicklung noch eine klare Weltordnung geben.

Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg sagte im Fernsehsender Welt auf die Frage, ob er eine deutsche Zustimmung zu Polens angekündigter Leopard-Panzer-Lieferung an die Ukraine begrüßen werde: »Meine Botschaft ist, dass die Alliierten mehr liefern müssen, schwereres Gerät liefern müssen, Ausrüstung, Kampfsysteme für die Ukraine. Und das ist absolut dringlich notwendig.« Er begrüße sämtliche Ankündigungen rund um die Kampfpanzer seitens der Alliierten. »Wenn wir also wirklich eine Lösung haben wollen, wo die Ukraine als souveränes Land und freies Land überlebt, dann ist es absolut wichtig, so zu handeln.«

Auch die russische Friedensnobelpreis-Trägerin Irina Scherbakowa fordert von Deutschland und der EU weitere schwere Waffen für die Ukraine. Der von Russland begonnene Krieg lasse sich nur mit militärischen Mitteln stoppen, »so ungern man das oft in Deutschland hört«, sagte Scherbakova den »Badischen Neuesten Nachrichten« und dem »Badischen Tagblatt«.

300 Leopard-Panzer benötigt

Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn sagte an die Adresse Berlins, »wir wissen, (...) dass jede schwerwiegende Entscheidung immer Zeit gekostet hat.« Er sei zuversichtlich, dass man am Ende dort landen werde, wo man landen müsse. Wichtig sei, dass sich die Ukraine wehren könne, wenn die Russen eine Frühjahrsattacke starteten. Nach seinen Angaben würden 300 Leopard-Panzer gebraucht.

In einem Brief an Verteidigungsminister Boris Pistorius forderten auch Dutzende britische Abgeordnete die Lieferung der Kampfpanzer. »Wir verstehen die historischen Gründe für die Zurückhaltung, deutsche und in Deutschland hergestellte Panzer bereitzustellen«, zitierte die Zeitung »Sun« aus dem Schreiben. »Wir möchten Sie jedoch in diesem Moment äußerster Dringlichkeit dringend bitten, Ihre Position zu überdenken.«

Kremlsprecher Dmitri Peskow sagte der Moskauer Nachrichtenagentur Interfax zufolge, dass das Hin und Her zwischen den EU-Staaten um den Leopard-Panzer die »Nervosität« dort zeige. »Vor allem wird für diese ganzen Handlungen, für diese Pseudounterstützung das ukrainische Volk bezahlen«, sagte Peskow.

© dpa-infocom, dpa:230123-99-322085/12