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Die Ruhe trügt: Macron nach Ausschreitungen unter Druck

Die heftigen Unruhen nach einem tödlichen Polizeieinsatz brachten Macron in eine brenzlige Lage. Nun herrscht zwar wieder Ruhe - doch innenpolitisch steckt der ambitionierte Präsident weiter in der Klemme.

Emmanuel Macron
Innenpolitische Baustellen setzen Frankreichs Präsident Emmanuel Macron unter Druck. Foto: Peter Kneffel/DPA
Innenpolitische Baustellen setzen Frankreichs Präsident Emmanuel Macron unter Druck.
Foto: Peter Kneffel/DPA

Es war der Schuss aus der Waffe eines Polizisten auf einen 17-Jährigen, der Frankreich wochenlang aufwühlte. Der Jugendliche starb bei der Verkehrskontrolle Ende Juni in einem Vorort von Paris - Ausschreitungen griffen danach wie ein Flächenbrand um sich.

Ein massives Polizeiaufgebot erstickte die gewalterfüllten Nächte, die auch Präsident Emmanuel Macron in eine brenzlige Lage brachten. Drei Monate nach den Krawallen sind es andere innenpolitische Baustellen, die den Staatschef unter Druck setzen. Und das Präsidentenlager blickt angespannt auf den Ausgang der Teilneuwahl des Senats, des französischen Oberhauses, an diesem Sonntag.

Weiterhin fatale Polizeieinsätze

Die Ausschreitungen stellten über Wochen andere Themen in den Schatten. Macron sagte einen Staatsbesuch in Deutschland ab. Kurz war das Bedrohungspotenzial für die Stabilität des Landes so groß wie das der 2018 aufgeflammten Gelbwestenproteste. Mittlerweile haben die Versicherungen die Schäden der Krawallnächte mit Plünderungen und Brandstiftungen beziffert, einzelne Randalierer wurden verurteilt.

Dass es weiter fatale Polizeieinsätze gegen jugendliche Verdächtige gibt und die Gefahr neuer Krawalle keineswegs gebannt ist, zeigte sich erst zu Monatsbeginn bei einem Einsatz, bei dem ein 16-jähriger Motorradfahrer starb. Der inzwischen krisenerprobte Macron kann immerhin als Erfolg verbuchen, dass es keine länger andauernde Vorstadtrevolte wie 2005 gab, wie einige im Juni befürchtet hatten.

An der grundsätzliche Zwangslage, die den Staatschef und seine Reformambitionen in seiner zweiten Amtszeit ausbremsen, ändert diese Ruhe nichts. Im Parlament verfügt der Mitte-Politiker seit den Wahlen vor mehr als einem Jahr über keine klare Mehrheit mehr. Alle Versuche von Macron persönlich sowie von Premierministerin Élisabeth Borne, Allianzen - gerade mit den konservativen Républicains - zu schmieden, verliefen im Sand. Die im Frühjahr ohne Abstimmung gegen heftigen Widerstand durchs Parlament gedrückte Rentenreform hat die schwache Position des Präsidenten offengelegt.

Hohe Ausgaben zwingen zum Sparen

Das neue Parlamentsjahr dürfte für Macron nicht leichter werden: Bei den Haushaltsberatungen deutet alles auf das nächste Kräftemessen zwischen dem Präsidentenlager und der Opposition hin. Die hohen Ausgaben während der Pandemie und der Energiekrise zwingen zum Sparen. Als wahrscheinlich gilt, dass die Regierung hier abermals ohne Abstimmung unter Rückgriff auf einen Sonderparagrafen ihren Haushaltsentwurf durchdrückt. Lautstarke Kritik ist da schon vorprogrammiert.

Noch schwieriger dürften die zähen Beratungen über eine Novelle des Migrationsgesetzes werden, die schon mehrfach aufgeschoben wurde. Die Fronten zwischen der Regierung und der Opposition sind verhärtet. Macrons Lager will Asylbewerber zum einen leichter abschieben. Zum anderen sollen irregulär eingereiste Migranten, die schon arbeiten, obwohl sie dazu eigentlich nicht berechtigt sind, leichter einen Aufenthaltstitel erhalten.

Damit eckt Macron gleich an beiden Polen der Opposition an: Die Linken sind gegen einen strengeren Kurs, die Konservativen und Rechten wollen von Zugeständnissen an irreguläre Einwanderer nichts wissen. Das Vorhaben könnte zu einem Misstrauensvotum gegen die Regierung führen - mit ungewissem Ausgang.

Macron-Lager wohl ohne Zugewinne

Viel klarer sind dagegen die Vorhersagen, wenn am Sonntag der Senat zum Teil neu gewählt wird. Zehntausende Kommunal- und Regionalpolitiker bestimmen dann etwa die Hälfte der 348 Senatorinnen und Senatorinnen in indirekter Wahl.

Derzeit liegt die Mehrheit des Senats in der Hand der Konservativen, die in den Regionen Frankreichs besser verwurzelt sind als die noch junge politische Bewegung des Präsidenten. Und erwartet wird, dass das auch so bleibt. Auf Zugewinne kann das Macron-Lager kaum hoffen. Eher richtet sich der Blick auf einzelne Sitze, die Politiker des linken Lagers oder der extrem Rechten zu erobern hoffen, ohne dass dies an Macrons Position viel ändert.

Analyse der Senatswahlen von Le Monde

© dpa-infocom, dpa:230921-99-273879/3