Es war ein langer Weg, doch nun hat die Bundesregierung die Kindergrundsicherung beschlossen. »Es wird zukünftig endlich bessere, schnellere und direktere Leistungen für alle Familien geben«, sagte Familienministerin Lisa Paus (Grüne) im Anschluss an eine Kabinettssitzung.
Die Kindergrundsicherung schaffe »einen Systemwechsel - weg von der Holschuld von Bürgerinnen und Bürgern hin zu einer Bringschuld des Staates«. Schließlich würden Familien künftig direkt vom »Familienservice« über mögliche Ansprüche informiert und die Berechnung und Auszahlung der Leistungen werden einfacher.
Mützenich: Rechtliche Prüfung von Kindergrundsicherung zu spät
Doch die nächsten Hürden für das sozialpolitische Herzensprojekt stehen schon bevor: Wenige Minuten nach dem Kabinettsbeschluss kritisierte der Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, Rolf Mützenich, dass die Bundesregierung die Kindergrundsicherung bislang keiner vollständigen rechtlichen Prüfung unterzogen hat.
Der Bundestag könne erwarten, dass das geschehe, bevor das Gesetz ins Parlament gehe. Das sei wichtig, da die Kindergrundsicherung verschiedene Leistungen, die bisher in anderen Gesetzen geregelt waren, bündele.
»Ich habe bereits vor Wochen angekündigt, dass ich Gesetzentwürfe, die das Bundeskabinett oder Teile von ihm unter Vorbehalt stellt, nicht im parlamentarischen Bereich akzeptieren werde«, sagte Mützenich. »Deswegen wird die SPD-Fraktion bis zum Abschluss dieser Prüfung keine parlamentarischen Beratungen beginnen. Wir erwarten, dass die Voraussetzungen dafür von Seiten der Bundesregierung rasch geschaffen werden.«
Das Justizministerium hat nach eigenen Angaben den Entwurf zur rechtlichen Prüfung erhalten. "Die Rechtsprüfung wurde innerhalb der gesetzten Fristen so umfassend wie möglich durchgeführt", teilte ein Sprecher auf Anfrage der dpa mit. "Vom Bundeskabinett beschlossene Gesetzentwürfe sind zunächst dem Bundesrat zur Stellungnahme zuzuleiten.
Erst nach Ablauf dieser Stellungnahmefrist kann der Deutsche Bundestag seine Beratung beginnen. Weitere technische Anpassungen werden dem Deutschen Bundestag bis spätestens Mitte Oktober übermittelt. Dem Beginn der parlamentarischen Beratungen stehe deshalb nichts entgegen. Das sei innerhalb der Bundesregierung auch so besprochen.
Paus optimistisch bei Kindergrundsicherung ab 2025
Die Fristen müssten auch eingehalten werden, denn der ehrgeizige Zeitplan von Paus lässt kaum Spielraum für erneute Verzögerungen: Die Familienministerin rechnet mit einem Startdatum zum 1. Januar 2025. Die Bundesagentur für Arbeit (BA) geht allerdings von einem Start »im Verlauf« des Jahres 2025 aus.
»Bleibt es bei der geplanten Verabschiedung zu Beginn des kommenden Jahres, können wir im Verlauf des Jahres 2025 mit der stufenweisen Einführung beginnen«, sagte die für Familiensachen zuständige BA-Vorständin Vanessa Ahuja am Mittwoch. »Die BA ist darin geübt, komplexe Gesetzesvorhaben umzusetzen. Wir können diese große Aufgabe stemmen, brauchen dafür aber ab dem Zeitpunkt der Zustimmung durch Bundestag und Bundesrat eine ausreichende Vorlaufzeit.«
Klappt jetzt alles reibungslos?
Zudem ist fraglich, was noch an Debatten im Bundestag zu dem Thema aufkommt. SPD-Fraktionsvize Sönke Rix kündigte bereits an, dass die Partei im Bundestagsverfahren nochmal über den Asylbewerberzuschlag verhandeln will. Ein Punkt, der vor zwei Wochen verhinderte, dass die Kindergrundsicherung ins Kabinett kam.
Im Gesetzentwurf hieß es dann schließlich, dass mit der Einführung der Kindergrundsicherung der in der Corona-Pandemie eingeführte Sofortzuschlag im Bundeskindergeldgesetz, Sozialgesetzbuch II und XII sowie im Asylbewerberleistungsgesetz entfalle. Die Linie, die der FDP wichtig war.
Mehr als 20 zivilgesellschaftliche Organisationen kritisierten dies. »Alle Kinder haben dieselben Rechte - etwa auf gesundes Aufwachsen, soziale Teilhabe und die Wahrung des menschenwürdigen Existenzminimums. Deshalb muss die Kindergrundsicherung eine Leistung für alle Kinder in Deutschland sein«, sagte Maria Loheide, Diakonie-Vorständin Sozialpolitik. »Schon jetzt haben geflüchtete Kinder schlechtere Startchancen.«
Und dann ist da noch die Hürde des Bundesrates und die Frage, ob die unionsgeführten Bundesländer dem Gesetzentwurf so überhaupt zustimmen. »Das bisherige Konzept ist für Bayern so nicht tragbar«, sagte etwa die bayrische Familienministerin Ulrike Scharf (CSU) der »Süddeutschen Zeitung«.
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