Ein in der Debatte um seine geistige Fitness weiterhin unbeirrter US-Präsident Joe Biden hat im Bundesstaat Michigan um Wählerstimmen geworben. »Soviel dazu, dass meine Kampagne auseinanderfällt«, sagte der 81 Jahre alte Demokrat bei einem Auftritt in Detroit.
Wie bereits bei der Pressekonferenz nach dem Nato-Gipfel ließ sich der Präsident keine Selbstzweifel anmerken. Er wolle und werde seinen republikanischen Herausforderer Donald Trump erneut schlagen, machte Biden deutlich. Seine Rede las er dabei von Telepromptern ab, improvisierte nur wenig. An einer Stelle schien er den Faden zu verlieren, lenkte aber schnell mit einer Anekdote davon ab.
Auffällig war, dass einige Vertreter der Demokraten aus dem Bundesstaat Bidens Auftritt fernblieben - darunter die Gouverneurin Gretchen Whitmer, wie US-Medien berichteten. Demnach hatte sie eine Verpflichtung im Bundesstaat Idaho. Auf der Plattform X schrieb Whitmer, es sei immer großartig, Biden in Detroit zu Besuch zu haben und dass die Stadt hinter ihm stehe. Am Mittwoch hatte Whitmer beim Sender CNN eingeräumt, ein kognitiver Test würde »nicht schaden«, um Zweifel an Bidens Eignung für eine zweite Amtszeit zu zerstreuen.
Rückzugsforderungen reißen nicht ab
Am Tag von dessen Besuch in Detroit hatte sich die Schauspielerin Ashley Judd in einem Meinungsbeitrag bei »USA Today« der Forderung ihres Hollywood-Kollegen George Clooney nach einem Rückzug Bidens aus dem Rennen um die Präsidentschaft angeschlossen. Judd bat Biden darum, Platz zu machen für einen »talentierten und starken Kandidaten«. Dies falle ihr als überzeugte Demokratin nicht leicht.
Der demokratische Minderheitsführer des US-Repräsentantenhauses, Hakeem Jeffries, teilte indes mit, sich am Donnerstagabend (Ortszeit) persönlich mit dem US-Präsidenten getroffen und ihm die Sorgen seiner Parteikollegen übermittelt zu haben.
Die »Washington Post« veröffentlichte ein Meinungsstück mit dem Titel: »Biden bleibt uneinsichtig. Er muss die Realität anerkennen.« Die Autorinnen und Autoren stimmen darin der Warnung von Bidens Unterstützern zu, dass man die Gefahr einer erneuten Trump-Präsidentschaft nicht aus den Augen verlieren dürfe. Sie schreiben aber auch: »Der beste Weg, um Mr. Trump aus dem Oval Office fernzuhalten, ist eine starke Alternative.«
Davor hatte die »New York Times« unter Berufung auf zwei nicht namentlich genannte Quellen berichtet, einige Spender der Demokratischen Partei hielten Wahlkampfunterstützung in Höhe von schätzungsweise 90 Millionen US-Dollar zurück, solange Biden an der Kandidatur festhalte. Vergangene Woche gab es bereits Berichte, dass eine wohlhabende Disney-Erbin ihre finanzielle Unterstützung für die Partei so lange zurückhalten wolle, bis Biden sich aus dem Rennen zurückzieht.
Jubel für Biden, Buh-Rufe für die Presse
In Detroit schien von alldem nichts zu spüren zu sein. Bidens Publikum war animiert, jubelte laut immer wieder »Wir stehen hinter Dir«, »Gib ja nicht auf« und »Wir lieben Dich«.
Als Biden die negativen Schlagzeilen der vergangenen Tage ansprach, gab es Buh-Rufe, denen der Demokrat allerdings Einhalt gebot und die »guten Männer und Frauen« in der Presse verteidigte. Er kritisierte dennoch, ungerechtfertigt in die Mangel genommen zu werden, weil er manchmal Namen verwechsle. »Ich sage Charlie statt Bill. Aber wisst Ihr was? Donald Trump hat einen Freifahrtschein bekommen.«
Seinen Fokus legte Biden auch im restlichen Teil seiner Rede vor allem auf den republikanischen Herausforderer. In der Autoindustriestadt Detroit bezeichnete er Trump als Gegner von Gewerkschaften und Arbeiterklasse. Die Kernbotschaft: Er selbst kümmere sich um die Probleme der Menschen, während der verurteilte Straftäter Trump nur auf seinem Golfkurs herumfahre.
Im Zuge des Michigan-Besuchs machte Biden auch einen unangekündigten Zwischenstopp in einem Restaurant - solche Überraschungsauftritte sind im US-Wahlkampf nicht ungewöhnlich, werden in der aktuellen Gemengelage aber mit größter Aufmerksamkeit verfolgt.
Gemischte Gefühle im Kongress
Auch unter Kongressmitgliedern sind alle Augen auf den US-Präsidenten gerichtet: Seit seinem katastrophalen Auftritt beim TV-Duell gegen Trump haben sich rund 20 demokratische Parlamentarier offen gegen Biden gestellt.
Minderheitsführer Jeffries schrieb nach seinem Treffen mit dem Präsidenten in einem Brief an die demokratischen Abgeordneten seiner Parlamentskammer, er habe Biden gegenüber »direkt die ganze Bandbreite an Erkenntnissen, aufrichtigen Perspektiven und Schlussfolgerungen« seiner Fraktion zum Ausdruck gebracht. Auffällig war, dass er dabei nicht erwähnte, Biden seine Unterstützung für dessen Präsidentschaftskandidatur ausgesprochen zu haben.
Viele demokratische Kongressmitglieder sorgen sich, dass fehlende Unterstützung für Biden auch sie die Wiederwahl kosten könnte. Neben dem Präsidentenamt wird im November über alle Sitze im Repräsentantenhaus abgestimmt und über ein Drittel der Sitze im Senat. Bei den Demokraten geht die Befürchtung um, dass die Republikaner nach der Wahl sowohl beide Kammern im Kongress als auch das Weiße Haus kontrollieren könnten.
Biden soll beim Parteitag der Demokraten im August offiziell zu ihrem Kandidaten gekürt werden. Die nötigen Delegiertenstimmen dafür hat er bei den Vorwahlen bereits gewonnen. Deshalb kann auch nur er entscheiden, aus dem Rennen auszusteigen. Ob dabei letztlich die Zweifler oder die Hoffnungsvollen Gehör finden, bleibt abzuwarten.
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