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Der tattrige Präsident? Biden sorgt für Gesprächsstoff

Das Alter von Joe Biden ist ein Dauerthema im US-Präsidentschaftswahlkampf. Auch am Rande des G7-Gipfels in Italien gibt es Diskussionen über seinen Zustand.

Joe Biden
US-Präsident Joe Biden beim Gipfeltreffen der G7-Staaten in Bari, Italien. Foto: Michael Kappeler/DPA
US-Präsident Joe Biden beim Gipfeltreffen der G7-Staaten in Bari, Italien.
Foto: Michael Kappeler/DPA

Es ist eine merkwürdige Szene: Die Staats- und Regierungschefs schauen beim G7-Gipfel in Süditalien einer Show von Fallschirmspringern zu. Sie richten den Blick gen Himmel, US-Präsident Joe Biden starrt mit offenem Mund nach oben, wischt sich zwischendurch über die Lippen. Nach der Landung der Fallschirmspringer geht er ein paar Schritte auf einen von ihnen zu, ganz langsam, streckt ihm den gehobenen Daumen entgegen, bis ihn die Gipfel-Gastgeberin, Italiens Regierungschefin Giorgia Meloni, am Arm berührt und ihn zur Gruppe zurückbittet für einen Vortrag zu der Präsentation.

Der 81-Jährige hört auch da mit offenem Mund zu, setzt sich in Zeitlupe seine Piloten-Sonnenbrille auf und steht dann stocksteif da, mit baumelnden Armen und ohne Regung, während die anderen Regierungschefs neben ihm versuchen, wahlweise interessiert oder freundlich zu schauen und Meloni, wie öfter an diesem Tag, ihre sehr lange und sehr weite Hose zurechtzupft. Ja, der Präsident wirkt nicht gerade kraftvoll in jener Szene. Doch wer den ältesten US-Präsidenten aller Zeiten regelmäßig beobachtet, für den ist ein Moment wie dieser alltäglich. Am Rande des G7-Gipfels allerdings sorgt es für Gesprächsstoff, wie wackelig sich der mächtigste Mann der Welt auf der internationalen Bühne präsentiert. 

G7-Gipfel: Fallschirmspringer
Justin Trudeau (l-r), Fumio Kishida, Giorgia Meloni, Ursula von der Leyen, Charles Michel, Olaf Scholz, Emmanuel Macron und Joe Biden beobachten Fallschirmspringer am Himmel, beim Gipfeltreffen der G7-Staaten in Borgo Egnazia bei Bari. Foto: Michael Kappeler/DPA
Justin Trudeau (l-r), Fumio Kishida, Giorgia Meloni, Ursula von der Leyen, Charles Michel, Olaf Scholz, Emmanuel Macron und Joe Biden beobachten Fallschirmspringer am Himmel, beim Gipfeltreffen der G7-Staaten in Borgo Egnazia bei Bari.
Foto: Michael Kappeler/DPA

Material für Trumps Wahlkampfmaschinerie

Großbritanniens Premier Rishi Sunak wird sogar von Journalisten auf die Szene angesprochen und wiegelt ab, Biden sei nur »höflich« gewesen zu den Fallschirmspringern. Da Biden mitten im Wahlkampf für eine zweite Amtszeit steckt, stürzt sich vor allem die Wahlkampfmaschinerie von Bidens Herausforderer Donald Trump auf Szenen wie diese. 

»Bidens kognitiver Verfall wird beim G7-Gipfel deutlich sichtbar«, wettert Trumps Wahlkampfteam über die Fallschirm-Szene. »Man sah Biden in die Ferne starren und wie ein hirntoter Zombie umherwandern.« Meloni habe ihn quasi wieder einfangen müssen. Die Gegner der USA sähen das mit großer Freude. 

Wahlkämpfer der Republikanischen Partei sezieren jede Äußerung, jeden Schritt des Amtsinhabers, um ihn als senilen Greis darzustellen, der kurz vor dem Kollaps stehe und nicht imstande sei, einen geraden Satz zu sagen - geschweige denn, das Land zu führen. Schon bei Bidens erstem Stopp in Europa, bei seinem Besuch in Frankreich, verbreitete Trumps Wahlkampfteam diverse Videoclips, um Biden besonders alt aussehen zu lassen - alles jedoch verzerrt, gekürzt und so geschnitten, dass es aus dem Kontext gerissen war und an der Realität vorbeiging. 

Ständige Patzer

Zur Wahrheit gehört aber auch, dass sich der siebenfache Großvater Biden täglich Patzer leistet und nicht sonderlich agil daherkommt. Sein Gang ist steif - das bestätigt selbst der Leibarzt des Präsidenten in jedem veröffentlichten Gesundheitscheck. Der Demokrat bewegt sich nur langsam, nimmt Treppenstufen mit Vorsicht in Angriff. Nahezu bei jedem Auftritt verspricht er sich, bringt Sätze nicht zu Ende oder stolpert über komplizierte Wörter - und das nicht nur deshalb, weil er mit einem Stotter-Problem aufwuchs. 

Biden verwechselt immer wieder Namen oder Nationalitäten ausländischer Staats- und Regierungschefs. Frankreichs Präsidenten Emmanuel Macron etwa machte Biden jüngst zu dessen Vorgänger, François Mitterrand. Als die Amerikaner im Frühling Lebensmittellieferungen aus der Luft für den Gazastreifen starteten, verkündete Biden versehentlich im Weißen Haus, die Essenspakete würden über der Ukraine abgeworfen. 

Das Amt des US-Präsidenten gilt als einer der härtesten Jobs der Welt. Biden macht ihn in einem Alter, in dem andere schon viele Jahre in Rente sind. Der Wahlkampf kommt nun noch hinzu. Rund um den G7-Gipfel jettet Biden innerhalb von zwei Wochen zweimal zwischen den USA und Europa hin und her. Und vom Gipfel in Italien aus fliegt der Demokrat gleich weiter nach Los Angeles an die US-Westküste, um dort Wahlkampf zu machen. So was kann selbst Menschen schlauchen, die halb so alt sind wie Biden. 

Geschwänztes Dinner

Beim G7-Treffen schwänzte der US-Präsident am Donnerstagabend das festliche Abendessen. Auch das wurde aufmerksam zur Kenntnis genommen und in italienischen Medien vorschnell als Zeichen Bidens »Erschöpfung« gewertet. Der Demokrat war um die Zeit aber noch am Arbeiten und trat parallel mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj auf. Auch dort verzettelte sich Biden bei seinen Statements allerdings mehrfach. 

In knapp zwei Wochen steht Biden eine echte Bewährungsprobe bevor: das erste TV-Duell gegen Trump. 90 Minuten Live-Debatte im Fernsehen gegen einen unberechenbaren Gegner, der zwar auch Senior ist und selbst ständig peinliche Fehler macht, aber gleichzeitig ein Meister der Show ist. Trump wurde ausgerechnet heute 78. Biden bestellte seinem Gegner trotz des erbitterten Wahlkampfes und der ständigen Attacken Geburtstagsgrüße. »Herzlichen 78. Geburtstag, Donald«, schrieb der Demokrat auf der Plattform X. »Lass es dir von einem alten Typen zum anderen sagen: Alter ist nur eine Zahl.«

© dpa-infocom, dpa:240614-99-397634/5