BERLIN. Nach dem gewaltsamen Tod des Afroamerikaners George Floyd bei einem brutalen Polizeieinsatz sind heute in rund 25 deutschen Städten Anti-Rassismus-Demonstrationen geplant. Erwartet werden Tausende Teilnehmer.
Die Veranstalter riefen dazu auf, in schwarzer Kleidung zu erscheinen und der Tat schweigend zu gedenken. Auch in Dutzenden US-Städten haben in den vergangenen Tagen immer wieder Tausende weitgehend friedlich für ein Ende des Rassismus und für Gerechtigkeit für Floyd demonstriert; teilweise gab es aber auch Ausschreitungen.
Integrationsstaatsministerin Annette Widmann-Mauz mahnte die Menschen in Deutschland, mehr Bewusstsein für rassistische Diskriminierung zu entwickeln. »Rassismus gibt es auch in Deutschland - in der Schule, auf der Straße, im Job, in Bus und Bahn, im Freundeskreis«, sagte die CDU-Politikerin den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. Dieser müsse erkannt, benannt und in allen Bereichen bekämpft werden. Rassismus sei der ideologische Nährboden für rechtsextreme Gewalt, warnte sie.
Beleidigungen und Benachteiligungen von Menschen wegen ihrer Hautfarbe sind nach den Erfahrungen der Antidiskriminierungsstelle des Bundes auch in Deutschland weit verbreitet. »Diskriminierung ist ein alltägliches Phänomen. Das kann ich aus unserer Erfahrung sagen«, sagte der kommissarische Leiter Bernhard Franke der Deutschen Presse-Agentur. »Uns gibt es seit 2006, und wir haben ungefähr 28.000 Anfragen seitdem erhalten.« Das spreche dafür, dass es nicht um Einzelfälle gehe.
Am Freitag hatten in Hamburg etwa 4500 Menschen vor dem US-Konsulat am Alsterufer gegen Rassismus und Polizeigewalt demonstriert - angekündigt waren lediglich 250. Die Kundgebung sei dennoch störungsfrei verlaufen, sagte ein Polizeisprecher nach Abschluss. Auch Teilnehmer sprachen von einer bunten und friedlichen Kundgebung.
Am Samstag soll es in Raeford im Bundesstaat North Carolina noch eine weitere Trauerfeier für Floyd geben, am Dienstag soll er dann im texanischen Houston beigesetzt werden. Floyd war am Montag vergangener Woche bei einer Festnahme in Minneapolis gestorben. Ein weißer Polizeibeamter hatte sein Knie fast neun Minuten lang in den Nacken des am Boden liegenden Floyd gedrückt - trotz aller Bitten des 46-Jährigen, ihn atmen zu lassen.
Im Kampf gegen strukturellen Rassismus in Deutschland fordert der zivilgesellschaftliche Verband Each One Teach One (EOTO) mehr gesetzliche Regelungen gegen Ungleichbehandlung. Das neue Berliner Antidiskriminierungsgesetz müsse in alle Bundesländer und auch auf Bundesebene ausgeweitet werden und zudem inhaltlich stärker formuliert werden, sagte Vorstand Daniel Gyamerah der Deutschen Presse-Agentur. EOTO ist in den Bereichen Rassismusprävention und Empowerment Schwarzer Menschen tätig.
Am Donnerstag hatte der Berliner Senat als erstes Bundesland ein Landesantidiskriminierungsgesetz verabschiedet. Dieses soll Menschen vor Diskriminierung in Behörden und Verwaltung schützen und einen gleichberechtigten Zugang zu öffentlich-rechtlichen Dienstleistungen geben. Kritik an dem Gesetz hatte es unter anderem von der Gewerkschaft der Polizei gegeben.
Im Bezug auf die Polizei sagte Gyamerah, auch angesichts von Fehlverhalten in der Vergangenheit sollte es ihr Selbstanspruch sein, selbstverständlich nicht zu diskriminieren. Eine Aussage des Bundesinnenministeriums, wonach Rassismus in deutschen Behörden bereits entschieden bekämpft werde, nannte er eine »unfassbare Unverschämtheit«.
Die innenpolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag, Irene Mihalic, forderte angesichts der Debatte über Rassismus in der US-Polizei Reformen auch hierzulande. Die deutsche Polizei sei im Kern sicherlich gut aufgestellt, sagte sie dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. »Aber das heißt nicht, dass es nicht noch Verbesserungen geben sollte«, sagte Mihalic, die selbst als Polizistin gearbeitet hat. So gebe es teilweise das so genannte Racial Profiling bei verdachtsunabhängigen Kontrollen, bei dem verstärkt oder ausschließlich Ausländer oder Menschen mit Migrationshintergrund überprüft werden, und Berichte über Rechtsextremismus in der Polizei. Außerdem sei unklar, wie groß das Problem in Deutschland sei, weil es wenige empirische Daten über verfassungsfeindliche Einstellungsmuster in der Polizei gebe.