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Debatte um Abschaffung des Ehegattensplittings: Darum geht's

SPD-Chef Klingbeil schlägt vor, das Ehegattensplitting für neue Ehen zu streichen und entfacht damit einen Streit in der Ampel. Doch was beinhaltet diese Regelung überhaupt und wer profitiert davon?

Debatte um  Ehegattensplitting
Verheiratete profitieren durch das Ehegattensplitting massiv, was laut SPD-Chef Klingbeil »klassische Rollenverteilung zwischen Mann und Frau begünstigt«. Foto: Rolf Vennenbernd/DPA
Verheiratete profitieren durch das Ehegattensplitting massiv, was laut SPD-Chef Klingbeil »klassische Rollenverteilung zwischen Mann und Frau begünstigt«.
Foto: Rolf Vennenbernd/DPA

Es geht um keine geringeren Themen als Gleichstellung und Steuerprivilegien in einer Partnerschaft. Alle Jahre wieder bricht eine Debatte über das sogenannte Ehegattensplitting aus.

Jetzt hat SPD-Chef Lars Klingbeil das Thema in den Fokus gerückt: Lieber hier kürzen als beim Elterngeld, schlägt er vor. Die Berechnungsmethode der Einkommenssteuer solle zumindest für neue Ehen verändert werden. Der Koalitionspartner FDP läuft dagegen Sturm. Was verbirgt sich hinter dem Begriff Ehegattensplitting und wer von einer Abschaffung betroffen?

Was ist das Ehegattensplitting?

Normalerweise muss jeder Steuerpflichtige in Deutschland seine Einkommensteuererklärung selbst abgeben. Ehepaare und Menschen in Lebenspartnerschaften können ihre Steuererklärung aber auch gemeinsam erstellen. Dann wird ihr Einkommen zusammengerechnet und jeweils halbiert. Jeder Partner zahlt dadurch gleich viel Steuern. Aufgrund des progressiven Steuersatzes, bei dem der Steuersatz mit steigendem Einkommen zunimmt, kann das Splitting dazu führen, dass man in eine niedrigere Steuerklasse fällt. Laut Finanzministerium sparen Familien und Paare dadurch im Jahr aktuell rund 25 Milliarden Euro an Steuern.

Wie funktioniert das genau?

Das Finanzamt addiert das zu versteuernde Jahresgehalt der Partner, sie werden damit steuerlich als Einheit behandelt. Es wird so getan, als bekämen beide genau die Hälfte des gemeinsamen Einkommens, auch wenn einer der beiden deutlich mehr verdient als der andere. Für diese Hälfte wird die Einkommensteuer berechnet und anschließend verdoppelt. Das ergibt die Einkommensteuer, die das Ehepaar zusammen zahlen muss.

Was bringt das?

Das Ehegattensplitting nützt vor allem Paaren, bei denen einer viel und der andere wenig verdient. Ein Beispiel der Vereinigten Lohnsteuerhilfe: Ein Partner verdient 45.000 Euro im Jahr und müsste 9945 Euro Steuern zahlen. Der andere Partner verdient 15.000 Euro im Jahr und müsste 887 Euro Steuern zahlen. Wenn die beiden eine gemeinsame Steuererklärung abgeben und das Finanzamt den Splittingtarif anwendet, müssen sie statt 10.832 Euro nur 9902 Euro Steuern zahlen und sparen 930 Euro.

Wer profitiert vom Ehegattensplitting?

Hat ein Paar unterschiedliche Einkommenshöhen, kann die gemeinsame Veranlagung vorteilhaft sein. Je größer der Unterschied im Einkommen ist, desto größer ist die potenzielle Steuerersparnis durch das Ehegattensplitting. Besonders groß ist der Steuervorteil, wenn einer der Partner kein oder nur ein sehr geringes eigenes Einkommen hat. Am wenigsten nützt es, wenn beide Partner gleich viel verdienen.

Ist das Ehegattensplitting noch zeitgemäß?

Von der OECD und der EU-Kommission wird Deutschland häufig für das Ehegattensplitting kritisiert - mit dem Argument, dass es Frauen vom Arbeitsmarkt fernhalte. Denn vor allem Frauen arbeiten nach der Familiengründung öfter in Teilzeit und stecken bei der Karriere zurück. Durch das Ehegattensplitting rechnet sich eine Erwerbstätigkeit für sie teils nicht - was sich dann aber auf ihre Renten- und Sozialleistungen auswirkt.

Ulrich Schneider, Geschäftsführer des Paritätischen Wohlfahrtsverbands, steht trotzdem kritisch zum Vorschlag zur Abschaffung des Splittings. »Das Ehegattensplitting, das auch für viele Familien mit durchschnittlichen und niedrigen Einkommen relevant ist, abzuschaffen, um ausgerechnet das Elterngeld für Bestverdiener zu finanzieren, scheint wenig durchdacht und käme einer Umverteilung von unten nach oben gleich«, sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland.

Was sagt die Politik?

SPD-Chef Klingbeil hat die ganze Debatte ins Rollen gebracht. Er hält das Splitting für ein »antiquiertes Steuermodell, das die klassische Rollenverteilung zwischen Mann und Frau begünstigt«. Für neue Ehen und Partnerschaften sollte es seiner Ansicht nach nicht mehr gelten. Die Grünen-Vorsitzende Ricarda Lang zeigte sich offen dafür: Sie seien hier »gerne zum Gespräch bereit«, sagte sie. Ablehnend reagiert die FDP. »Wer immer neue Vorschläge macht, die dem Koalitionsvertrag widersprechen, der provoziert immer wieder neu Widerspruch und Streit«, sagte FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai der Deutschen Presse-Agentur.

Könnte das Ehegattensplitting wirklich abgeschafft werden?

Die FDP argumentiert, die Abschaffung käme einer Steuererhöhung für Ehepaare und Lebenspartner gleich - und Steuererhöhungen hat die Ampel-Koalition ausgeschlossen.

In ihrem Koalitionsvertrag haben sich SPD, Grünen und FDP eigentlich eine Reform und keine Abschaffung vorgenommen: Nur die Steuerklassen beim Ehegattensplitting sollen geändert werden. Beide Partner würden dann in Steuerklasse 4 einsortiert, was die monatliche Steuerlast etwas anders verteilt. Eine Abschaffung, wie Klingbeil sie vorschlägt, scheint in einer Koalition mit der FDP schwer vorstellbar.

Wenn es doch käme, wer wäre davon betroffen?

Klingbeil hat seinen Vorstoß ausdrücklich nur für neue Ehen und Partnerschaften gemacht. Wer das Splitting bisher nutzt, könnte das also auch dann weiter tun, wenn sich der Vorschlag des SPD-Chef durchsetzen würde.

© dpa-infocom, dpa:230711-99-362047/4