Donald Trump ist zurück - und zwar richtig. Der Republikaner wird wieder der US-Präsidentschaftskandidat seiner Partei. Mit der Kapitulation seiner letzten internen Konkurrentin in dem Rennen, Nikki Haley, hat sich der 77-Jährige vorzeitig die Kandidatur seiner Partei für die Wahl im November gesichert. Trotz aller Skandale und gegen jede politische Logik. Er hat eine echte Chance, ein zweites Mal ins Weiße Haus einzuziehen. Falls ihm das gelingt, können sich die USA und die Welt auf einen entfesselten Donald Trump einstellen: selbstbewusster und erbarmungsloser denn je.
Trump 2.0
Der Republikaner hat bereits in seiner ersten Amtszeit mit nahezu jeder Konvention gebrochen, schwere internationale Verwerfungen ausgelöst und das Verfassungssystem der USA an den Rand des Zusammenbruchs gebracht. Seitdem hat er unbeschadet eine Vielzahl an Skandalen, Affären und juristischen Desastern überstanden, die jedem anderen längst die politische Karriere gekostet hätten. In einer neuen Amtszeit dürfte er deshalb erst recht nicht mehr davor zurückschrecken, weitere Grenzen zu überschreiten oder Tabus zu brechen. Und Trump dürfte dann auch nicht mehr viele moderate Republikaner an seiner Seite haben, die bei Bedarf als Stimme der Vernunft auf ihn einwirken - sondern radikale Konservative um sich scharen, die ihn in extremen Positionen nur bestärken.
Eines kann man Trump nicht vorwerfen: Dass er einen Hehl daraus machen würde, wer er ist, was er denkt und was er vorhat. Die Amerikaner wissen ganz genau, was sie bekommen, wenn sie für ihn stimmen. Er hat etwa angekündigt, im ganz großen Stil Migranten aus dem Land abzuschieben, im Staatsapparat aufzuräumen und sich an seinen politischen Gegnern zu rächen, die ihm an den Kragen wollten. Er kokettiert damit, »Diktator« wolle er nur am ersten Tag einer zweiten Amtszeit sein, doch tatsächlich könnten die USA unter ihm autokratische Züge bekommen. Und international? Droht Trump ungeniert damit, der Nato den Rücken zu kehren, die Hilfen für die Ukraine zu beenden und Russlands Präsident Wladimir Putin bei dessen imperialistischer Mission in der Nachbarschaft freie Hand zu lassen.
Selbst für den Fall, dass Trump die Wahl verlieren sollte, droht den USA eine Krise: Denn nachdem Trump den Ausgang der Präsidentenwahl 2020 auf allen Wegen bekämpft und einen friedlichen Machtwechsel verweigert hat, ist nicht absehbar, dass er eine Niederlage diesmal akzeptieren würde. Mit womöglich dramatischen Folgen.
Der Moment, als Trumps Schicksal auf der Kippe stand
Ein Blick zurück. Es gab einen kurzen Moment, in dem es schien, als sei Donald Trump politisch für immer erledigt: Als am 6. Januar 2021 Anhänger des damaligen US-Präsidenten Absperrungen überrannten, Polizisten nieder prügelten und gewaltsam den Parlamentssitz stürmten, während Trump tatenlos zuschaute. Da sah es für kurze Zeit so aus, als habe der Republikaner sich auf alle Zeit für jedes staatliche Amt disqualifiziert. Der beispiellose Angriff auf die US-Demokratie, der mehrere Menschen das Leben kostete - angepeitscht vom amtierenden Präsidenten und dessen unverfrorenem Versuch, ein Wahlergebnis zu kippen - wirkte wie der verstörende Endpunkt einer politischen Karriere, die ihresgleichen sucht.
Nach der Attacke gingen damals zunächst selbst treue Weggefährten auf Distanz zu Trump. Kurz sah es aus, als würde sich die Republikanische Partei von ihrem Frontmann lossagen und Trump in der politischen Bedeutungslosigkeit verschwinden. Doch viele Trump-Anhänger hielten eisern zu jenem Mann, den sie teils blind vergöttern. Und angesichts seines Einflusses auf die Basis kehrte einer nach dem anderen aus dem Partei-Establishment zurück an Trumps Seite. Manche mit geballter Faust in der Tasche, aber getrieben von der Angst vor der Rache der Trump-Basis, die sie das eigene politische Mandat kosten könnte.
Heute hat Trump seine Partei mehr denn je im Griff - das zeigt sein Durchmarsch bei den Vorwahlen. Die republikanische Basis bescherte ihm dort einen Erfolg nach dem anderen: einen Siegeszug, wie ihn sonst nur Amtsinhaber hinlegen, die ohne echte Konkurrenz antreten.
Der Unantastbare
Trump scherzte einst: »Ich könnte mitten auf der Fifth Avenue stehen und jemanden erschießen, und ich würde keine Wähler verlieren.« Die Aussage von Anfang 2016 hallt inzwischen auf besondere Weise nach. In den vergangenen acht Jahren hat Trump bewiesen, dass ihm nichts, aber rein gar nichts politisch etwas anhaben kann. Nicht die sexistischen oder rassistischen Sprüche, nicht die Pöbeleien gegen Frauen, Muslime, Migranten, Behinderte, Veteranen, nicht die Lügen oder das Chaos während seiner Amtszeit. Trump ist der einzige Präsident in der US-Geschichte, der sich in seiner Zeit im Weißen Haus gleich zwei Amtsenthebungsverfahren stellen musste. Auch die überstand er.
Inzwischen ist er in vier Strafverfahren angeklagt. Inhaltlich geht es dabei um eine erstaunliche Bandbreite: von der Verschleierung von Schweigegeldzahlungen an einen Pornostar bis zu versuchtem Wahlbetrug und Verschwörung gegen die USA. Nie zuvor in der US-Geschichte wurde ein Ex-Präsident wegen einer Straftat angeklagt. Trump werden Straftaten in gleich 91 Fällen zur Last gelegt.
Das ist nicht alles. In zwei Zivilverfahren wurde der Ex-Präsident gerade erst zu Schadensersatzzahlungen in Höhe von insgesamt mehr als 400 Millionen Dollar verurteilt. Wegen dubioser Geschäftspraktiken und weil er eine Frau in den 90er Jahren in einem Nobelkaufhaus angegriffen, sexuell missbraucht und später verleumdet hat. Schon im Wahlkampf 2016 hatte Trump mit einer vulgären Aussage für Furore gesorgt, dass er Frauen überall anfassen könne, auch zwischen den Beinen. Die Amerikaner wählten ihn damals trotzdem zum Präsidenten. Dass er nun vor Gericht für sexuellen Missbrauch haftbar gemacht wurde, scheint für viele kein Hindernis, ihn wieder zu wählen.
All die Verfahren haben dem Republikaner bisher nicht geschadet. Im Gegenteil: Trump hat es zur Paradedisziplin gemacht, jeden rechtlichen Vorwurf umzumünzen, und Anhänger zu mobilisieren und Spenden zu sammeln. Er hat die Rolle als Märtyrer perfektioniert.
Eine fast historische Rückkehr ins Weiße Haus?
Jener Mann also, der als 45. Präsident der Vereinigten Staaten der Nato mit einem Ausstieg der USA drohte, Grönland kaufen wollte und vorschlug, das Coronavirus durch Injektion von Bleiche in den menschlichen Körper zu bekämpfen, könnte erneut auf das mächtigste Amt der Welt aufrücken. Trumps Chancen, am Ende tatsächlich der 47. Präsident der USA zu werden, stehen nicht schlecht. Umfragen sagen ein enges Rennen gegen den demokratischen Amtsinhaber Joe Biden voraus und sehen Trump in letzter Zeit sogar meist knapp in Führung.
In den USA kann jemand zwei Amtszeiten lang Präsident sein, egal ob diese aufeinander folgen oder nicht. Es gab in der US-Geschichte aber nur einen Präsidenten, der nach Unterbrechung ein zweites Mal ins Weiße Haus zurückkehrte: Grover Cleveland im 19. Jahrhundert. Sollte Trump die Rückkehr gelingen, dann blieben ihm dort zwar nur vier Jahre. Trump hat jedoch in seiner ersten Amtszeit bewiesen, dass dies genug Zeit ist, um das Land auf den Kopf zu stellen - und die Welt.
© dpa-infocom, dpa:240306-99-242964/4