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Corona-Protest: Gerichte entscheiden über Demoverbot

Wird das Verbot der geplanten Berliner Demonstration gegen Corona-Auflagen Bestand haben? Darüber befinden Gerichte. Innensenator Geisel wehrt sich gegen den Vorwurf, mit dem Verbot eine politische Linie durchzusetzen.

Andreas Geisel
»Klar gemacht, dass wir uns nicht wieder auf der Nase herumtanzen lassen«: Berlins Innensenator Andreas Geisel. Foto: Britta Pedersen/dpa-Zentralbild/dpa
»Klar gemacht, dass wir uns nicht wieder auf der Nase herumtanzen lassen«: Berlins Innensenator Andreas Geisel. Foto: Britta Pedersen/dpa-Zentralbild/dpa

BERLIN. Gegen das Verbot der am Samstag in Berlin geplanten Demonstration gegen die Corona-Politik haben die Anmelder Widerspruch beim Verwaltungsgericht der Stadt eingelegt. Ein entsprechender Eilantrag sei am Donnerstag per Fax eingegangen, sagte ein Gerichtssprecher.

Wann mit einer Entscheidung darüber zu rechnen sei, stehe noch nicht fest. Dass noch am heute entschieden werde, sei eher unwahrscheinlich, aber auch nicht ausgeschlossen. »Spätestens aber am Freitag.« Die Veranstalter-Initiative Querdenken 711 aus Stuttgart hatte am Mittwoch angekündigt, gegen das Verbot der Polizei vorzugehen und wenn nötig auch das Oberverwaltungsgericht und das Bundesverfassungsgericht anzurufen. Auch in früheren ähnlichen Fällen haben alle drei Instanzen innerhalb kurzer Zeit entschieden. Die Polizei will ebenfalls im Fall einer Niederlage vor dem Verwaltungsgericht in die nächste Instanz gehen.

Bei der Berliner Polizei wurden derweil rund 1000 neue Demonstrationen angemeldet. Die Beamten erwarten, dass die Zahl weiter steigen wird, da entsprechende Aufrufe im Internet kursieren, wie eine Sprecherin am Donnerstagmittag sagte.

Unklar ist, ob die Versammlungen wirklich stattfinden werden. Per se verboten werden könnten sie nicht, erläuterte die Polizeisprecherin. Eine Demonstration lässt sich einfach und schnell über ein Formular auf der Internetseite der Polizei anmelden. Zunächst hatten das Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) und T-Online darüber berichtet.

Berlins Innensenator Andreas Geisel (SPD) verteidigt das Verbot. Im RBB-Inforadio sprach er am Donnerstag von einer schweren Entscheidung. Es sei Ziel der Demonstration, gegen den Infektionsschutz zu verstoßen.

Deswegen hätten sie das Grundrecht auf Unversehrtheit des Lebens höher gewertet als das auf Versammlungsfreiheit, sagte Geisel. Man müsse abwägen, welches Gefahrenpotenzial für die Gesundheit der Teilnehmer, aber auch für andere Berliner und vor allem für die Polizisten bestehe. »Deswegen haben wir klar gemacht, dass wir uns nicht wieder auf der Nase herumtanzen lassen«, sagte Geisel.

Am 1. August waren Tausende Menschen in Berlin auf die Straße gegangen. Weil viele keine Masken trugen und den Mindestabstand nicht einhielten, löste die Polizei eine Kundgebung auf. Nun untersagte die Versammlungsbehörde der Polizei mehrere fürs Wochenende geplante Proteste.

Geisel hatte am Mittwoch auch erklärt: »Ich bin nicht bereit, ein zweites Mal hinzunehmen, dass Berlin als Bühne für Corona-Leugner, Reichsbürger und Rechtsextremisten missbraucht wird.« Auf die Frage, ob er damit nicht den Verdacht nähre, dass es ihm am Ende weniger um den Infektionsschutz gehe, sondern vor allem darum, Reichsbürger und Rechtsextremisten fernzuhalten, sagte er im Inforadio: »Nein. Das ist eine schwierige Abwägung, die wir dort getroffen haben. Die steht in der Verbotsverfügung, da geht es um Infektionsschutz.« Aber er habe auch das Recht, eine politische Meinung zu haben.

Auf die Nachfrage, ob es politisch klug sei, diese beiden Dinge so nah aneinander in einer Mitteilung zu formulieren, sagte er: »Vor Gericht zählt nur die Verbotsverfügung, nicht meine politische Haltung.« Aber dass der Staat, die Demokratie wehrhaft sein müsse, und auch eine politische Haltung einnehme, sei seine Überzeugung.

Die Initiative Querdenken 711 und die AfD warfen dem Senator vor, die Demonstration aus politischen Gründen verbieten zu wollen. Der Initiator der Demonstration, Michael Ballweg, schrieb, es gehe »nicht um infektionsschutzrechtliche Befürchtungen, (...) sondern ausschließlich um die Gesinnung der Teilnehmer«. Zur größten Kundgebung am Wochenende hatte die Initiative für Samstagnachmittag 22.000 Teilnehmer auf der Straße des 17. Juni nahe dem Brandenburger Tor angemeldet.

Der Staatsrechtler Ulrich Battis verteidigte die Berliner Entscheidung. »Die Versammlungsfreiheit ist nicht schrankenlos«, sagte Battis der »Rhein-Neckar-Zeitung«. Bei Demonstrationen gehe es auch um die Erfüllung von Kooperationspflichten. »Wer geltende Vorschriften wie Abstand und Hygieneregeln bewusst nicht einhält und auch gegen Demonstrationsauflagen verstößt, der ist nicht friedlich.«

Die FDP sieht das Verbot skeptisch. »Das Berliner Demo-Verbot kann den Eindruck erwecken, unbequeme Meinungen würden unterdrückt«, schrieb Parteichef Christian Lindner auf Twitter. »Die #Versammlungsfreiheit muss trotz Corona gesichert sein, gleichzeitig müssen Infektionsgefahren bestmöglich reduziert werden. Mit gutem Willen finden Innensenator und Anmelder einen Weg. Wenn nicht, müssten sich beide Fragen nach der Intention stellen lassen.«

FDP-Parlamentsgeschäftsführer Marco Buschmann twitterte: »Zugleich muss man verlangen können, dass bei Demos Hygiene- und Abstandsregeln eingehalten werden. Wer sich versammelt, um diese Vorsichtsregeln vorsätzlich zu missachten, muss damit rechnen, dass die Versammlung aufgelöst wird.«

Nach Einschätzung des Bundesamtes für Verfassungsschutz spielen Rechtsextremisten keine führende Rolle bei den Demonstrationen gegen die Corona-Politik. Zwar hätten rechtsextremistische Parteien dies in den vergangenen Monaten immer wieder versucht und intensiv für die Teilnahme geworben, sagte Verfassungsschutzpräsident Thomas Haldenwang dem ARD-Magazin »Kontraste«. Diese Versuche seien aber »nicht besonders effektiv« gewesen. Der Verfassungsschutz sehe bei den Demonstrationen »eine große Anzahl von Menschen, die den unterschiedlichsten Verschwörungstheorien anhängen«, sagte er. Das sei aber alles im Bereich dessen, »was sich noch auf dem Boden des Grundgesetzes bewegt«. (dpa)