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Chinas Staatschef Xi reist nicht zu G20-Gipfel

China schickt Ministerpräsident Li Qiang zum G20-Gipfel nach Indien. Erstmals lässt Staatschef Xi Jinping das Treffen ausfallen. Warum ist unklar - doch ein Grund könnten die Spannungen mit Neu Delhi sein.

Xi Jinping
Will nicht selbst zum G20-Gipfel nach Indien reisen: Xi Jinping, Präsident von China. Foto: Gianluigi Guercia/DPA
Will nicht selbst zum G20-Gipfel nach Indien reisen: Xi Jinping, Präsident von China.
Foto: Gianluigi Guercia/DPA

China wird in diesem Jahr nicht von Xi Jinping beim G20-Gipfel in Indien vertreten werden. Peking schickt stattdessen nur Ministerpräsident Li Qiang zu dem Treffen der Gruppe wichtiger Wirtschaftsnationen (G20) am Wochenende in Neu Delhi, wie das Außenamt in Peking am Montag mitteilte. Es ist das erste Mal, dass ein chinesischer Staatschef ein G20-Treffen ausfallen lässt. Während der Corona-Pandemie kam Xi zwar auch nicht zum G20-Treffen nach Rom, nahm aber per Video-Schalte teil.

Für Gastgeber Indien dürfte Xis Fernbleiben ein Makel sein, weil ein wichtiger Staatschef fehlt. Premierminister Narendra Modi will unter seinem G20-Vorsitz demonstrieren, wie wichtig sein Land geworden ist. Mit Xis Abwesenheit dürfte die Bedeutung der ohnehin schon gespaltenen G20-Plattform weiter geschmälert werden. Es dürfte somit nicht einfacher werden, zu einer gemeinsamen Abschlusserklärung zu kommen. Schon bei vorangegangenen Treffen auf Ministerebene stimmten China und Russland jeweils Passagen zum russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine nicht zu, was gemeinsame Kommuniqués verhinderte.

China verspricht enge Zusammenarbeit

Regierungschef Li werde Chinas Ansichten und Vorschläge für die G20-Zusammenarbeit erläutern und die Gruppe antreiben, die Solidarität zu stärken, um den globalen Herausforderungen in Wirtschaft und Entwicklung zu begegnen, sagte Außenamtssprecherin Mao Ning. China sei bereit, mit allen Parteien für den Erfolg des G20-Gipfels zusammenzuarbeiten.

Für Deutschland wird Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) anreisen, begleitet von Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP). Die Bundesregierung bedauerte, dass Xi nicht teilnimmt. China sei aber weiterhin durch den Ministerpräsidenten beim G20-Gipfel vertreten, sagte Regierungssprecher Steffen Hebestreit in Berlin. Er verwies darauf, dass es in der Vergangenheit bereits vorgekommen sei, dass einzelne Staats- und Regierungschefs nicht teilnehmen konnten oder wollten. Für Deutschland bleibe die G20-Gruppe ein wichtiges Forum, um für eigene Standpunkte zu werben.

Seit Jahren Streitigkeiten zwischen den Ländern

Warum Xi die chinesische Delegation diesmal nicht anführen wird, wurde nicht begründet. Hintergrund könnten die angespannten Beziehungen zwischen China und Indien sein - etwa wegen eines Grenzstreits. Die beiden bevölkerungsreichsten Länder der Welt erheben Machtansprüche in einem Gebiet südlich von Tibet beziehungsweise im Osten Indiens. China nennt die Region Zangnan, in Indien heißt sie Arunachal Pradesh. Im Sommer 2020 kam es dort zu einem blutigen Zwischenfall, als Soldaten beider Seiten aufeinander losgingen. Es war der schlimmste derartige Vorfall in dem seit Jahrzehnten andauernden Streit. Zuletzt sorgte die Veröffentlichung einer offiziellen Karte, in der China umstrittene Gebiete für sich beanspruchte, für zusätzlichen Unmut.

Xis Abwesenheit deutet auch darauf hin, dass die Brics-Länder Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika - anders als sie es zuletzt zeigen wollten - nicht mit einer Stimme auftreten können. Xi und Modi trafen sich im August beim Brics-Gipfel in Südafrika. Als Gegengewicht zum Westen erweiterte sich die Gruppe wichtiger Schwellenländer um sechs Mitglieder. Obwohl Indiens Regierungschef erst Kritik daran geäußert hatte, sagte Modi schließlich, er begrüße den von China bevorzugten Schritt. Es gibt aber auch Sorgen, dass Indien durch eine Aufnahme chinafreundlicher Nationen in der Gruppe an Einfluss verlieren könnte.

Kein Treffen mit US-Präsident Biden

Auch mögliche bilaterale Treffen Xis am Rande des G20-Gipfels in Neu Delhi fallen nun aus - etwa das mit US-Präsident Joe Biden. Die Beziehungen der beiden Großmächte sind schon länger wegen gegensätzlicher Wirtschaftsinteressen und der geopolitischen Lage rund um den russischen Angriffskrieg in der Ukraine schwierig.

Mit dem Ukraine-Krieg steht für Xi ein heikles Thema auf der Agenda des Gipfels. Die von der Kommunistischen Partei geführte Volksrepublik gilt als wichtiges Partnerland Russlands, hatte aber auch schon einen umstrittenen Vorschlag für einen Friedensplan vorgelegt. Nach eigenen Angaben will Russlands Präsident Wladimir Putin in naher Zukunft mit Xi zusammentreffen. Beim G20-Gipfel in Indien wird Putin allerdings auch fehlen. Er konzentriert sich laut Kreml auf die »militärische Spezialoperation«, wie Moskau den Krieg gegen die Ukraine nennt. Außenminister Sergej Lawrow wird ihn in Neu Delhi vertreten.

© dpa-infocom, dpa:230904-99-67654/5