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Bundesweite Razzia gegen IS-Finanzierungsnetzwerk

Sie haben Spenden für inhaftierte IS-Anhängerinnen gesammelt, die ihre Kinder im Sinne der islamistischen Terrorideologie erziehen. Die Sicherheitsbehörden folgten über Jahre ihren Spuren und greifen jetzt zu.

Polizeieinsatz
Die Bundesanwaltschaft hat sieben mutmaßliche Unterstützer der Terrororganisation Islamischer Staat (IS) festnehmen lassen. (Symbolbild) Foto: Friso Gentsch
Die Bundesanwaltschaft hat sieben mutmaßliche Unterstützer der Terrororganisation Islamischer Staat (IS) festnehmen lassen. (Symbolbild)
Foto: Friso Gentsch

Die Bundesanwaltschaft hat bei einer Razzia in mehreren Bundesländern sieben mutmaßliche Unterstützer der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) festnehmen lassen. Die vier Frauen und drei Männer sollen Spendengelder für den IS gesammelt haben. Das Geld soll laut Bundesanwaltschaft insbesondere der Verbesserung der Versorgungslage von IS-Anhängern, die in den syrischen Lagern Al-Hol und Roj festgehalten werden, gedient haben sowie der Flucht oder Schleusung aus den Lagern.

Neben den Festnahmen habe es am Mittwochmorgen Durchsuchungen in elf Bundesländern gegeben, teilten die Ermittler mit. Mehr als 1000 Kräfte des Bundeskriminalamts (BKA), der Landeskriminalämter der betroffenen Länder sowie der Polizei seien im Einsatz gewesen. Insgesamt wurden mehr als 100 Objekte durchsucht.

Einem Sprecher der Karlsruher Behörde zufolge gab es Durchsuchungen in Berlin, Bayern, Bremen, Baden-Württemberg, Hamburg, Hessen, Rheinland-Pfalz, Thüringen, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen. Auch in den Niederlanden wurde demnach ein Objekt durchsucht. Eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft Hamburg nannte zudem zwei Verfahren in Schleswig-Holstein.

Als Finanzmittler tätig

Festgenommen wurden die drei Männer und vier Frauen in Ulm (Baden-Württemberg), im Landkreis Neuwied (Rheinland-Pfalz), in Bremen sowie je zwei im Kreis Heinsberg und im Rheinisch-Bergischen Kreis (beide Nordrhein-Westfalen). Sie seien als Finanzmittler in das internationale Finanzierungsnetzwerk eingebunden gewesen. »Durch ihr Sammeln von Spenden und deren Weiterleitung an den IS nahmen sie eine zentrale Rolle innerhalb des Finanzierungsnetzwerkes ein.«

Bei drei Verdächtigen ordnete der Ermittlungsrichter am Bundesgerichtshof Untersuchungshaft an. Im Fall einer Frau aus dem Kreis Heinsberg bleibe der Haftbefehl zwar aufrecht erhalten, sagte ein Sprecher der Bundesanwaltschaft. Unter Auflagen sei er jedoch nicht in Vollzug gesetzt worden. Drei weitere Vorführungen beim Ermittlungsrichter waren für Donnerstag geplant.

Die oberste Anklagebehörde Deutschlands wirft den Beschuldigten - überwiegend deutscher, aber auch kosovarischer, marokkanischer und türkischer Staatsangehörigkeit - in erster Linie Unterstützung einer terroristischen Vereinigung im Ausland vor. Weiteren Beschuldigten werfen die Ermittler Geldzahlungen an das Finanzierungsnetzwerk zugunsten des IS vor. Um wie viele Menschen es insgesamt geht, vermochte der Sprecher nicht zu sagen. Zuständig sind verschiedene Generalstaatsanwaltschaften in den Bundesländern.

Spendenkampagnen in sozialen Medien

Seit 2020 hätten zwei Anhängerinnen des IS von Syrien aus über den Online-Dienst Telegram für Geldzahlungen geworben, teilte die Bundesanwaltschaft mit. »In das Netzwerk eingebunden waren Finanzmittler, die Gelder sammelten und Konten oder digitale Spendenkassen zur Verfügung stellten.« Das gesammelte Geld sei an IS-Mitglieder in Syrien oder an von dort benannte Mittelsleute transferiert worden - insgesamt mindestens 65.000 Euro. Die Zahlungen dienten den Angaben zufolge dazu, den IS zu stärken.

Die Spendenkampagnen in sozialen Medien mit Titeln wie »Deine Schwester im Camp« laufen nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur schon seit einigen Jahren. Ihre Initiatoren wiesen unter anderem auf die prekäre Situation der IS-Frauen und ihrer im Sinne der Terrorideologie erzogenen Kinder hin. Ein Kanal mit dem Namen »Vergessene Schwestern« war nach Angaben des baden-württembergischen Verfassungsschutzes bis 2020 auf Telegram aktiv und hatte dort über 150 Abonnenten. Die Gruppe setzte sich für angeblich vom syrischen Staat inhaftierte Frauen ein.

Faeser zu Razzia: »Harte Gangart gegen Islamisten«

Bundesinnenministerin Nancy Faeser will radikalen Islamisten in Deutschland keinen Spielraum lassen. »Die Gefährdung durch islamistischen Terrorismus ist weiter hoch«, sagte die SPD-Politikerin am Mittwoch nach den Festnahmen. »Wir sind sehr wachsam und setzen unsere harte Gangart gegen Islamisten fort«, fügte sie hinzu.

Der Identifizierung und Aufklärung von Finanzierungsnetzwerken im Spektrum des islamistischen Terrorismus komme große Bedeutung zu. Faeser sagte: »Deutschland steht weiterhin im unmittelbaren Zielspektrum islamistischer Terrororganisationen und von islamistisch motivierten Einzeltätern.« In Castrop-Rauxel im Januar und der Festnahme in Hamburg seien in diesem Jahr bereits zwei mutmaßlich islamistische Anschläge verhindern worden.

»Die heutigen Exekutivmaßnahmen sind ein großer Erfolg für die Terrorismusbekämpfung der deutschen Sicherheitsbehörden«, sagte der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV), Thomas Haldenwang, der dpa. Die langjährige »Vorfeldaufklärung« des BfV habe dazu beigetragen.

Immer wieder gab es Berichte, wonach Frauen, Kinder und Jugendliche, die sich dem IS bis heute zugehörig fühlen, gegen Zahlung hoher Geldbeträge aus dem Lager geschmuggelt wurden. Von den mehreren Dutzend IS-Frauen, die in den vergangenen Jahren nach Deutschland zurückgekehrt sind, wurden etliche nach ihrer Ankunft inhaftiert und vor Gericht gestellt. Ein Teil von ihnen kam über Rückholaktionen mit ihren Kindern aus Syrien nach Deutschland, andere wurden abgeschoben oder kamen auf eigene Faust zurück.

Der IS kontrollierte über Jahre große Gebiete im Bürgerkriegsland Syrien und im benachbarten Irak. Im Juni 2014 rief er ein sogenanntes Kalifat aus und reklamierte seinen Führungsanspruch im globalen Dschihad. Die Hochphase endete laut dem Verfassungsschutz 2016. Mittlerweile haben die Extremisten ihr Herrschaftsgebiet wieder verloren. IS-Zellen sind aber in beiden Ländern weiter aktiv.

»Präventive Wirkung entfalten«

Seit Anfang Januar 2014 können gemäß Strafgesetzbuch Taten von Mitgliedern oder Unterstützern des IS, die deutsche Staatsbürger sind, sich in Deutschland aufhalten oder hier tätig werden, strafrechtlich verfolgt werden. Das Innenministerium erließ ferner am 12. September 2014 ein Betätigungsverbot für den IS in Deutschland. Dieses umfasst unter anderem jegliche Beteiligung in sozialen Medien und Demonstrationen zugunsten des IS und jede Art von Unterstützungshandlung wie das Einwerben von Geld und Material sowie das Anwerben von Kämpfern. Diese Handlungen sind seither strafbar.

Bei den Berliner Beschuldigten gehe es eher um kleine Spendenbeträge, erklärte ein Sprecher der Berliner Staatsanwaltschaft. Die Männer stünden dem gewaltsamen Dschihad und der IS-Ideologie nahe, einige gehörten einem inzwischen verbotenen Berliner Verein an.

»Die Durchsuchungsmaßnahmen dürften auch eine präventive Wirkung entfalten«, vermutete Haldenwang. Denn dadurch werde deutlich, dass die Sicherheitsbehörden das Feld der Terrorismusfinanzierung im Blick hätten. Das gelte auch für teilweise geringe Spenden, die letztlich dem IS zugutekämen. Dies sei umso wichtiger, als die Gefahr des islamistischen Terrorismus trotz der militärischen Niederlage des IS in Syrien und dem Irak nicht gebannt sei. Auch in Deutschland könne jeden Tag ein islamischer Anschlag verübt werden. Die Sicherheitsbehörden seien daher wachsam und hätten alle möglichen Szenarien auf dem Schirm.

© dpa-infocom, dpa:230531-99-886073/9