Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat den deutschen Botschafter Steffen Seibert gegen Kritik der israelischen Regierung in Schutz genommen. »Der deutsche Botschafter ist ein sehr engagierter Mann mit sehr klaren Prinzipien«, versicherte Scholz bei seinem Besuch in New York.
Auch Außenministerin Annalena Baerbock verteidigte Seiberts Verhalten ausdrücklich: »Es ist das Alltagsgeschäft von Diplomatinnen und Diplomaten, auf dem aktuellen Stand von Entwicklungen in unterschiedlichen Ländern zu sein«, sagte die Grünen-Politikerin vor Beginn der UN-Vollversammlung in New York.
Zuvor hatte Israel offiziell dagegen protestiert, dass Seibert kürzlich als Zuschauer an einer Beratung des Obersten Gerichts zur umstrittenen Justizreform teilgenommen hatte. Nach Medienberichten wurde das in Israel als Einmischung in interne politische Fragen eingestuft. Ein hochrangiger diplomatischer Beamter habe auf Anweisung von Außenminister Eli Cohen den israelischen Protest im Gespräch mit Seibert zum Ausdruck gebracht, teilte Israels Botschaft in Berlin auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur mit.
Weiter hieß es aus der Botschaft, auch dem Auswärtigen Amt in Berlin seien ähnliche Mitteilungen mündlich übermittelt worden. Baerbock betonte allerdings, es sei »ganz normal, dass wir zu öffentlichen Anhörungen oder öffentlichen Gerichtsprozessen gehen«. Seiberts Besuch sei somit »Teil seines Jobs«.
Auch Seibert im Gerichtssaal als Zuschauer
Israels Oberstes Gericht hatte sich am vergangenen Dienstag in einer historischen Verhandlung mit den umstrittenen Plänen der rechts-religiösen Regierung für den Umbau der Justiz befasst. Erstmals in der Geschichte des Landes kamen alle 15 Richter zusammen, um über acht Petitionen gegen eine verabschiedete Grundgesetzänderung zu beraten.
Bei der Gerichtsverhandlung war auch Seibert als Zuschauer dabei. In einem bei X - ehemals Twitter - veröffentlichten Video sagte er auf Hebräisch: »Ich denke, etwas Wichtiges passiert hier für Israels Demokratie. Wir als Freunde Israels schauen mit großem Interesse auf das Oberste Gericht. Das wollte ich mir ansehen.«
Das Auswärtige Amt bezeichnete den Besuch einer solchen Veranstaltung als gängige Praxis: »Das Verfolgen relevanter politischer, auch innenpolitischer Entwicklungen im Gastland ist eine zentrale Aufgabe von Diplomatinnen und Diplomaten«, erklärte eine Sprecherin. Auch die Deutsch-Israelische Gesellschaft (DIG) stärkte Seibert den Rücken. »Der Besuch des deutschen Botschafters bei einem Verfahren vor dem Obersten Gerichtshof hat nichts Anstößiges«, betonte Verbandspräsident Volker Beck.
Seibert war bereits in der Vergangenheit von israelischer Seite kritisiert worden, nachdem er als Privatmann bei einer alternativen Gedenkveranstaltung israelischer und palästinensischer Familien zugegen gewesen war. Sie gedachten dabei ihrer Angehörigen, die im Konflikt beider Seiten getötet worden waren. Einige ultrarechte Demonstranten hatten daraufhin im Juni mit lautstarkem Protest vor der Residenz des Botschafters in Herzlija eine Veranstaltung gestört.
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