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Bundesanwaltschaft ermittelt zu möglichen Kriegsverbrechen

Die Flüchtlinge aus der Ukraine haben oft Schreckliches erlebt. Deutsche Ermittler tragen die Berichte nun systematisch zusammen. Die Hoffnung: eines Tages Verantwortliche vor Gericht stellen zu können.

Zerstörtes Wohnhaus
Ein zerstörtes Wohnhaus nach einem Beschuss, westlich von Kiew. Foto: Oleksandr Ratushniak
Ein zerstörtes Wohnhaus nach einem Beschuss, westlich von Kiew.
Foto: Oleksandr Ratushniak

Der Generalbundesanwalt sammelt ab sofort systematisch Informationen über mögliche russische Kriegsverbrechen in der Ukraine.

Anlass dafür seien Berichte über Angriffe auf Wohngebäude, Krankenhäuser und zivile Infrastruktur sowie über den Einsatz von Streubomben, erfuhr die Deutsche Presse-Agentur in Karlsruhe am Dienstag. Deshalb wurde ein sogenanntes Strukturermittlungsverfahren eingeleitet, wie Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) der »Passauer Neuen Presse« sagte.

Strukturermittlungen gibt es bei der Bundesanwaltschaft zum Beispiel auch zum syrischen Bürgerkrieg oder zu den Verbrechen der Terrorvereinigung Islamischer Staat (IS). Es geht darum, zunächst ohne konkrete Beschuldigte möglichst breit Beweise zu sichern. Dabei sind Flüchtlinge eine wichtige Quelle, wie sie jetzt auch zu vielen Tausenden aus der Ukraine kommen. Im besten Fall dienen diese Informationen später dazu, Strafermittlungen gegen Einzelne einzuleiten und die Verantwortlichen vor Gericht zu stellen. Sie können auch auf internationaler Ebene beigesteuert werden.

Keine sichere Zuflucht für Kriegsverbrecher

Hintergrund ist das sogenannte Weltrechtsprinzip: Kriegsverbrecher sollen nirgendwo auf der Welt eine sichere Zuflucht finden. Damit die Bundesanwaltschaft Taten nach dem Völkerstrafgesetzbuch (VStGB) verfolgen kann, braucht es einen Bezug nach Deutschland. Im Syrien-Konflikt ist dieser Bezug immer wieder gegeben, weil nicht nur Opfer, sondern auch Täter als Flüchtlinge Aufnahme gefunden haben.

Im Zusammenhang mit dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine haben die deutschen Ermittler konkrete Anhaltspunkte für bereits begangene Kriegsverbrechen, weitere werden befürchtet, wie es hieß. Dabei gehe es insbesondere um den Verdacht, dass verbotene Methoden der Kriegsführung eingesetzt würden (§ 11 VStGB), um mögliche Kriegsverbrechen gegen humanitäre Operationen (§ 10) und gegen Personen (§ 8). Seit 2015 gibt es in Karlsruhe bereits ein Strukturermittlungsverfahren nur zur Ostukraine.

Beim Generalbundesanwalt gehen derzeit auch etliche Strafanzeigen wegen des Ukraine-Kriegs ein. Eine stammt beispielsweise von Ex-Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger und dem früheren Bundesinnenminister Gerhart Baum (beide FDP).

Putin soll zur Verantwortung gezogen werden

In vielen dieser Anzeigen wird gefordert, den russischen Präsidenten Wladimir Putin zur Verantwortung zu ziehen. Das ist in Deutschland aber faktisch unmöglich. Als Staatspräsident genießt Putin hier Immunität. Das Völkerstrafgesetzbuch stellt zwar auch »Verbrechen der Aggression« (§ 13) unter Strafe. Eine Verfolgung durch den Generalbundesanwalt wäre aber nur möglich, wenn ein Deutscher einen Angriffskrieg führen oder Deutschland selbst angegriffen würde.

Vergangene Woche hatte der Internationale Strafgerichtshof (IStGH) in Den Haag offizielle Ermittlungen zu Kriegsverbrechen in der Ukraine eingeleitet. Außerdem hat die Ukraine Russland beim höchsten Gericht der Vereinten Nationen, dem Internationalen Gerichtshof (IGH), wegen Verletzung der Völkermord-Konvention von 1948 verklagt.

© dpa-infocom, dpa:220308-99-432409/2