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Bund will mehr als sechs Millionen Impfdosen für Kinder

Bund und Länder stehen in den Startlöchern, um millionenfache Corona-Impfungen bei Kindern und Jugendlichen zu ermöglichen. Impfen oder nicht? Den Eltern wird niemand die Entscheidung abnehmen.

Corona-Impfung
Informationen über die Impfung werden im Impfpass eingetragen. Foto: Christopher Neundorf/dpa
Informationen über die Impfung werden im Impfpass eingetragen. Foto: Christopher Neundorf/dpa

BERLIN. Für die Eltern in Deutschland rückt die Entscheidung näher, ob sie ihre Kinder ab 12 Jahren gegen Corona impfen lassen.

Voraussichtlich knapp 6,4 Millionen Impfdosen will der Bund den Ländern für die Impfung von Kindern und Jugendlichen zur Verfügung stellen, wie das Bundesgesundheitsministerium den Ländern mitteilte. Einen Tag nach dem Impfgipfel von Bund und Ländern am Donnerstag in Berlin will die europäische Arzneimittelbehörde EMA über eine Zulassung des Biontech-Impfstoffs für Kinder ab zwölf Jahren beraten.

Die Länder bereiten sich zudem auf das grundsätzliche Ende der Priorisierung der Impfungen am 7. Juni vor. Auch nach Aufgabe der Vorrangliste für den Impfschutz sollen allerdings Ältere, Menschen mit Vorerkrankungen und Angehörige bestimmter Berufsgruppen vorrangig geimpft werden, wenn sie bisher noch nicht an der Reihe waren.

Die Gesundheitsminister der Länder hatten bereits beschlossen, dass bis Ende August allen Kindern ab zwölf Jahren ein Impfangebot gemacht werden soll. Eine Einschätzung der Ständigen Impfkommission (Stiko) dürfte aber auch nach einer Zulassung noch etwas auf sich warten lassen. Die Stiko will bis in anderthalb Wochen ihre Bewertung abschließen, wie Stiko-Mitglied Martin Terhardt im RBB sagte. Eine Variante könne eine Impfempfehlung nur für chronisch Kranke sein. Einer generellen Empfehlung für eine Impfung steht ein Mangel an Daten über mögliche Risiken von Infektionen und Impfungen entgegen.

VORBEREITUNG DER IMPFUNG VON MINDERJÄHRIGEN

Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) sagte: »Es ist am Ende eine wohlabgewogene Entscheidung von Kindern, Eltern, Ärztinnen und Ärzten.« Direkt nach einer Zulassung könne der Impfstoff genutzt werden. Als Kriterien nannte er: »Was sind Vorerkrankungen, was ist die persönliche Situation, die familiäre Situation, welchen Nutzen gibt es, welche Risiken gibt es auch einer Covid–19–Infektion, die natürlich auch über die Altersgruppen unterschiedlich sind?« Es werde definitiv keine verpflichtenden Impfungen geben - »auch nicht an Schulen oder Kindergärten«.

Der Bund will die für die Impfung von Kindern und Jugendlichen nötigen Dosen zur Verfügung stellen. Angesichts von 5,3 Millionen Menschen dieses Alters geht der Bund von einem Bedarf von jeweils 3,18 Millionen Dosen für die Erst- und die Zweitimpfung aus - bei einer angenommenen Impfbereitschaft von 60 Prozent. In den Ländern sind Impfungen in den Praxen, den Impfzentren und vereinzelt Aktionen an Schulen vorgesehen, wie eine Umfrage der Deutschen Presse-Agentur ergab. Der Vorsitzende der Ministerpräsidentenkonferenz, Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD), mahnte einen »realistischen Fahrplan für mögliche Impfangebote bei Kindern und Jugendlichen« an.

ENDE DER PRIORISIERUNG

Menschen mit besonderem Risiko wie Alter, Vorerkrankungen oder bestimmten Berufen, die noch nicht geimpft sind, sollen auch weiter vorrangig an die Reihe kommen. Zwar soll in gut einer Woche die Priorisierung wie beschlossen aufgehoben werden. Aber das Ressort von Spahn stellte fest: »Auch nach der Aufhebung der Impfpriorisierung stellen die Länder sicher, dass etwaige Nachzügler aus den Priorisierungsgruppen möglichst kurzfristig ein Impfangebot erhalten können.« Die Länder könnten auch entscheiden, die Priorisierung in Impfzentren aufrecht zu erhalten. Mehr als 75 Prozent der Über-60-Jährigen seien im Bundesschnitt mindestens einmal geimpft, über 30 Prozent voll geschützt.

LIEFERMENGEN

Im kommenden Monat werden in Deutschland voraussichtlich mehr als 31 Corona-Impfdosen ausgeliefert, wie die Daten des Gesundheitsressorts zeigen. Von den ursprünglich für das gesamte zweite Quartal 80 Millionen zugesagten Impfdosen wurden demnach 31 Millionen bereits geliefert. Allein von Biontech werden im Juni mehr als 25 Millionen Dosen erwartet. Astrazeneca und Johnson & Johnson kündigten Lieferungen hingegen nur kurzfristig an. Insgesamt wurden in den Ländern 88 Prozent der gelieferten Impfdosen verimpft - die Spanne reicht von 76 Prozent in Brandenburg bis 98 Prozent in Bremen. Vom Biontech-Präparat wurden 91 Prozent verimpft, von Moderna 76 und von Astrazeneca 87 Prozent. Bei Johnson & Johnson, dem einzigen Serum, bei dem nur eine Spritze reicht, liegt die ausgewiesene Quote bisher nur bei 35 Prozent. Für das dritte Quartal liegen laut Gesundheitsministerium außer von Moderna bisher keine Lieferpläne vor - erwartet werden über 120 Millionen Impfstoff-Dosen.

IMPFZENTREN UND PRAXEN

Für die Impfzentren wurden und werden den Ländern laut dem Bund im Mai und Juni zwischen 2,4 und 2,6 Millionen Dosen pro Woche geliefert. Etwa wegen eines Sonderkontingents für Länder mit Grenzgebieten gibt es einen späteren Ausgleich für andere Länder. 65 000 niedergelassene Ärztinnen und Ärzte beteiligen sich aktuell an der Impfkampagne. In den sieben Wochen, seitdem auch die Praxen impfen, wurden dort 12,6 Millionen Dosen gespritzt. Betriebsärzte und niedergelassene Privatärzte sollen routinemäßig ab dem 7. Juni impfen.

FORTSCHRITT UND KRITIK

Spahn wies Kritik an der Verteilung des Impfstoffs zurück. Am Ostermontag seien 12 Prozent der Deutschen erstgeimpft gewesen - sieben Wochen später seien es nun über 40 Prozent. Dass Anfang Juli dann bereits über 50 Prozent mindestens einmal geimpft seien, hätte vor einigen Wochen kaum jemand gedacht. Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke und Hamburgs Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) kritisierten die Impfstoff-Verteilung unter den Bundesländern. »Brandenburg bekommt prozentual weniger als andere Länder«, sagte Woidke dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). Laut Tschentscher sind an sein Land gut 40 000 Impfdosen zu wenig geliefert worden, wie der SPD-Politiker dem »Spiegel« sagte. (dpa)