Bundesfrauenministerin Lisa Paus (Grüne) will den Schutz für Frauen vor Gewalt mit Ländern und Kommunen bis spätestens 2025 gesetzlich verbessern. »Es ist unerträglich, was wir an Gewalt haben«, sagte Paus nach der Konferenz der Gleichstellungs- und Frauenministerinnen und -minister von Bund und Ländern in Potsdam.
Es gehe darum, dass es am Ende mehr Frauenhäuser und mehr Beratungsstellen gebe. Dazu sei ein Gesetz geplant. »Unser Ziel ist es, gemeinsam das Gesetz in dieser Legislaturperiode abzuschließen.« Dafür sei mehr Geld nötig. Paus betonte, der Bund werde finanziell »seinen Beitrag leisten«. Die Gleichstellungsminister wandten sich in einer Entschließung gegen Gewalt, Frauenhass und Sexismus.
Jede vierte Frau in Deutschland erfährt nach Angaben der Bundesfrauenministerin mindestens einmal in ihrem Leben körperliche oder sexualisierte Gewalt durch ihren Partner oder ehemaligen Partner. Statistisch versuche an jedem Tag ein Partner oder Ex-Partner, seine Frau umzubringen, an jedem dritten Tag gelinge ihm das. Zwei Drittel der weiblichen Opfer gingen auch nach schwerster Gewalt nicht zur Polizei oder suchten anderweitig Hilfe. Bundesweit gibt es rund 400 Frauenhäuser, rund 100 Schutzwohnungen und mehr als 750 Beratungsstellen.
Recht auf Schutz und Beratung soll bundesweit abgesichert werden
Die Frauenhäuser und Beratungsstellen sind bisher Sache von Ländern und Kommunen, mit den Gesetzesplänen ist der Bund mit eingestiegen. Das Angebot und die Nachfrage sind sehr unterschiedlich, es gibt kein flächendeckendes Netz. Das Bundesfrauenministerium arbeitet federführend an einem Gesetzentwurf, um das Recht auf Schutz und Beratung bundesweit abzusichern. Für Herbst oder Winter plant Paus, eine Studie zum Schutz von Frauen mit Kostenschätzung und der Zahl der Plätze vorzulegen.
Die Gleichstellungsminister sprachen sich einstimmig dafür aus, das Förderprogramm »Gemeinsam gegen Gewalt an Frauen« des Bundes zum Ausbau eines Hilfesystems, das 2024 ausläuft, zu verlängern, wie Brandenburgs Frauenministerin Ursula Nonnemacher (Grüne) sagte, die Gastgeberin der Konferenz war. Paus sagte, es werde geprüft, ob es über 2024 hinaus Investitionsmittel gebe.
Die Länder fordern den Bund auch auf, die wachsende Bedrohung von Frauen und Mädchen im Internet in den Blick zu nehmen. Baden-Württembergs Sozialministerin Ute Leidig (Grüne) sagte, die Täter setzten häusliche Gewalt im Internet fort.
Paus: Diskussion über Sexismus kann neue #MeToo-Debatte sein
Paus hält die aktuelle Debatte über Sexismus für entscheidend, um dagegen in der Gesellschaft stärker vorzugehen. »Es könnte sein, dass sich diese ganze Geschichte in Deutschland zu einem #MeToo-Moment entwickelt«, sagte Paus in Potsdam. »Wir sollten jedenfalls jede Krise auch als Chance nutzen.« Unter dem Schlagwort #MeToo wird über sexuelle Übergriffe und Machtmissbrauch diskutiert.
Die Ministerin verwies auf Vorwürfe gegen den Frontmann der Rockband Rammstein, Till Lindemann. »Die Staatsanwaltschaft Berlin hat ja inzwischen Ermittlungen aufgenommen«, sagte sie. »Auch unabhängig von diesem Fall erleben wir ja eine sehr, sehr intensive Debatte: Wie stehen wir eigentlich in der Gesellschaft dazu?« Sie betonte: »Für mich ist aber klar: Sexismus ist nicht ok.«
Paus warb dafür, sich dem Bündnis »Gemeinsam gegen Sexismus« anzuschließen. Der Bundesverband der Konzert- und Veranstaltungswirtschaft sei dem Bündnis inzwischen auch beigetreten, sagte sie. »Von daher ist das jetzt auch ein Moment, sich tatsächlich dazu zu bekennen.« Das Bündnis will dafür sorgen, Sexismus und sexuelle Belästigung zu erkennen und wirksame Maßnahmen dagegen zu verankern.
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