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Bund und Länder finden Linie für Krankenhausreform

Es war ein mühsames Ringen um viele komplizierte Punkte für eine Krankenhausreform. Jetzt ist der Weg dafür abgesteckt. Großes Ziel ist, chronischen Finanzdruck abzuwenden - und Qualität zu verbessern.

Bund-Länder-Runde
Karl Lauterbach (2.v.l.) zusammen mit NRW-Gesundheitsminiser Karl-Josef Laumann (l.), Melanie Schlotzhauer, Hamburgs Gesundheitssenatorin (2.v.r.), sowie dem baden-württembergischen Gesundheitsminister Manfred Lucha. Foto: Joerg Carstensen/DPA
Karl Lauterbach (2.v.l.) zusammen mit NRW-Gesundheitsminiser Karl-Josef Laumann (l.), Melanie Schlotzhauer, Hamburgs Gesundheitssenatorin (2.v.r.), sowie dem baden-württembergischen Gesundheitsminister Manfred Lucha.
Foto: Joerg Carstensen/DPA

Nach wochenlangem Streit haben sich Bund und Länder auf Grundzüge für eine Neuaufstellung der Kliniken in Deutschland verständigt. Man habe sich auf sehr detaillierte Eckpunkte einigen können, sagte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) nach gemeinsamen Beratungen.

Die Reform sei »eine Art Revolution«. Krankenhäuser seien nicht mehr gezwungen, so viele Leistungen wie möglich zu erbringen. Bessere Qualität für Patienten solle garantiert und transparent gemacht werden. Dem Konzept stimmten 14 der 16 Länder zu. Über den Sommer soll jetzt ein Gesetzentwurf erarbeitet werden. In Kraft treten soll die Reform dann Anfang 2024.

Der Vorsitzende der Länder-Gesundheitsminister, Manne Lucha (Grüne) aus Baden-Württemberg, hob das Prinzip »am richtigen Ort das richtige Angebot« hervor - das vermeide auch »geborene Verlustbringer« unter den Kliniken. Die Hamburger Senatorin Melanie Schlotzhauer (SPD) sagte, gemeinsames Ziel sei, dass es bei Operationen »in Bottrop, Buxtehude und in Hamburg-Barmbek« eine gleichbleibende Qualität gebe. Die Reform werde dazu führen, Stress aus dem System zu nehmen. Der nordrhein-westfälische Ressortchef Karl-Josef Laumann (CDU) äußerte sich »heilfroh«, dass das Zeitfenster für die Reform genutzt werde.

Zwei Länder stimmten den Eckpunkten nicht zu - Bayern votierte mit Nein, Schleswig-Holstein enthielt sich. Ein Überblick der Kernpunkte:

Vergütung

Die Reformpläne sehen vor, dass seit langem umstrittene Vergütungssystem mit Pauschalen für Behandlungsfälle zu ändern. Das soll Krankenhäuser von wirtschaftlichem Druck und einem »Hamsterrad« befreien, wie Lauterbach erläuterte - also von Druck zu immer mehr Fällen und teils auch zu Eingriffen, für die keine große Expertise besteht. Künftig sollen es daher einen großen Anteil der Vergütung allein schon für das Vorhalten von Leistungsangeboten an sich geben.

Aufgabenteilung

Grundlage der Finanzierung durch die Krankenkassen sollen künftig genauer definierte Leistungsgruppen sein - also zum Beispiel »Kardiologie« statt grober Bezeichnungen wie »innere Medizin«. Dafür müssen einheitliche Qualitätsvorgaben etwa bei der Ausstattung, bei Personal und Behandlungserfahrungen erfüllt sein. Das führt zu einer Konzentration vor allem komplexerer Behandlungen wie bei Krebs auf spezialisierte Krankenhäuser. Die kleinen Kliniken könnten sich dabei auf das konzentrieren, was sie besonders gut könnten, nämlich einfache Fälle zu versorgen, erläuterte Lauterbach.

Transparenz

Lauterbach plant auch ein »Transparenzgesetz« und will Daten zur Behandlungsqualität aller Kliniken als Information für Patientinnen und Patienten veröffentlichen. Dies will der Bund zum 1. Januar 2024 umsetzen. Transparent gemacht werden soll dafür die Verteilung der Leistungsgruppen auf die Kliniken und eine Einteilung des Netzes in »Level« - von der wohnortnahen Grundversorgung über eine zweite Stufe mit weiteren Angeboten bis zu Maximalversorgern wie Universitätskliniken. Eine stärker steuernde Funktion dieser Level direkt in der Reform hatten die Länder bereits zuvor abgelehnt.

Zeitplan

An der Ausarbeitung des Gesetzentwurfs sollen für die Länderseite Hamburg, Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen sowie für die Belange Ostdeutschlands Mecklenburg-Vorpommern beteiligt werden. Lauterbach sagte, der Zeitplan stehe, dass die Reform zum 1. Januar 2024 in Kraft treten soll. Die konkrete Umsetzung in den Budgets der Kliniken soll erst in den Jahren danach schrittweise wirksam werden.

Finanzen

Gerangel gab es zuletzt noch um Forderungen der Länder nach einer vorgeschalteten Extra-Finanzspritze des Bundes angesichts akuter Finanznöte vieler Kliniken. Lauterbach sagte auch mit Blick auf die Haushaltslage, das werde geprüft, fügte aber gleich hinzu: »Ich kann da keine Hoffnungen machen.« Bis die Reform wirke, würden leider noch Kliniken in die Insolvenz gehen - das liege aber daran, dass die Reform nicht schon früher gemacht worden sei.

Der bayerische Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) kritisierte die Eckpunkte als unzureichend. Bayerns Gegenstimme sei aber »keine Verweigerungshaltung«. Die Deutsche Krankenhausgesellschaft beklagte fehlende Planungssicherheit und warnte: »Die Insolvenzwelle rollt, und die Versorgung wird sich verschlechtern.« Der Chef der Techniker Krankenkasse, Jens Baas, sprach dagegen von einem »großen Schritt für mehr Qualität in der Krankenhausversorgung«.

An den Beratungen nahmen auch Vertreter der Koalitionsfraktionen im Bund teil. Grünen-Experte Janosch Dahmen sagte: »Die Reform wird Kliniken retten und die richtige Versorgung zur richtigen Zeit am richtigen Ort sicherstellen. Aus Konkurrenz wird Kooperation unter den Kliniken.« Christine Aschenberg-Dugnus (FDP) sagte: »Künftig ist Qualität statt Quantität die Devise.« Die Deutsche Stiftung Patientenschutz forderte, bei der Bewertung der Behandlungsqualität unterschiedliche Altersgruppen besonders in den Blick zu nehmen - auch über 75-Jährige, die nicht als Betagte und Risikopatienten das Nachsehen haben dürften.

© dpa-infocom, dpa:230710-99-345533/10