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Bund und Länder: Ernst machen mit Planungsbeschleunigung

So heiß wie bei der letzten Ministerpräsidentenkonferenz mit dem Kanzler geht es diesmal nicht her. Damals stritten Bund und Länder über die Migrationskosten. Kritik am BUnd üben die Länder aber dennoch.

Olaf Scholz
»Es ist schon ein Ruck, den sich alle geben müssen«: Bundeskanzler Olaf Scholz beim Bund-Länder-Treffen. Foto: Bernd von Jutrczenka
»Es ist schon ein Ruck, den sich alle geben müssen«: Bundeskanzler Olaf Scholz beim Bund-Länder-Treffen.
Foto: Bernd von Jutrczenka

Bund und Länder wollen die grundsätzlich längst vereinbarte Planungsbeschleunigung beispielsweise für Verkehrswege, Stromtrassen oder Industrieanlagen endlich anpacken. »Das ist ein gemeinsamer Wille der Länder und des Bundes, dass wir die ganzen Entscheidungsprozesse in Deutschland straffen, dass wir schneller zu Ergebnissen kommen«, sagte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) in Berlin nach Beratungen mit den Ministerpräsidentinnen und -präsidenten der 16 Bundesländer.

Nach der sehr kontroversen Sonderkonferenz zu den Flüchtlingskosten im Mai betonten nun beide Seiten, dass das Gespräch sehr konstruktiv gewesen sei. »Das war wirklich eine der guten Sitzungen«, sagte Niedersachsens Regierungschef Stephan Weil (SPD), der momentan den Vorsitz in der Ministerpräsidentenkonferenz führt.

Planungsbeschleunigung

Um die Beschleunigung voranzubringen, soll laut Scholz zügig eine Arbeitsgruppe eingesetzt werden. Weil teilte mit, dass es nach der Sommerpause eine Sonderkonferenz dazu geben solle. Die Länder hatten schon vor Beginn der Ministerpräsidentenkonferenz Druck auf den Bund gemacht, endlich in die Umsetzung zu gehen. Die Dinge seien »über die Jahre und Jahrzehnte aus dem Ruder geraten«, sagte Weil nach dem Gespräch. Schon mittlere Infrastrukturvorhaben würden wahre Generationenaufgaben. »Wir müssen schneller werden, wir müssen einfacher werden, und damit werden wir übrigens auch billiger werden.«

NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) betonte: »Ein Staat, der seine Projekte zügig umsetzt, hat eben mehr Vertrauen seiner Bürger als ein Staat, der für viele kleine Dinge sehr, sehr lange braucht.« Nach Darstellung von Scholz soll das Tempo, mit dem im vergangenen Jahr die LNG-Terminals gebaut wurden, das »Deutschland-Tempo« für alle Bereiche werden. Wüst hatte vor dem Treffen mit dem Kanzler noch moniert: »Deutschland-Tempo ist gut, aber es funktioniert nicht, wenn der Tempomat auf null km/h eingestellt ist.«

Energie

Bund und Länder vereinbarten nach Angaben von Scholz den Aufbau eines Wasserstoffnetzes in Deutschland. Noch in diesem Jahr sollten die notwendigen Entscheidungen dafür getroffen werden, sagte Scholz. »Das ist ein großes wirtschaftliches Projekt.« Es gehe darum, jetzt das »Kernnetz« zustande zu bringen, »damit Unternehmen Entscheidungen treffen können, dass sie auf Wasserstoff setzen, weil sie wissen, sie werden ihn haben, wenn sie ihn brauchen (...)«. Vereinbart wurde Scholz zufolge auch ein »gemeinsamer Monitoringprozess« für den Ausbau erneuerbarer Energien in Deutschland.

Besorgt zeigten sich die Ministerpräsidenten über die Energiepreise für die deutsche Industrie, insbesondere für energieintensive Unternehmen, die im internationalen Wettbewerb stehen. Sie warnten, dass diese oft nicht mehr konkurrenzfähig seien. Und sie forderten den Bund auf, Gegenmaßnahmen zu ergreifen. »Wir haben als 16 Länder sehr eindringlich der Bundesregierung nahegelegt, schnell an dieser Stelle zu Maßnahmen zu gelangen, weil wir befürchten, dass wir ansonsten tatsächlich wirtschaftliche Substanz verlieren«, sagte Weil. Es gehe nicht nur um ganz große Unternehmen, sondern auch um den industriellen Mittelstand.

Flüchtlinge

Bund und Länder begrüßten einmütig den EU-Asylkompromiss als einen Fortschritt. Die Umsetzung werde Zeit in Anspruch nehmen, sagte Wüst. »Heißt im Umkehrschluss auch, diesen Sommer, vielleicht auch noch im nächsten Sommer wird es die Entlastung, die wir dringend brauchen, noch nicht geben.« Kitas und Schulen blieben weiter überlastet. In der zur Kostenverteilung eingesetzten Arbeitsgruppe werde »gut gearbeitet«, betonte Wüst. Entschieden werden soll dann im November.

Nach den jüngsten EU-Plänen ist unter anderem ein härterer Umgang mit Migranten ohne Bleibeperspektive vorgesehen. Die EU-Innenminister vereinbarten auch einen verbindlichen Solidariätsmechanismus bei der Aufnahme von Geflüchteten.

Scholz ermutigt die Länder, zügig ihre Ausländerbehörden komplett zu digitalisieren. Dies helfe, die Daten auszutauschen und den Überblick über die Migration nach Deutschland zu behalten und zu steuern. Gleichzeitig könnten so alle Entscheidungsprozesse so schnell wie möglich stattfinden. Für einen gemeinsamen Beschluss dazu bedanke er sich sehr, sagte Scholz. »Denn es ist schon ein Ruck, den sich alle geben müssen. Das ist eine gigantische Modernisierungsaufgabe, die auch mit Investitionen und viel, viel Arbeit verbunden ist.«

Wüst betonte: »Es wird eine Riesenkraftanstrengung werden für viele Kommunen.« Nach Angaben von Weil verständigten sich Bund und Länder auf einen Fahrplan für die Digitalisierung der Behörden, »der von allen Beteiligten auch ernst gemeint wird«.

Nationale Sicherheitsstrategie

Nach Kritik von Länderseite sagte der Bund nun zu, diese bei der Umsetzung der Nationalen Sicherheitsstrategie einzubeziehen. Wüst berichtete, der Bund habe versichert, dass er die Länder »eng einbindet«. Die Länder würden die Chance nutzen, sich einbringen zu können. »Es wäre gut gewesen, man hätte die Länder früher einbezogen«, sagte Wüst. Denn sie hätten Zuständigkeiten bei innerer Sicherheit, Cybersicherheit und beim Katastrophen- und Zivilschutz.

Das Bundeskabinett hatte am Mittwoch eine Sicherheitsstrategie beschlossen, in der erstmals alle sicherheitsrelevanten Themen von der Ausrüstung der Bundeswehr über den Kampf gegen den Klimawandel bis zum Katastrophenschutz verknüpft werden.

© dpa-infocom, dpa:230614-99-58615/9