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Brokstedt-Prozess um Messerattacke: »Bin unschuldig«

Ein junges Paar stirbt bei einer Messerattacke in einem Zug bei Brokstedt. In dem begonnenen Prozess gegen den Palästinenser wird es vor allem auch um die psychische Verfassung des Angeklagten gehen.

Ibrahim A.
Der Angeklagte Ibrahim A. wird von Justizbeamten an seinen Platz im Gerichtssaal gebracht. Foto: Christian Charisius/DPA
Der Angeklagte Ibrahim A. wird von Justizbeamten an seinen Platz im Gerichtssaal gebracht.
Foto: Christian Charisius/DPA

Es sind entsetzlich brutale Szenen, die sich am 25. Januar im Regionalzug nach Hamburg abspielen: Staatsanwältin Janina Seyfert schildert zu Beginn des Mordprozesses in Itzehoe detailliert, wie Ibrahim A. bei der Messerattacke im schleswig-holsteinischen Brokstedt vorgegangen sein soll.

Sie wirft dem angeklagten Palästinenser vor dem Landgericht Mord und versuchten Mord aus niederen Beweggründen und in Heimtücke vor. Eine 17 Jahre alte Jugendliche und ihr zwei Jahre älterer Freund starben bei dem Angriff, vier weitere Menschen erlitten schwere und schwerste Verletzungen.

»Ich möchte nur soviel sagen, dass ich unschuldig bin«

Der 34 Jahre alte Angeklagte hörte aufmerksam zu und räumte dann ein, im Zug gewesen zu sein. Die Tat selbst aber bestritt er: »Ich möchte nur soviel sagen, dass ich unschuldig bin.« Auch wies der schmale Mann mit akkuratem Kurzhaarschnitt und lichtem Bart jede psychische Erkrankung von sich.

Nach Seyferts Überzeugung beging Ibrahim A. die Tat aus Frustration darüber, dass er bei einem Termin in der Ausländerbehörde in Kiel erfolglos geblieben war. Er habe anschließend in einem Supermarkt in der Landeshauptstadt ein 20 Zentimeter langes Messer gestohlen - bereits in der Absicht, damit Menschen anzugreifen.

Im Regionalzug nach Hamburg habe er dann zunächst auf eine 17 Jahre alte Jugendliche eingestochen. Sie starb nach 26 Messerstichen, bei denen unter anderem die Oberschenkelarterie durchtrennt wurde. Anschließend soll der Angeklagte zwölf Mal auf den 19 Jahre alten Freund der jungen Frau eingestochen haben. Er erlitt unter anderem einen tödlichen Stich ins Herz.

Im weiteren Verlauf der Tat soll Ibrahim A. dann in verschiedenen Waggons des Zuges vier weitere Fahrgäste angegriffen und mit einer Vielzahl von Stichen und Schnitten schwer verletzt haben. Schließlich gelang es einem Mann, den Täter mit einer Aktentasche und einer Laptop-Tasche so zu schlagen, dass er das Messer verlor und umringt von Zeugen aufgab.

Die Tat sorgte bundesweit für Entsetzen und Anteilnahme. Eine bei dem tödlichen Messerangriff verletzte Frau nahm sich später das Leben.

Wahnerkrankung des Angeklagten zentraler Punkt

Verteidiger Björn Seelbach sagte, er gebe keine Erklärung für seinen Mandanten ab. Er wies aber darauf hin, er selbst - wie auch ein Psychiater, der Ibrahim A. begutachtet habe - seien der Ansicht, dass der Angeklagte besser in der Psychiatrie als in der Untersuchungshaft untergebracht wäre. Es gehe um die Frage der richtigen Sanktion für die Tat. »Medizinisch gesehen wäre eine Einweisung in die Psychiatrie besser«, sagte Seelbach.

Der zuständige Gutachter sei sich aber noch nicht sicher, ob auch zum Tatzeitpunkt ein akuter wahnhafter Schub bestanden habe. Käme der Gutachter auch in dem Verfahren zu dem Schluss, wäre Ibrahim A. möglicherweise schuldunfähig gewesen. Staatsanwältin Seyfert betonte aber am Rande des Verfahrens, sie gehe derzeit von der Schuldfähigkeit des Angeklagten aus.

Verteidiger Seelbach hatte noch vor dem Prozess gesagt, sein Mandant bestreite die Tat nicht. In der Untersuchungshaft fiel Ibrahim A. mehrfach wegen aggressiven Verhaltens auf und gilt als schwieriger Gefangener.

Ibrahim A. verglich sich mit Breitscheidplatz-Attentäter Anis Amri

Der Mann war erst wenige Tage vor der tödlichen Messerattacke aus einer Untersuchungshaft entlassen worden, die er in Hamburg wegen einer anderen Straftat abgesessen hatte. Während dieser Zeit hatte er sich wegen psychischer Auffälligkeiten 16 Mal mit einem Psychiater getroffen.

Nach der Tat beschäftigten sich auch mehrere Landesparlamente mit dem Fall Ibrahim A. Es waren erhebliche Mängel beim Austausch von wichtigen Informationen zwischen Behörden in Hamburg, Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen deutlich geworden. Ibrahim A. hatte in den Bundesländern gelebt und dort jeweils auch Straftaten begangen. Wenige Monate vor seiner Entlassung aus dem Hamburger Gefängnis soll sich der mutmaßliche Mörder mit dem Attentäter vom Berliner Breitscheidplatz, Anis Amri, verglichen haben.

Für den Prozess sind rund 40 Verhandlungstage bis kurz vor Weihnachten geplant. Acht Nebenkläger treten in dem Verfahren auf, es wurden 127 Zeugen benannt. Die Beweisaufnahme soll beim nächsten Termin am 17. Juli beginnen.

© dpa-infocom, dpa:230707-99-313493/14