Es kam als große Überraschung. Die Brics-Gruppe wichtiger Schwellenländer verkündete die Aufnahme sechs neuer Mitglieder: Saudi-Arabien, der Iran, die Vereinigten Arabischen Emirate, Argentinien, Ägypten und Äthiopien werden der Gruppe zum 1. Januar 2024 beitreten, wie der südafrikanische Präsident Cyril Ramaphosa am Donnerstag beim Gipfel der Allianz in Johannesburg ankündigte. Südafrika hat derzeit den Vorsitz des Staatenbunds, dem bislang außerdem Brasilien, Russland, Indien und China angehören.
Mit der Aufnahme der sechs Länder wird sich die Allianz mehr als verdoppeln und geopolitisch sowie wirtschaftlich an Gewicht gewinnen. Die neue Elfer-Gruppe werde bis zu 37 Prozent des globalen Bruttoinlandprodukts zu Kaufkraftparitäten erwirtschaften und 46 Prozent der Weltbevölkerung repräsentieren, sagte Brasiliens Präsident Luiz Inácio Lula da Silva während des dreitägigen Spitzentreffens.
Mohammad Jamshidi, der stellvertretende Stabschef des iranischen Präsidenten, schrieb auf der Plattform X, die Aufnahme in die Brics-Gruppe sei ein »strategischer Sieg für die iranische Außenpolitik«. Argentiniens Präsident Alberto Fernández feierte den Beitritt in einer Video-Botschaft als »neue Chance«.
Warnung vor Autokraten
Die Frage ist nun, wie der Westen auf die Verkündung reagiert, vor allem auf die Aufnahme des Iran und Saudi-Arabiens. "Die Brics-Staaten haben weiterhin keine politischen Leitlinien.
Die geplante Erweiterung des Bündnisses, darunter vier eindeutig autoritär regierte Staaten, bestätigt, dass den Staatenlenkern ein strategischer Kompass fehlt", sagte der Ökonom Karl-Heinz Paqué, Vorstandsvorsitzender der Friedrich-Naumann-Stiftung, der Deutschen Presse-Agentur. "Ihnen geht es allein darum, möglichst viele Mitläufer auf die vermeintlich anti-westliche Seite zu ziehen." Ab Januar werden autokratisch regierte Staaten die Mehrheit des Verbunds bilden, warnte Paqué.
Die westliche Staatengemeinschaft solle angesichts der Brics-Erweiterung »jedoch nicht in Panik verfallen«, sagte der Ökonom. Auf die individuellen Beziehungen des Westens zu wichtigen demokratischen Handelspartnern wie Brasilien, Indien oder Südafrika werde die Ausweitung wenig Einfluss haben, sagte Paqué.
»Zeugnis, dass sich die Welt neu sortiert«
Für Caroline Kanter, die stellvertretende Leiterin der Hauptabteilung Europäische und Internationale Zusammenarbeit der Konrad Adenauer Stiftung, ist die Erweiterung »Zeugnis dafür, dass sich die Welt neu sortiert und eine Vielzahl von Staaten sich dem Systemkonflikt nicht beugen möchte«. Deutschland und Europa müssten nun Rückschlüsse für ihr internationales Handeln ziehen und ausloten, wie ein pragmatischer Umgang möglich sei. »Klar ist, wir sind nicht mehr in der Position unsere Bedingungen und Standards vorzugeben. Man wird von uns erwarten, dass wir Angebote unterbreiten, um zukünftig als attraktiver Partner wahrgenommen zu werden«, so Kanter.
Nach Angaben des russischen Präsidenten Wladimir Putin sei die Erweiterung der Allianz »nicht einfach« gewesen. Ramaphosa habe aber als Gastgeber des 15. Gipfels eine »erstaunliche diplomatische Kunst« bewiesen, um alle Positionen in Einklang zu bringen, lobte Putin, der sich am Donnerstag per Video aus Moskau zuschalten ließ. Er kam selbst nicht zum Gipfel, weil ihm in Südafrika gemäß dem Haftbefehl des Weltstrafgerichts in Den Haag eine Festnahme wegen Kriegsverbrechen in der Ukraine droht.
Weitere Länder haben Interesse
Auch Indiens Premierminister Narendra Modi, der sich aufgrund angespannter Beziehungen zwischen Indien und China, die beide um Einfluss in ihrer Region buhlen, bislang vorwiegend kritisch zu »Brics plus« geäußert hatte, begrüßte die Erweiterung der Allianz.
Abgesehen von den sechs Neuaufnahmen sollen sich bald zahlreiche weitere Staaten »Brics plus« anschließen. Nach Angaben der südafrikanischen Außenministerin Naledi Pandor haben etwa 40 Länder Interesse an einer Mitgliedschaft bekundet, 23 davon konkret. Dazu zählen Algerien, Kuwait, Bangladesch, Venezuela und Thailand.
Ziel des Staatenbunds ist es, ein Gegengewicht zur Dominanz des Westens und zu anderen Foren wirtschaftlich starker Länder wie den G7 zu bilden. Auch ihre Abhängigkeit vom US-Dollar als globale Leitwährung möchten die Brics-Länder reduzieren. Eine Arbeitsgruppe bestehend aus Brics-Finanzministern und Zentralbankgouverneuren soll bis zum nächsten Gipfel in Russland prüfen, inwieweit die Allianz lokale Währungen, alternative Finanzvereinbarungen sowie alternative Zahlungssysteme nutzen könne, sagte Ramaphosa.
UN-Generalsekretär António Guterres, der für den Gipfel nach Johannesburg gereist war, sprach sich ebenfalls für eine Reform multilateraler Institutionen aus. Eine Neugestaltung der veralteten, dysfunktionalen und ungerechten globalen Finanzarchitektur sei unerlässlich, sagte Guterres. Die aktuelle Ordnung der Weltwirtschaft »spiegelt die Welt von gestern wider«.
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