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Bidens leise Hoffnung, Trumps langer Schatten

Die Zwischenwahlen in den USA laufen für Joe Biden besser als befürchtet und für Donald Trump schlechter als erhofft. Sie legen vieles offen - auch die Probleme für die amerikanische Demokratie.

Trump
Der ehemalige Präsident Donald Trump spricht am Wahltag in Mar-a-Lago zu Unterstützern. Foto: Andrew Harnik
Der ehemalige Präsident Donald Trump spricht am Wahltag in Mar-a-Lago zu Unterstützern.
Foto: Andrew Harnik

Joe Biden am Telefon, mit Pullover, Käppi und schiefem Lächeln auf dem Gesicht. Dieses Foto twittert der US-Präsident in der Wahlnacht. Der Demokrat hat gerade ein paar Parteikollegen zum Wahlsieg gratuliert. Das Bild beschreibt die vorläufige Lage nach den US-Zwischenwahlen ziemlich treffend. Für ein breites Grinsen von Biden ist der Wahlausgang noch zu ungewiss, richtig aufatmen kann der 79-Jährige noch nicht. Es es ist allerdings schon klar, dass die Halbzeitwahlen in der Mitte seiner Amtszeit deutlich glimpflicher für ihn enden als vorhergesagt. Nach der großen Klatsche, die der Demokrat befürchten musste, sieht es nicht aus.

Die »Midterm«-Wahlen entscheiden darüber, wer künftig das Sagen im Kongress hat, was Biden in den kommenden zwei Jahren politisch noch ausrichten kann und wie sehr ihn die Republikaner im Parlament schikanieren können. Die Partei von Bidens Amtsvorgänger Donald Trump hatte auf einen überwältigenden Sieg gehofft. Doch der bleibt aus.

Auch am Tag nach der Wahl ist zunächst noch unklar, wer künftig den Kongress kontrollieren wird. Und es könnte unangenehm werden für Biden in der zweiten Hälfte seiner Amtszeit, falls die Republikaner am Ende doch knapp die Mehrheit in einer oder beiden Kongresskammern holen sollten. Doch klar ist bereits, dass sie nicht abgeräumt haben wie erwartet. Und selbst wenn sie am Ende knapp die Mehrheit im Kongress erobern sollten, dürfte es für sie schwer werden, die eigenen Reihen zusammenzuhalten. Die Partei ist zerrissen zwischen radikalen Trump-Gefolgsleuten und Konservativen der alten Schule.

Trumps Präsidentschaftsbewerbung für 2024 erwartet

Viel verrät diese Wahlnacht über Trump, seinen Einfluss auf die Marschrichtung der Republikanischen Partei und über die Frage, wie sehr ihm das Land noch folgen möchte - auch wenn der Ex-Präsident nicht selbst auf dem Wahlzettel stand. Der Republikaner unterstützte im Wahlkampf reihenweise Kandidaten und dürfte darauf gehofft haben, sich selbst als Zugpferd seiner Partei zu inszenieren. Als der unangefochtene starke Mann der Republikaner. Es wird erwartet, dass Trump in der kommenden Woche seine Präsidentschaftsbewerbung für 2024 verkünden wird, nachdem er über Wochen wenig subtil immer neue Hinweise in diese Richtung gab (»sehr, sehr, sehr wahrscheinlich«).

Doch die Wahlnacht zeigt, dass Trumps Einfluss als Königsmacher für andere seine Grenzen hat. Ein paar besonders schillernde und teils radikale Kandidaten, die er offensiv unterstützte, verlieren: der umstrittene TV-Arzt Mehmet Oz etwa, der sich in einem aufsehenerregenden Rennen gegen den Demokraten John Fetterman um einen Senatssitz in Pennsylvania bewarb. Oder der Gouverneurskandidat in Pennsylvania Doug Mastriano - ein glühender Trump-Anhänger, der dessen Wahlbetrugsfantasien verbreitete und der bei der Präsidentschaftswahl 2024 als Wahlleugner auf dem Posten hätte gefährlich werden können. Gouverneure sind in den USA in die Bestätigung von Präsidentschaftsergebnissen eingebunden.

Auch Gegner Trumps unter den Siegern

Dagegen gewinnen einige Gegner Trumps aus der eigenen Partei gegen Kandidaten der Demokraten, etwa im Schlüsselstaat Georgia: der dortige Gouverneur, Brian Kemp, und der oberste Wahlaufseher des Staates, Brad Raffensperger, setzen sich durch. Letzterer erlangte nationale Bekanntheit, als Trump ihn nach der Präsidentschaftswahl 2020 in einem legendären Telefonat bedrängte, ein paar Tausend Stimmen aufzutreiben, um das Ergebnis in dem Bundesstaat zu kippen (»Ich möchte einfach 11 780 Stimmen finden.«). Raffensperger beugte sich dem Druck damals nicht.

Vor allem aber ein Wahlergebnis bei den Republikanern in dieser Nacht ist ein schlechtes Zeichen für Trump: der klare Erfolg seines größten innerparteilichen Rivalen Ron DeSantis bei der Gouverneurswahl in Florida. DeSantis gilt als einer, der parteiintern gegen Trump für das Präsidentschaftsrennen 2024 antreten könnte. Ein Hardliner mit Trump-Positionen, aber ohne den politischen und juristischen Ballast seines Parteikollegen. DeSantis steht Trump inhaltlich in nichts nach, teilt aber nicht dessen Hang zu Skandalen, Kontrollverlust und Chaos. Das macht ihn nach Einschätzung mancher Kritiker gefährlicher als Trump.

Dass Trump ihn als echten Konkurrenten sieht, zeigt sich darin, dass er sich kürzlich eigens einen spöttischen Spitznamen für DeSantis ausdachte: »Ron DeSanctimoniuos«. »Sanctimonious« heißt auf Deutsch scheinheilig. Und dass der Ex-Präsident DeSantis nun mit unangenehmen Enthüllungen droht, falls dieser für 2024 antreten sollte (»Wenn er antritt, könnte das für ihn sehr schmerzhaft ausgehen«), deutet darauf hin, dass der Konkurrent ihn richtiggehend nervös macht.

Die Wahlbetrugs-Vorwürfe hallen bis heute nach

Die »Midterm«-Wahlen offenbaren aber auch etwas anderes mit Blick auf Trump: nämlich welchen Schaden der Republikaner für die US-Demokratie angerichtet hat mit der Weigerung, seine Niederlage gegen Biden bei der Präsidentschaftswahl 2020 anzuerkennen. Trump stellte die bis dahin eiserne gesellschaftliche Übereinkunft in Frage, dass am Ende einer Wahl - wie hart auch immer der Wahlkampf gewesen sein mag - beide Seiten das Ergebnis akzeptieren, Gewinner wie Verlierer. Diese Gewissheit gibt es in der einst so stolzen US-Demokratie nicht mehr.

Bei den Republikanern gingen bei den »Midterms« Hunderte Kandidaten ins Rennen, die Trumps Erzählung der »gestohlenen Wahl« von 2020 teilen und Zweifel am Ablauf von Wahlen verbreiten. Mehr als 160 dieser Wahlleugner setzten sich bereits durch. Einige Rennen sind noch offen. Mehrere der »election denier« machten vor der Wahl offen klar, dass sie das Wahlergebnis nicht in jedem Fall anerkennen würden - will heißen: nicht dann, wenn sie verlieren. So etwas wäre vor Jahren noch undenkbar gewesen in den USA. Trumpismus zieht also, auch wenn die Person Trump vielleicht an Zugkraft verloren hat.

Was auch zu denken gibt: Der Ex-Präsident hat einem erstaunlichen Anteil der Bevölkerung erfolgreich eingeflüstert, dass sie dem Wahlsystem in den USA nicht trauen können. Laut einer Nachwahlbefragung bei den »Midterms« ist ein Drittel der Amerikaner der Meinung, dass Biden 2020 nicht rechtmäßig gewählt wurde. Ein Drittel der Bevölkerung zweifelt an den Grundprinzipien der Demokratie. Das muss Biden und die Demokraten nachhaltig besorgen - egal, wie diese Wahl ausgeht.

© dpa-infocom, dpa:221109-99-446310/5