Logo
Aktuell Ausland

Biden sieht sich vor Wahlsieg - Trump reagiert mit Klagen

Nach einer Zitterpartie bei der US-Präsidentenwahl scheint Joe Biden auf dem Weg zum Sieg. Der Erfolg in einem weiteren Bundesstaat könnte reichen. Doch Donald Trump macht deutlich, dass er nicht kampflos aufgeben wird.

Joe Biden
»Jetzt, nach einer langen Nacht des Zählens ist es klar, dass wir genug Staaten gewinnen, um 270 Wahlstimmen zu erreichen, die erforderlich sind, um die Präsidentschaft zu gewinnen«, sagt Joe Biden bei einer Rede in Wilmington im US-Bundesstaat Delaware. Foto: Carolyn Kaster/AP/dpa
»Jetzt, nach einer langen Nacht des Zählens ist es klar, dass wir genug Staaten gewinnen, um 270 Wahlstimmen zu erreichen, die erforderlich sind, um die Präsidentschaft zu gewinnen«, sagt Joe Biden bei einer Rede in Wilmington im US-Bundesstaat Delaware. Foto: Carolyn Kaster/AP/dpa

WASHINGTON. Der Demokrat Joe Biden hat nach dem Gewinn wichtiger Bundestaaten gute Aussichten auf einen Erfolg bei der US-Präsidentenwahl. Die Auszählung der letzten Stimmen läuft weiter.

Während Amtsinhaber Donald Trump den Sieg bereits für sich reklamierte, scheint Biden nur noch wenige Schritte vom Weißen Haus entfernt zu sein. Trump schickte in mehreren Bundesstaaten bereits seine Anwälte mit Klagen gegen die Auszählung los.

Nach Berechnungen der Nachrichtenagentur AP und des TV-Senders Fox News kommt Biden inzwischen auf 264 der für einen Sieg bei der Präsidentenwahl nötigen 270 Stimmen von Wahlleuten. Demnach bräuchte der ehemalige Vize von Präsident Barack Obama nur noch einen Bundesstaat für sich zu entscheiden, um zu gewinnen. Mehrere Medien, etwa der Sender CNN und die »New York Times«, sahen Biden bei 253 Stimmen. Sie rechnen dem Demokraten die Wahlleute aus Arizona im Gegensatz zur AP noch nicht zu.

Als offen gilt das Rennen unter anderem in Pennsylvania, North Carolina, Georgia und Nevada. In Pennsylvania und Georgia führte zunächst klar Trump, Biden holte aber deutlich auf, je mehr Briefwahl-Stimmen ausgezählt wurden. Anhänger der Demokraten neigten inmitten der Corona-Pandemie eher dazu, ihre Stimmzettel per Post zu verschicken als die Republikaner.

In Nevada, das sechs Stimmen von Wahlleuten bringt und Biden damit eine Punktlandung bescheren könnte, hielt der 77-Jährige in der Nacht eine knappe Führung. In North Carolina lag Trump vorn.

Da es bei der US-Post Verzögerungen gab, sollen in Pennsylvania noch Briefwahlunterlagen gültig sein, die bis zum Nachmittag am Freitag ankommen. Trump und die Republikaner ziehen erneut dagegen vor Gericht. Vor der Wahl hatte das Oberste Gericht der USA die Regelung zugelassen. Drei Konservative unter den insgesamt neun Richtern zeigten sich aber offen dafür, das Thema nach der Wahl noch einmal aufzugreifen.

In North Carolina ließ das Oberste Gericht vor der Wahl eine Frist von neun Tagen für das Eintreffen der Stimmzettel zu, in Wisconsin lehnte es hingegen eine Verlängerung über den Wahltag hinaus ab. Das Oberste Gericht entscheidet dabei unter anderem auf Basis einer Abwägung, ob Entscheidungen von örtlichen Parlamenten, Wahlbehörden oder Richtern getroffen wurden.

Trump klagte auch in anderen Bundesstaaten. In Michigan, wo Biden führt, will er die Auszählung aussetzen lassen, bis seine Beobachter näher an die auswertenden Mitarbeiter heran dürfen. In Wisconsin verlangt Trump eine Neuauszählung angesichts eines knappen Rennens.

Es könnte noch etwas dauern, bis es Klarheit gibt. So will Nevada frische Informationen zum Stand der Auszählung erst wieder gegen 9.00 Uhr Ortszeit (18.00 Uhr MEZ) mitteilen. In Georgia wollen die Behörden gegen 16.30 MEZ ein Update geben.

In Arizona ist die Lage eng: AP und Fox News schlugen den Bundesstaat mit elf Wahlleuten Biden zu, die anderen Sender noch nicht. Vor einem Behördengebäude in Arizona, in dem Stimmen ausgezählt werden, versammelte sich in der Nacht eine große Gruppe von Trump-Anhängern. Mehrere unter ihnen hätten Waffen wie Automatikgewehre dabei gehabt, berichtete eine Korrespondentin des Nachrichtensenders CNN in einer Live-Schaltung. Auf Fernsehbildern waren mehrere Dutzend Personen auf dem Parkplatz vor dem Gebäude im Bezirk Maricopa County zu sehen, zu dem unter anderem die Stadt Phoenix gehört.

Biden selbst sah sich im Rennen um die Präsidentschaft vor Trump. »Jetzt, nach einer langen Nacht des Zählens, ist es klar, dass wir genug Staaten gewinnen, um 270 Wahlstimmen zu erreichen, die erforderlich sind, um die Präsidentschaft zu gewinnen«, sagte er in Wilmington (Delaware).

Übereinstimmenden Medienberichten zufolge gewann Biden die umkämpften Bundesstaaten Michigan und Wisconsin gegen Trump. Der Republikaner hatte sich in der Wahlnacht zum Mittwoch selbst zum Sieger erklärt. Am Mittwoch schrieb er bei Twitter unter anderem, er erhebe Anspruch auf Michigan.

Im Laufe des Tages setzte Trump mehrere Tweets ab, in denen er über die Stimmauszählung schimpfte. Sein am Dienstagabend noch bestehender Vorsprung sei in einem Bundesstaat nach dem anderen »auf magische Weise verschwunden«, schrieb er etwa. Im umkämpften Bundesstaat Pennsylvania werde »hart daran gearbeitet«, schnell eine halbe Million Stimmen »verschwinden zu lassen«, schrieb er an anderer Stelle. Twitter versah mehrere Nachrichten mit Warnhinweisen wegen »möglicherweise irreführender« Aussagen. Biden bekräftigte: »Wir ruhen nicht, ehe nicht jede Stimme gezählt ist.«

Trump hatte schon im Wahlkampf Stimmung gegen die Briefwahl gemacht und Zweifel an der Rechtmäßigkeit geschürt - obwohl die Abstimmung per Post eine etablierte Form der Stimmabgabe ist. Er warnte ohne Beleg vor massiven Fälschungen. Hinweise auf nennenswerten Wahlbetrug gab es nicht. In Georgia zog Trump am Mittwoch vor Gericht, weil laut einem seiner Beobachter unrechtmäßig 53 zu spät per Post eingetroffene Stimmzettel berücksichtigt worden seien.

Trump (74) schnitt bei der Wahl insgesamt deutlich besser ab als nach Umfragen erwartet. Der drei Jahre ältere Biden verfehlte den von den Demokraten erhofften klaren Sieg und musste sich unter anderem in Florida und Texas dem republikanischen Präsidenten geschlagen geben. Vor der Wahl hatte das Statistikportal »FiveThirtyEight« nur eine Wahrscheinlichkeit von rund zehn Prozent für einen Sieg Trumps errechnet.

Der US-Präsident wird nicht direkt von den Bürgern gewählt, sondern von Wahlleuten. Deren Stimmen gehen mit Ausnahme der beiden Staaten Nebraska und Maine vollständig an denSieger in dem jeweiligen Bundesstaat. Für den Einzug ins Weiße Haus sind 270 Stimmen nötig. 2016 hatte Trump zwar landesweit weniger Wählerstimmen als Hillary Clinton geholt, aber mehr Wahlleute für sich gewonnen. (dpa)

© dpa-infocom, dpa:201105-99-215632/10