Logo
Aktuell Ausland

Biden eint Westen gegen Putin - und hat Probleme daheim

US-Präsident Biden hat das westliche Bündnis nach den Trump-Jahren aus der Schockstarre geholt. Gut läuft es für den US-Demokraten trotzdem nicht. In Umfragen schneidet er sogar schlechter ab als einst Trump.

Biden bei Nato-Gipfel
US-Präsident Joe Biden äußert sich bei einer Pressekonferenz zum Abschluss des Nato-Gipfels in Madrid. Foto: Bernd von Jutrczenka
US-Präsident Joe Biden äußert sich bei einer Pressekonferenz zum Abschluss des Nato-Gipfels in Madrid.
Foto: Bernd von Jutrczenka

Mit zügigem Schritt und einem Lächeln auf dem Gesicht tritt Joe Biden zum Ende seiner Europareise in Madrid ans Podium. »Ich denke, wir sind uns alle einig, dass dies ein historischer Nato-Gipfel war«, sagt der US-Präsident. »Die Vereinigten Staaten mobilisieren die Welt, um der Ukraine beizustehen.« Biden hat den Westen wieder geeint. Beim G7-Treffen in Bayern und beim Nato-Gipfel in Madrid haben die Partner eine Geschlossenheit an den Tag gelegt, die vor dem Angriffsbefehl des russischen Präsidenten Wladimir Putin kaum vorstellbar gewesen wäre. Doch während der Außenpolitiker Biden in Europa reüssiert, brennt zu Hause politisch die Hütte.

Trumps Trümmerhaufen

Als Biden Anfang 2021 ins Weiße Haus einzog, steckten die G7 und die Nato in einer tiefen Krise. Verursacht hatte das sein Vorgänger Donald Trump, dessen brachiale »America First«-Politik die Bündnisse in ihren Grundfesten erschütterten. Senator Dick Durbin war nun mit einer Kongressdelegation nach Madrid gereist, der Demokrat sagte nach dem Nato-Gipfel über seinen Parteifreund Biden: »Er hat es geschafft, die freie Welt in einer noch nie dagewesenen Weise zu organisieren und sie gegen Putins Abenteurertum zu mobilisieren.« Sogar von den Republikanern in der Delegation kam Lob: Biden habe »maßgeblich zum Erfolg des Gipfels beigetragen«, räumte Senator Thom Tillis ein.

Wer ist der Anführer der »freien Welt«?

Bescheidenheit ist kein typischer Charakterzug von US-Präsidenten, sie sehen sich selbstbewusst als »Leader of the free world«, als Anführer der freien Welt. Trumps Isolationismus führte dazu, dass seine Kritiker damals den informellen Titel Angela Merkel zusprachen. »Die deutsche Kanzlerin ist nicht nur die Anführerin Europas, sondern die De-Facto-Anführerin der freien Welt«, schrieb etwa der britische »Independent« Anfang 2017. Nun ist Merkel nicht mehr Kanzlerin, Nachfolger Olaf Scholz hat sich bislang nicht über Deutschland hinaus als Führungsfigur profiliert. Die US-Regierung beansprucht die Ehre längst wieder für den derzeitigen Präsidenten.

Seine erste Auslandsreise hatte Biden im Juni vergangenen Jahres zu Gipfeltreffen der G7 in Cornwall und der Nato in Brüssel geführt. Zum Abschluss traf er in Genf Putin, damals sprach man noch miteinander. Bei diesem Europa-Trip vor einem Jahr habe Biden »selbstbewusst und gekonnt die Aufgabe des Anführers der freien Welt übernommen«, sagte danach sein Nationaler Sicherheitsberater Jake Sullivan. »Der vorherige Präsident hatte diese Aufgabe abgegeben, und dieser Präsident hat sie nun mit Nachdruck zurückgefordert.«

Trumps Nähe zu Putin - und Bidens Dank für Scholz

Als Präsident hat sich Biden von Anfang an dafür eingesetzt, die Beziehungen zu den Verbündeten zu kitten. Die Geschlossenheit, die der Westen derzeit gegenüber Putin an den Tag legt, ist Bidens bislang wohl größter außenpolitischer Erfolg. Der Republikaner Trump lässt bis heute eine auch für Parteifreunde befremdliche Bewunderung für Putin durchblicken. Dafür hatte er als Präsident Verbündete wie Deutschland scharf angegriffen. Damals wäre kaum vorstellbar gewesen, was nun beim G7-Gipfel auf Schloss Elmau geschah: Biden betonte, die Geschlossenheit des Westens sei zu einem nicht geringen Teil auch Scholz' Verdienst. »Sie haben einen unglaublichen Job gemacht«, sagte der Gast aus Amerika. »Ich möchte Ihnen dafür danken.«

Kehrt Trump ins Weiße Haus zurück?

Wie lange diese Geschlossenheit anhält, ist allerdings offen - und dürfte auch damit zusammenhängen, wie lange Biden im Weißen Haus ist. Kurz nach Beginn des Ukraine-Kriegs erinnerte sich Biden im März noch einmal an den G7-Gipfel im vergangenen Jahr. »Ich setzte mich hin und ich sagte, «Amerika ist zurück». Und einer meiner Kollegen, ein Staatsoberhaupt, sagte: «Für wie lange?» (...) Ich kritisiere niemanden dafür, diese Frage zu stellen.« Der Republikaner Trump deutet immer wieder an, dass er 2024 noch einmal kandidieren könnte. Bereits bei der Kongresswahl in diesem November droht Bidens Demokraten der Verlust der Mehrheiten in beiden Parlamentskammern.

Hilfloser US-Präsident

Bidens Führungsanspruch ist seit seinem Amtsantritt klar. Eigentlich wächst in Krisenzeiten die Unterstützung für die politische Führung - in den USA nennt man das den »Rally Around The Flag«-Effekt. Dieser beschreibt, dass sich die Menschen sinnbildlich um die Flagge scharen. Biden scheint davon bislang allerdings nicht zu profitieren, ganz im Gegenteil. Nicht nur muss er hilflos dabei zusehen, wie der unter Trump mit einer massiven konservativen Mehrheit ausgestattete Supreme Court liberale Errungenschaften zurückdreht, kürzlich kippte das Oberste Gericht in einer historischen Entscheidung nach fast 50 Jahren das Recht auf Abtreibung. Auch die wirtschaftliche Entwicklung gibt vor den Kongresswahlen Anlass zu großer Sorge.

Spritpreise explodieren - Umfragewerte stürzen ab

Besonders die Inflation setzt Biden zu. Im Mai stiegen die Verbraucherpreise gegenüber dem Vorjahresmonat um 8,6 Prozent. Autofahrer zahlten an der Zapfsäule im Schnitt sogar fast 50 Prozent mehr für ihr Benzin als ein Jahr zuvor, im Juni stieg der Preis erstmals über die psychologisch wichtige Marke von fünf Dollar pro Gallone (3,785 Liter).

Inzwischen äußern sich in Erhebungen in den USA weniger als 40 Prozent der Befragten positiv über Bidens Arbeit. Die Statistiker der Webseite FiveThirtyEight führen Umfragen zusammen und gewichten sie, nach ihrer Übersicht schnitt zu diesem Zeitpunkt im Amt sogar Trump besser ab - 41,8 Prozent der Befragten waren damals mit seiner Leistung zufrieden, bei Biden waren es zuletzt noch 39 Prozent. Doch nicht nur das: Den Angaben zufolge hatte nach 527 Tagen im Weißen Haus mit Harry Truman nur ein einziger US-Präsident seit dem Zweiten Weltkrieg schlechtere Zustimmungswerte als Biden.

© dpa-infocom, dpa:220701-99-869793/3