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Berliner Senatorin will andere Verteilung von Flüchtlingen

Geflüchtete werden in Deutschland nach dem Königsteiner Schlüssel verteilt. Berlins zuständige Senatorin sieht hier Änderungsbedarf. Widerspruch kommt aus Bayern.

Cansel Kiziltepe
Die Berliner Integrationssenatorin Cansel Kiziltepe (SPD) im Gespräch mit der dpa. Foto: Hannes P. Albert/DPA
Die Berliner Integrationssenatorin Cansel Kiziltepe (SPD) im Gespräch mit der dpa.
Foto: Hannes P. Albert/DPA

Angesichts gestiegener Flüchtlingszahlen fordert Berlins Integrationssenatorin Cansel Kiziltepe Änderungen beim Verteilungsmechanismus in Deutschland. »Wir brauchen eine Reform des Königsteiner Schlüssels, wir brauchen eine Sonderregel für Stadtstaaten wie Berlin«, sagte die SPD-Politikerin der Deutschen Presse-Agentur.

Zur Begründung verwies sie darauf, dass dicht besiedelte Stadtstaaten wie Berlin naturgemäß nur begrenzt Flächen für neue Flüchtlingsunterkünfte zur Verfügung hätten. Daher sei die aktuelle Regelung zur Verteilung der Menschen auf die Länder unter anderem auf Basis von deren Einwohnerzahl nicht mehr zeitgemäß. Sie sei dazu bereits im Gespräch mit Hamburg und Bremen, sagte Kiziltepe.

Bremen zeigte sich überrascht über den Vorstoß. Das Thema sei vor Monaten aufgekommen, habe sich inzwischen aber im Sande verlaufen, sagte ein Sprecher von Integrationssenatorin Claudia Schilling (SPD). Man sei damals zu dem Schluss gekommen, dass die Unterbringung von Flüchtlingen alle Städte fordere, nicht speziell die Stadtstaaten. Momentan gebe es keine Abstimmungen mit Berlin dazu.

Ein Sprecher des Hamburger Senats verwies darauf, dass es keine Mehrheit für eine Neuberechnung des Königsteiner Schlüssels gebe. Der Senat sei aber der Auffassung, dass die tatsächliche Aufnahme bei der Verteilung neu ankommender Geflüchteter künftig berücksichtigt werden sollte, denn: »Viele Geflüchtete werden zwar nach dem Königsteiner Schlüssel zur Aufnahme einem bestimmten Bundesland zugewiesen, wechseln aber dennoch den Wohnort.« Bund und Länder seien daher im Gespräch darüber, das Ausländerzentralregister zum zentralen Instrument für das Management der Migration zu entwickeln.

Gar nicht das eigentliche Problem?

Nach Meinung von Bayerns Innenminister Joachim Herrmann lenkt Kiziltepe ohnehin von den eigentlichen Problemen ab. »Wir müssen in Deutschland nicht die Verteilung ändern, sondern den Zuzug von Flüchtlingen begrenzen«, sagte der CSU-Politiker der dpa. »Es bringt gar nichts, am Verteilungsmaßstab herumzubasteln, wenn die Bundesregierung alle Maßnahmen zu einer Begrenzung der Flüchtlingsmigration torpediert.«

So sabotiere sie angestoßene EU-Vorhaben, anstatt sie zu unterstützen. »Das Bundesinnenministerium sträubt sich weiter gegen den Plan, die Standards für Unterbringung und Versorgung zu senken und Verfahren an der Außengrenze zu erzwingen«, kritisierte Herrmann. »Bei den Themen Rückführungsoffensive, Rückführungsabkommen oder Ausweisung weiterer sicherer Herkunftsländer geht nichts weiter.«

Königsteiner Schlüssel ist Berechnungsgrundlage

In Deutschland legt der Königsteiner Schlüssel fest, wie viele Asylbewerber ein Bundesland aufnehmen muss. Berechnet wird dies auf Basis der Steuereinnahmen und der Bevölkerungszahl. Auf Berlin entfallen laut Bundesamt für Migration und Flüchtlinge 5,2 Prozent.

Das Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) hatte dieses System jüngst aus arbeitsmarktpolitischen Gründen in Frage gestellt. Der Königsteiner Schlüssel sei ungeeignet, um die Arbeitsmarktintegration von Geflüchteten zu fördern, erklärte das Institut in der Vorwoche und verwies auf eine gemeinsame Studie mit der Universität Bielefeld. Denn dieser Schlüssel berücksichtige nicht ausreichend die unterschiedliche Aufnahmefähigkeit der regionalen Arbeitsmärkte und fördere daher auch nicht die Integration. Studie empfiehlt, Geflüchtete gezielt nach den Bedingungen des Arbeitsmarkts in Landkreisen und kreisfreien Städten zu verteilen.

Laut Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten (LAF) nahm Berlin im ersten Halbjahr etwa 16.000 Geflüchtete auf. Kiziltepe geht auf Basis von Prognosen davon aus, dass bis Jahresende weitere 10.000 bis 12.000 Geflüchtete kommen und zu deren Unterbringung auch zeltähnliche Hallen als Provisorien herangezogen werden könnten.

© dpa-infocom, dpa:230731-99-622826/5