Der Chef des US-Auslandsgeheimdienstes CIA, William Burns, hat sich der »Washington Post« zufolge während der jüngsten russischen Raketenangriffe auf die Ukraine in Kiew aufgehalten. Dort habe er den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj getroffen, berichtete die Zeitung. Während des Raketenbeschusses am Dienstag habe sich Burns in der US-Botschaft aufgehalten und sei nicht verletzt worden.
Später bestätigte auch Selenskyj Burns' Besuch in Kiew. »Gestern saß er im Bombenschutzkeller und danach saßen wir zusammen und redeten«, sagte der 44-Jährige in einem Fernsehinterview vor Journalisten.
Russland hatte die Ukraine nach Kiewer Zählung mit mehr als 90 Raketen und Marschflugkörpern beschossen. Burns bekräftigte in Kiew der Zeitung zufolge die Unterstützung der USA für die Ukraine. Zwischen Burns' Aufenthalt in der ukrainischen Hauptstadt und den russischen Angriffen solle es keinen Zusammenhang geben.
Burns hatte zuvor seinen russischen Amtskollegen Sergej Naryschkin in der Türkei getroffen. US-Medien zufolge warnte Burns Russland vor dem Einsatz von Atomwaffen in der Ukraine. Auch soll er Fälle von zu Unrecht in Russland inhaftierten US-Bürgern angesprochen haben. Die Ukraine sei im Voraus über diese Reise informiert worden.
Zehn Millionen Menschen zeitweise ohne Strom
Nach dem massiven russischen Raketenangriff auf das Energiesystem der Ukraine sind nach Angaben von Präsident Wolodymyr Selenskyj etwa zehn Millionen Menschen zeitweise ohne Strom gewesen. Das betreffe vor allem die Regionen Charkiw, Schytomyr, Kiew und Lwiw, sagte Selenskyj in seiner abendlichen Videoansprache.
In Lwiw und anderen Städten sei die Fernwärme abgeschaltet worden. »Im ganzen Land gibt es Probleme mit der Kommunikation und dem Internet.« Später ergänzte der Präsident, dass etwa acht Millionen Menschen mittlerweile wieder mit Strom versorgt seien.
Infolge der Angriffe auf das Stromnetz seien an zwei ukrainischen Kernkraftwerken Reaktorblöcke automatisch abgeschaltet worden, sagte Selenskyj, ohne weitere Einzelheiten zu nennen.
Er deutete den schweren Angriff als Russlands Antwort darauf, dass sich beim G20-Gipfel auch Länder wie Indonesien, China und Indien gegen den Krieg ausgesprochen hätten. »Russland sagt der Welt, dass es weitermachen will«, sagte Selenskyj. Darauf müsse die Welt reagieren, forderte er.
London: Keine Überschwemmungen durch Schäden an Staudamm
Trotz russischer Zerstörungen am Kachowka-Staudamm in der Ukraine droht nach britischer Einschätzung keine Flutkatastrophe. Drei Spannweiten der Brücke an dem Damm seien zerstört worden, wodurch die Übergänge unpassierbar seien, teilte das Verteidigungsministerium in London am Mittwoch unter Berufung auf Geheimdiensterkenntnisse mit. Die Wehre unterhalb dieses Abschnitts seien jedoch weitgehend intakt. »Das derzeitige Schadensausmaß wird wahrscheinlich nicht zu größeren Überschwemmungen flussabwärts führen«, hieß es weiter.
Ukrainische Kräfte hätten die Brücke seit August mit Präzisionsschlägen angegriffen und damit erfolgreich den russischen Nachschub gestört. Am 11. November hätten dann die russischen Truppen beim Rückzug mit kontrollierten Sprengungen weitere erhebliche Schäden angerichtet. »Dies geschah vermutlich, um weitere ukrainische Vorstöße zu verhindern«, hieß es in London.
Das britische Verteidigungsministerium veröffentlicht seit dem Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine Ende Februar unter Berufung auf Geheimdienstinformationen täglich Informationen zum Kriegsverlauf. Damit will die britische Regierung sowohl der russischen Darstellung entgegentreten als auch Verbündete bei der Stange halten. Moskau wirft London eine gezielte Desinformationskampagne vor.
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