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Bauern und Klimaschützer protestieren in Den Haag

Die niederländische Regierung hat Gegenwind: Gerade die Wut der Bauern ist groß. Sie wehren sich gegen Umweltauflagen. Rechtspopulisten schließen sich an und nutzen den Unmut im Wahlkampf.

Großdemo in den Niederlanden
Niederländische Fahnen, die auf dem Kopf stehen und von denen eine die Aufschrift »Nexit« (Austritt der Niederlande aus der EU) trägt, beim Protest der Bauernverbände gegen die Regierung in Den Haag. Foto: Peter Dejong
Niederländische Fahnen, die auf dem Kopf stehen und von denen eine die Aufschrift »Nexit« (Austritt der Niederlande aus der EU) trägt, beim Protest der Bauernverbände gegen die Regierung in Den Haag.
Foto: Peter Dejong

In zwei großen Protestaktionen haben mehrere Tausend Menschen in Den Haag gegen die Umwelt- und Klimapolitik der niederländischen Regierung demonstriert. Bei einer Blockade von Klimaschützern nahm die Polizei am Samstagabend rund 700 Demonstranten vorläufig fest, auch ein Wasserwerfer wurde eingesetzt. Bei einer Großdemonstration von Bauern in einem nahe gelegenen Park blieben dagegen die befürchteten gewalttätigen Ausschreitungen aus.

Mehrere Tausend Bauern waren am Samstag nach Den Haag gezogen, um gegen die geplanten Umweltauflagen für die Landwirtschaft zu protestieren. Die Regierung will drastisch in die intensive Viehzucht eingreifen, um Schadstoffemissionen zu senken. »Keine Bauern, kein Essen« oder »Stolz auf die Bauern« stand auf Spruchbändern. Die radikale Bauernorganisation »Farmers Defence Force« hatte zur »größten Demo aller Zeiten« aufgerufen, rechte Organisationen und populistische Politiker hatten ebenfalls ihre Anhänger mobilisiert.

Nur wenige Kilometer Luftlinie von der Bauern-Kundgebung entfernt demonstrierten dagegen rund 3000 Klimaschützer der Aktionsgruppe »Extinction Rebellion« für deutlich strengere Maßnahmen beim Klima- und Umweltschutz. Sie hatten einen Autobahnzubringer besetzt und sich festgekettet oder am Asphalt festgeklebt. Am Abend räumte die Polizei die Straße. Verletzt wurde niemand.

Die Proteste fanden nur wenige Tage vor den Provinzial-Wahlen statt und sind Ausdruck des zunehmenden Unmuts im Land. Vor allem die Auflagen für die Landwirtschaft bestimmen den Wahlkampf. Am kommenden Mittwoch wird nicht nur über die Parlamente der Provinzen entschieden, sondern indirekt auch über die Zusammensetzung der Ersten Kammer des nationalen Parlaments (vergleichbar mit dem Bundesrat in Deutschland). Umfragen zufolge steht ein starker Rechtsruck bevor. Der Regierungskoalition werden hohe Verluste vorhergesagt, und es ist zweifelhaft, ob sie dann noch eine Mehrheit für ihre Vorhaben bekommt.

Auch rechte Parteien und Bewegungen beteiligt

An der Bauern-Kundgebung beteiligten sich auch rechte Parteien und Bewegungen. Der Rechtspopulist Geert Wilders rief zum Widerstand gegen die Koalition auf und dazu, diese abzuwählen.

Aus Sorge vor Ausschreitungen hatte die Stadt Trecker verboten sowie Zufahrtsstraßen und wichtige Kreuzungen mit Militärlastwagen versperrt. Am Demonstrationsgelände aber brach dann doch ein Bagger durch die Blockade. Zwei Personen wurden festgenommen.

Im vergangenen Jahr hatten Bauern wochenlang im ganzen Land auch mit Gewalt protestiert. Sie bezweifeln die Notwendigkeit der Umwelt-Maßnahmen.

Die Mitte-Rechts-Koalition von Premier Mark Rutte hatte entschieden, bis 2030 den Stickstoff-Eintrag bei Naturgebieten um bis zu 50 Prozent zu reduzieren. Das trifft vor allem Viehbetriebe, die Ammoniak produzieren. Auslöser für diese Entscheidung war ein Urteil des höchsten Gerichts im Jahr 2019. Die Maßnahmen könnten das Ende für etwa 30 Prozent der Betriebe bedeuten, schätzt die Regierung.

Dramatische Folgen für die Biodiversität

Die Eigentümer der rund 3000 Höfe, die in der Nähe von bedrohten Naturgebieten am meisten Stickstoff ausstoßen, sollen zum Verkauf bewegt werden oder zumindest zur drastischen Reduzierung des Viehbestandes. Aber auch Enteignungen werden nicht ausgeschlossen. »Wir haben keine Wahl«, sagte die zuständige Ministerin für Natur und Stickstoff, Christianne van der Wal. »Die Natur kann nicht warten.«

Seit Jahren wird bei den europäisch geschützten Natura 2000-Gebieten in den Niederlanden viel zu viel reaktiver Stickstoff in die Luft ausgestoßen. Hauptverursacher ist die intensive Viehzucht, in der viel Ammoniak entsteht. Dies hat dramatische Folgen für die Biodiversität.

Der niederländische Agrar-Sektor ist riesig und einer der größten Exporteure der Welt. Im vergangenen Jahr exportierten die rund 52.000 landwirtschaftlichen Betriebe für 122 Milliarden Euro Waren ins Ausland, fast ein Viertel davon ging nach Deutschland.

Das Urteil von 2019 hatte nicht nur für die Bauern große Folgen: Projekte in der Nähe von Naturgebieten, bei denen Stickstoff freikommt, dürfen nicht genehmigt werden. Das heißt, der Bau von Wohnungen und Straßen stockt, die Industrie kann nicht expandieren, und sogar die Energiewende kommt in Gefahr.

© dpa-infocom, dpa:230311-99-916526/3