Berlin (dpa) - Der Bau neuer Windräder an Land ist im vergangenen Jahr in Deutschland auf den tiefsten Stand seit mehr als 20 Jahren eingebrochen. Nach vorläufigen Zahlen wurden nur 276 neue Windenergieanlagen in Betrieb genommen mit einer Gesamtleistung von 940 Megawatt.
Im Vergleich zum Vorjahr ist dies bei der Leistung ein Rückgang von mehr als 60 Prozent, im Vergleich zum Durchschnitt des Zubaus der vergangenen fünf Jahre ein Minus von 77 Prozent. Das geht aus einer Auswertung der Fachagentur Windenergie an Land hervor, die der Deutschen Presse-Agentur vorliegt.
Die meiste Leistung ging demnach im vergangenen Jahr in Brandenburg ans Netz mit 57 Anlagen und rund 194 Megawatt (MW), gefolgt von Niedersachsen mit 54 Anlagen und 181 Megawatt sowie Nordrhein-Westfalen mit 38 Anlagen und 127 Megawatt. Im flächenmäßig größten deutschen Bundesland Bayern gingen gerade einmal sechs neue Windenergieanlagen in Betrieb mit einer Leistung von rund 18 Megawatt. In Bayern gilt bundesweit die schärfste Regelung für den Abstand von Windrädern zur Wohnbebauung. Im grün-schwarz regierten Baden-Württemberg kamen gerade einmal 5 neue Windenergieanlagen mit einer Leistung von rund 17 Megawatt dazu, im schwarz-grün regierten Hessen vier mit einer Gesamtleistung von rund 14 Megawatt.
Historisch betrachtet lag der Jahreszubau laut Fachagentur zuletzt im Jahr 1998 unterhalb von 1000 Megawatt. Weil auch 69 Anlagen stillgelegt wurden, lag der sogenannte Nettozubau 2019 bei nur 854 Megawatt. Der Einbruch hatte sich im Jahresverlauf bereits angedeutet. Hauptgründe sind lange Genehmigungsverfahren, zu wenig ausgewiesene Flächen und viele Klagen. Vor Ort haben sich viele Bürgerinitiativen gegen den Bau von Windrädern gebildet.
Die Branche schlägt Alarm. »Der politisch verursachte Zubaueinbruch im Jahr 2019 birgt enorme Gefahren für die Erreichung der deutschen Klimaschutzziele und gefährdet darüber hinaus das Wertschöpfungsnetzwerk der deutschen Windenergiebranche«, sagte der Präsident des Bundesverbands Windenergie, Hermann Albers, der Deutschen Presse-Agentur. Branchenverbände hatten im Juli noch mit einem Zubauvolumen von rund 1500 Megawatt für 2019 gerechnet.
Dabei würden Erneuerbare Energien dringend benötigt. »Die Bundesregierung muss jetzt schnell in die Umsetzung des 18-Punkte-Arbeitsplans aus dem Bundeswirtschaftsministerium gehen«, sagte Albers. Dieser sieht etwa vor, mehr Rechtssicherheit bei der Regionalplanung zu schaffen und Genehmigungen zu beschleunigen.
»Nur so kann der Zubau der Windenergie an Land wieder stabilisiert werden. Gelingt das nicht, droht Deutschland in eine Ökostromlücke zu laufen«, sagte Albers. Er verwies auf eine Analyse des Instituts EWI Köln. »Eine solche Unterversorgung mit Erneuerbaren Energien gefährdet die Investitionsentscheidungen der deutschen Industrie, etwa im Bereich der Elektromobilität.«
Strom aus Windkraft ist neben Solarstrom eine tragende Säule der erneuerbaren Energien. Die Bundesregierung hat sich das Ziel gesetzt, bis 2030 den Anteil von Ökostrom in Deutschland am Bruttostromverbrauch auf 65 Prozent zu steigern. 2019 waren es nach Zahlen des Energieverbandes BDEW 43 Prozent. 2022 geht das letzte Atomkraftwerk vom Netz, bis spätestens 2038 soll mit dem Strom aus Kohle Schluss sein.
In der schwarz-roten Koalition gibt es seit Wochen Streit über den weiteren Ausbau der erneuerbaren Energien. Dabei geht es vor allem um die Frage, wie die Akzeptanz in der Bevölkerung für Windparks erhöht werden kann. Im ursprünglichen Entwurf des Kohleausstiegsgesetz enthalten war eine Regelung für einen Mindestabstand von 1000 Metern von Windrädern zur Wohnbebauung - umstritten ist in der Koalition vor allem, dass der Mindestabstand schon bei mehr als fünf Häusern greifen soll.
Daneben debattiert die Politik darüber, wie Bürger und Gemeinden künftig für Windräder in ihrer Umgebung belohnt werden können, um die Akzeptanz für Windparks zu steigern. Wie genau das aussieht, soll eine Arbeitsgruppe bis Ende März erarbeiten.
Bundeswirtschaftsministerium zur Stärkung des Ausbaus der Windenergie an Land