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Baltikum: Litauens Präsident pocht auf stärkere Nato-Präsenz

Angesichts des russischen Angriffskrieg in der Ukraine steht für Litauens Präsident fest: Die Nato-Ostflanke muss verstärkt werden. Deutschland soll dabei eine besondere Rolle spielen.

Gitanas Nauseda und Olaf Scholz
Litauens Staatspräsident Gitanas Nauseda (M) besucht mit Bundeskanzler Olaf Scholz das Camp Adrian Rohn im litauischen Pabrade, wo mehr als 1000 Bundeswehr-Soldaten stationiert sind. Foto: Michael Kappeler
Litauens Staatspräsident Gitanas Nauseda (M) besucht mit Bundeskanzler Olaf Scholz das Camp Adrian Rohn im litauischen Pabrade, wo mehr als 1000 Bundeswehr-Soldaten stationiert sind.
Foto: Michael Kappeler

Kurz vor dem Nato-Gipfel hat Litauens Staatspräsident Gitanas Nauseda nochmals auf eine stärkere Nato-Präsenz im östlichen Bündnisgebiet gepocht.

Angesichts des russischen Angriffskriegs in der Ukraine müsse bei dem Spitzentreffen in Madrid der Übergang von Abschreckung zur Vorwärtsverteidigung vollzogen werden, sagte Nauseda der Deutschen Presse-Agentur in einem Interview in Vilnius. Die bisherige Nato-Stolperdrahtlogik zur Verteidigung des Baltikums sei nicht mehr tragfähig. Notwendig seien mehr Bodentruppen in den baltischen Staaten und an der Nato-Ostflanke, sagte der litauische Staatschef. Auch Luftverteidigung statt Luftüberwachung sei nötig.

Nauseda: Schätzen Engagement Deutschlands

Konkret erwartete Nauseda Formulierungen in den Gipfelbeschlüssen, wonach die bestehenden multinationalen Nato-Gefechtsverbände den Mitgliedstaaten an der Ostflanke bis auf Brigade-Niveau aufgestockt werden. Deutschland hat bereits angekündigt, dass es die Kampftruppen-Brigade in Litauen führen will. »Das zeigt, dass das Engagement Deutschlands, mehr Truppen hier in Litauen zu stationieren, sehr stark und entschlossen ist«, betonte Nauseda. »Wir schätzen das sehr.« 

Seit 2017 ist in dem an die russische Exklave Kaliningrad und an Russlands Verbündeten Belarus grenzenden Litauen ein Nato-Bataillon mit derzeit etwa 1600 Soldaten stationiert. Angeführt wird es von der Bundeswehr, die mit gegenwärtig mehr als 1000 Einsatzkräften das größte Truppenkontingent stellt. Eine Brigade besteht in der Regel aus etwa 3000 bis 5000 Soldaten.

Von der neuen multinationalen Kampftruppen-Brigade sollen nach ersten Planungen nur Teile in Litauen stationiert werden. Andere sollen in Bereitschaft in den jeweiligen Truppenstellerstaaten bleiben können. »Unser Interesse ist natürlich, möglichst viele deutsche Truppen - und auch Truppen aus anderen Ländern - hier in Litauen stationiert zu sehen«, betonte Nauseda. Zusammen zu trainieren und gemeinsame Übungen auf litauischem Boden und im gesamten Baltikum abzuhalten, sei die »effizienteste Art des Einsatzes.«

Sicherheitspolitische Lage angespannt wie noch nie

Doch noch kann Litauen Nauseda zufolge keine Brigade unterbringen. Dazu fehle es an der nötigen Infrastruktur. »Wir brauchen Zeit, aber wir sind wirklich entschlossen. Es gibt einen starken politischen Willen und Einigkeit zwischen allen politischen Parteien in Litauen, unsere Infrastruktur so schnell wie möglich zu verbessern«, sagte der litauische Staatschef. Daher liefen bereits Diskussionen über die Notwendigkeit, die Verteidigungsausgaben in den kommenden Jahren auf bis zu 3 Prozent des Bruttoinlandsprodukt zu erhöhen.

Die sicherheitspolitische Lage seines Landes bezeichnete Nauseda als so angespannt wie noch nie seit der wiedererlangten Unabhängigkeit Litauens vor gut 30 Jahren. Neben der Bedrohung durch Russland sei ein weiterer Faktor Belarus, das »kein unabhängiges Land mehr« sei und auf dessen Gebiet sich russische Truppen frei bewegen könnten. Damit könnten sie schnell an die Grenze zu Polen und den baltischen Staaten vorrücken. Daher sollte die Abschreckung der Nato auf einer Vorwärtsverteidigung beruhen, betonte Nauseda.

Die Staats- und Regierungschefs der Nato kommen am Mittwoch und Donnerstag zu einem Gipfeltreffen in Madrid zusammen. Dort will das Verteidigungsbündnis auch ein neues strategisches Konzept beschließen. Vor allem die drei baltischen Staaten Estland, Lettland und Litauen dringen seit Beginn des russischen Angriffs auf die Ukraine auf eine deutlich größere Unterstützung durch Bündnispartner. Zudem werden Polen, die Slowakei, Ungarn, Rumänien und Bulgarien zu den Ostflanken-Staaten gezählt.

© dpa-infocom, dpa:220629-99-838985/3