Außenministerin Annalena Baerbock hat für ihre Politik beim Bundesparteitag der Grünen in Bonn viel Zuspruch erhalten, aber auch Kritik einstecken müssen. Vor allem die Genehmigung von Rüstungsexporten in das islamische Königreich Saudi-Arabien und die anfangs etwas vorsichtigen Äußerungen der Bundesregierung zu den massiven Protesten im Iran stießen bei einigen der rund 800 Delegierten am Samstag auf Unverständnis. Große Solidarität bekundeten die Grünen mit Geflüchteten aus Afghanistan und den protestierenden Frauen im Iran.
Mit überwältigender Mehrheit sprachen sich die Grünen für die Lieferung weiterer Waffen an die Ukraine aus. Mehrere Anträge, in denen dies als Abkehr von der pazifistischen Tradition der Partei kritisiert wurden, lehnten die Delegierten ab. Ein Parteimitglied hatte gefordert: »Es muss Schluss sein mit immer mehr Waffen für diesen Krieg.« Der Europaabgeordnete Sergey Lagodinsky hielt dagegen und verwies auf das Selbstverteidigungsrecht. Den radikalen Pazifisten rief er - mit Hinweis auf das Parteilogo - zu, die Ukrainer könnten sich schließlich nicht »mit Sonnenblumen verteidigen«.
Ja zu Waffen nach Kiew
Im Ukraine-Krieg müsse Deutschland helfen, wo es möglich sei, »weil wir sehen, dass diese Waffen Menschenleben retten«, sagte der Parteivorsitzende Omid Nouripour. Die Mitgründerin der russischen Menschenrechtsorganisation Memorial, Irina Scherbakowa, würdigte die Zusammenarbeit mit den Grünen und rief zur Unterstützung der Ukraine gegen Russland auf. Wer Frieden wolle, müsse dafür sorgen, dass die Ukraine alles zu ihrer Verteidigung bekomme. Ein Sieg der Ukraine werde auch für Russland eine Chance bieten, zur Demokratie zu finden.
In der Debatte über Rüstungsexporte sagte Baerbock: »Wir liefern direkt nicht nach Saudi-Arabien«, ein Land »wo Menschenrechte mit Füßen getreten werden«. Die Genehmigung für den Export sei für sie und Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) schwierig gewesen. Sie sei aber der Auffassung, dass »wir europäische Rüstungskooperation brauchen« - auch damit Ausgaben für Soziales nicht zugunsten von nationalen Verteidigungsausgaben gekürzt werden müssten. Gleichzeitig versprach sie für die Zukunft eine restriktivere Rüstungspolitik.
Kritik an Rüstungslieferung nach Riad
Trotz eines weitgehenden Exportstopps hat die Ampel-Regierung grünes Licht für die Lieferung von Ausrüstung und Munition an Saudi-Arabien im Wert von 36 Millionen Euro gegeben. Dabei geht es um ein Programm mit Italien, Spanien und Großbritannien. Die alte Bundesregierung hatte die Rüstungsexporte nach Saudi-Arabien unter anderem wegen der Beteiligung des Königreichs am Jemen-Krieg sowie des Mordes an dem Journalisten Jamal Khashoggi weitgehend gestoppt. Im Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP heißt es: »Wir erteilen keine Exportgenehmigungen für Rüstungsgüter an Staaten, solange diese nachweislich unmittelbar am Jemen-Krieg beteiligt sind.«
Für Rüstungslieferungen an Saudi-Arabien »gibt es keine Notwendigkeit, dafür gibt es keine Rechtfertigung«, sagte Jenny Laube von den Berliner Grünen. Am Ende wurde ein Antrag beschlossen, in dem die Partei festhält: »Wir streben auch einen europäischen Rüstungsexportstopp für Saudi-Arabien und ein europäisches Waffenembargo gegenüber anderen Staaten an, solange diese nachweislich unmittelbar am Jemen-Krieg beteiligt sind.«
Bilanz bislang »bestenfalls gemischt«
Der Delegierte Sascha Krüger merkte an, die außenpolitische Bilanz der neuen Regierung sei bislang »bestenfalls gemischt«. Die Bundesregierung habe nach dem Beginn der neuen »Revolution« im Iran zu lange geschwiegen und unternehme nicht genug gegen die Abschottung der EU-Außengrenzen gegen Flüchtlinge.
Die Grünen stünden fest an der Seite der von Frauen angeführten Proteste im Iran, bekräftigte Nouripour und erntete dafür tosenden Applaus. Einige Delegierte sprachen von einer feministischen »Revolution« im Iran.
Am Sonntag, dem letzten Tag des Grünen-Parteitages, steht das Thema Klimaschutz auf der Tagesordnung.
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