Deutschland drängt auf einen UN-Prozess in einem jahrelangen Konflikt: Eine Waffenruhe im Bürgerkriegsland Jemen muss nach Ansicht von Außenministerin Annalena Baerbock von den Vereinten Nationen vermittelt werden. Dies sei eine Voraussetzung für einen »dauerhaften, stabilen Frieden«, sagte die Grünen-Politikerin nach einem Treffen mit dem jemenitischen Außenminister Ahmed bin Mubarak im saudi-arabischen Dschidda. »Dafür müssen alle Akteure eingebunden sein.« Staaten in der Region müssten unbedingt auch den UN-Sonderbeauftragten für den Jemen, Hans Grundberg, unterstützen.
Zunächst hatte sich Baerbock in der Hafenstadt am Roten Meer mit dem UN-Koordinator für Jemen, David Gressly, getroffen. Die humanitäre Lage in dem verarmten Land auf der Arabischen Halbinsel ist katastrophal. Nach Angaben aus der Bundesregierung sind 67 Prozent der Bevölkerung des Jemens von humanitärer Hilfe abhängig. Das sind etwa 21 Millionen Menschen, davon etwa 11 Millionen Kinder. Baerbock sprach von »einer der schlimmsten humanitären Krisen weltweit.« Jeden Abend gingen über 400.000 Kinder hungrig zu Bett.
Ende des Jemen-Kriegs greifbar?
Saudi-Arabien kämpft im Jemen gegen die vom Iran unterstützten Huthi-Rebellen, die das Land 2014 überrannten und die weite Teile im Norden beherrschen. Vor dem Hintergrund der Annäherung zwischen Riad und Teheran stehen die Chancen auf eine Entspannung des Kriegs im Jemen, wo beide Länder unterschiedliche Seiten unterstützen, so gut wie seit Jahren nicht. Riad sucht einen Ausweg aus dem kostspieligen Konflikt, in dem nach UN-Schätzungen durch direkte und indirekte Kriegsfolgen mindestens 377.000 Menschen ums Leben kamen.
Deutschland lag 2022 nach Angaben aus der Bundesregierung mit rund 198 Millionen Euro auf Platz zwei der größten humanitären Geber für den Jemen. Im Februar hatte Deutschland weitere 120 Millionen Euro für 2023 angekündigt. Großes Problem für die Umsetzung der humanitären Hilfe ist der eingeschränkte Zugang zu den Bedürftigen.
Zugang zu Bedürftigen problematisch
Großes Problem für die Umsetzung der humanitären Hilfe ist weiterhin der eingeschränkte Zugang zu den Bedürftigen. Humanitäre Partner berichteten nach Angaben der Bundesregierung im vergangenen Jahr von mehr als 3300 dokumentierten Zugangsbeschränkungen, wobei mehr als fünf Millionen Menschen humanitäre Hilfe verwehrt worden sei. Eine vor allem von den Huthis durchgesetzte Regel, nach der es jemenitischen Frauen nicht erlaubt ist, ohne einen männlichen Verwandten zu reisen, stelle dabei ein besonderes Hindernis dar.
Drohende Umweltkatastrophe
Baerbock drängte auch mit Blick auf die schwimmende Öl-Plattform »Safer« vor der Küste des Jemens auf eine Lösung. An dem verrottenden Öl-Lager mit gut 1,1 Million Barrel Öl an Bord drohen Lecks oder ein Großfeuer durch eine Explosion. Die Folgen für Umwelt und die Wirtschaft wären verheerend. Deutschland habe zwölf Millionen Euro bereitgestellt, sagte Baerbock. Sie warnte in dem Fall auch vor einer »erneuten humanitären Katastrophe«. Die Vereinten Nationen bemühen sich, genügend Geld für eine Rettungsaktion zu sammeln.
In Katar Gespräche zu Arbeitnehmerrechten
Am Nachmittag ließ sich Baerbock in Doha, der Hauptstadt von Katar, hinter verschlossenen Türen vom dortigen Leiter des Projektbüros der Internationalen Arbeitsorganisation ILO, Max Tunon, über die Lage der Arbeiter in dem Wüstenstaat informieren. Während der Fußball-WM 2022 war Katar wegen der Lage der rund 2,6 Millionen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer schwer in die Kritik geraten.
Zwar hat die Regierung in Katar Reformen auf den Weg gebracht, die frühere Abhängigkeiten der Arbeitnehmer von ihren Arbeitgebern verringert werden sollen. So wurden etwa ein Mindestlohn eingeführt sowie eine rechtliche Begrenzung der Arbeitszeiten sowie bezahlter Urlaub. Nichtregierungsorganisationen wie Amnesty International prangern jedoch eine schleppende Umsetzung an.
An diesem Mittwoch will sich Baerbock in Doha zum Abschluss ihrer dreitägigen Reise mit Emir Tamim bin Hamad Al Thani sowie Premierminister und Außenminister Mohammed bin Abdulrahman Al Thani zu politischen Gesprächen treffen.
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