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Baerbock hofft auf Indien als Gegengewicht zu China

Bei ihrem ersten Besuch in Neu Delhi schmeichelt Außenministerin Baerbock Indien - es fühle sich an wie ein Besuch bei einem guten Freund. Bei der Nettigkeit geht es um handfeste deutsche Interessen.

Außenministerin Baerbock besucht Indien
Außenministerin Annalena Baerbock beim Besuch einer Suppenküche in Chadni Chowk, der Altstadt von Neu Delhi. Foto: Carsten Koall
Außenministerin Annalena Baerbock beim Besuch einer Suppenküche in Chadni Chowk, der Altstadt von Neu Delhi.
Foto: Carsten Koall

Deutschland und Indien wollen ihre Partnerschaft in der Sicherheits-, Klima- und Wirtschaftspolitik ausbauen und damit ein stärkeres Gegengewicht zu China bilden. Indien habe nicht nur den Vorsitz der G20-Runde der führenden Industrie- und Schwellenländer übernommen, sondern auch globale Verantwortung, sagte Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) am Montag bei einem Treffen mit Außenminister Subrahmanyam Jaishankar in Neu Delhi. Im Unterschied zu China verbinde Deutschland mit Indien bereits eine lange »Wertepartnerschaft«.

Deutschland, die USA und andere westliche Staaten sehen das riesige Land mit etwa 1,4 Milliarden Einwohnern als politisches Gegengewicht zu China - und auch als Geschäftspartner mit großem Potenzial. Baerbock schmeichelte den Gastgebern beim ersten offiziellen Besuch mit den Worten, sie fühle sich, »als würde man einen guten Freund besuchen«. China habe sich in den vergangenen Jahren stark verändert. Deswegen sei der Austausch mit dessen direkten Nachbarn so wichtig.

Mit Indien als bevölkerungsreichster Demokratie gebe es großes Potenzial - etwa beim Einstehen für das internationale Recht, sagte die Ministerin. Allerdings trägt die Atommacht westliche Sanktionen gegen Russland infolge des Kriegs in der Ukraine nicht mit. Bei UN-Resolutionen zum Krieg hat sich Indien enthalten. Schon im nächsten Jahr wird das süadasiatische Land nach einer Prognose der Vereinten Nationen China als bevölkerungsreichste Nation der Welt ablösen. Seit dem 1. Dezember hat Indien den Vorsitz der G20.

Deutschland will Neu Delhi bei Energiewende unterstützen

Baerbock hob hervor, dass Indien dabei einen Schwerpunkt auf den Klimaschutz setzen wolle. Vergangene Woche seien deutsch-indische Projekte für 2023 von einer Milliarde Euro vereinbart worden. Diese sollten Indien unterstützen, bei seinem großen Energiebedarf auf sozial und ökologisch nachhaltige Energiequellen umzustellen. Auch die Zusammenarbeit in der Sicherheitspolitik solle verstärkt werden.

Neues Mobilitätsabkommen

Baerbock und Jaishankar unterzeichneten ein Abkommen, das es erleichtern soll, im jeweils anderen Land zu studieren, zu forschen und zu arbeiten. Baerbock sagte, damit würden auch Wartezeiten für Visa deutlich verkürzt. Fachkräfte sollten leichter kommen können.

Baerbock gedenkt des Freiheitskämpfers Gandhi

Zu Beginn ihres zweitägigen Besuchs gedachte Baerbock des Freiheitskämpfers Mahatma Gandhi. In der Gedenkstätte Gandhi Smriti legte sie Rosenblätter nieder. Dort war Gandhi 1948 von einem Hindu-Extremisten erschossen worden. Baerbock besuchte auch eine belebte Einkaufsstraße in der Altstadt. Dort sah sie sich auch eine Gebetsstätte der Sikh-Religionsgruppe an. Dazu musste sie ihre Haare mit einem Kopftuch bedecken und barfuß gehen. In der Großküche eines Tempels half sie, Teig für Fladenbrot für Bedürftige herzustellen.

Strategische Partnerschaft

Indien und Deutschland verbindet seit 2000 eine strategische Partnerschaft. Seit 2011 finden alle zwei Jahre Regierungskonsultationen statt, zuletzt Anfang Mai in Berlin.

Indien, der Klimawandel und die Energiewende

Jaishankar sagte auf eine Frage nach indischen Käufen von günstigem Öl aus Russland, man habe Verständnis für die europäische Sichtweise. Europas gestiegene Einkäufe im Mittleren Osten trieben aber die Preise in einem Markt hoch, auf dem Indien traditionell Öl kaufe. Er verwies auf Daten der Denkfabrik Centre for Research on Energy and Clean Air (CREA). Demnach kauften EU-Länder etwa am 25. November fossile Treibstoffe aus Russland für 304 Millionen Euro, Indien für 60 Millionen Euro. Die EU hat versucht, Öl-Käufe aus Russland zu reduzieren und andere Länder aufgerufen, das gleiche zu tun.

© dpa-infocom, dpa:221205-99-781221/6