An der Südwestflanke der kriegsgeplagten Ukraine spitzt sich die Lage durch rätselhafte Anschläge in der moldauischen Separatistenregion Transnistrien zu.
In dem schmalen, von vielen Russen bewohnten Landstreifen am Fluss Dnister wurde seit Montag das Gebäude der regionalen Staatssicherheit beschossen, zwei Rundfunksendemasten wurden gesprengt. Explosionen gab es angeblich auch in einer Kaserne nahe dem Militärflugplatz von Tiraspol. Der Präsident Transnistriens, Wadim Krasnoselski, sprach am Dienstag von Terroranschlägen. Verletzt wurde den Angaben nach niemand.
Die Ukraine und Russland warfen einander vor, mit solchen Provokationen den Krieg ausweiten zu wollen. Die Präsidentin der Republik Moldau, Maia Sandu, deutete die Unruhe als Ausdruck innerer Konflikte in dem seit 1992 abgespaltenen Separatistengebiet. »Wir sind daran interessiert, dass an den Ufern des Dnister Frieden und Ruhe herrschen«, sagte sie in Chisinau nach Beratungen ihres Sicherheitsrates. Die arme Ex-Sowjetrepublik Moldau orientiert sich unter Sandus Führung in Richtung EU.
Rückhalt der Separatisten in Transnistrien ist ein Kontingent russischer Soldaten, das immer noch dort stationiert ist. Der Waffenstillstand mit Moldau wird von einer Mission der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) überwacht. Diese rief alle beteiligten Seiten zu Zurückhaltung und Ruhe auf.
Ukraine warnt vor Aktivierung russischer Truppen
Das ukrainische Militär warnte vor einer Aktivierung russischer Truppen in Transnistrien. »Die Einheiten der russischen Streitkräfte sind in volle Gefechtsbereitschaft versetzt worden«, hieß es in einem am Dienstagabend auf Facebook veröffentlichten Bericht des ukrainischen Generalstabs.
Zudem seien auch die Sicherheitskräfte der moldauischen Separatisten in erhöhte Bereitschaft versetzt worden. Tiraspol hatte Kiew vorgeworfen, diese organisiert zu haben. Kiew wies die Vorwürfe zurück und sprach davon, dass der russische Geheimdienst FSB Transnistrien in den russischen Krieg gegen die Ukraine hineinziehen wolle.
Russischer Raketenangriff beschädigt Eisenbahnbrücke
»Russland will die Region Transnistrien destabilisieren«, schrieb der ukrainische Präsidentenberater Mychajlo Poldoljak auf Telegram. »Die schlechte Nachricht: Wenn die Ukraine fällt, werden russische Truppen morgen vor Chisinau stehen.«
In Kiew wurde an die Äußerung eines russischen Befehlshabers vergangene Woche erinnert, wonach Moskau die ganze Südukraine bis nach Transnistrien unter Kontrolle bringen wolle. Bislang beherrscht die Ukraine die Hafenstadt Odessa und den Küstenstreifen am Schwarzen Meer. Ein russischer Raketenangriff beschädigte am Dienstag aber die Eisenbahnbrücke über die Dnister-Mündung am Schwarzen Meer. Damit reißt eine wichtige Nachschubstrecke für Treibstoff und andere Güter aus dem EU-Land Rumänien ab.
Moskau sei beunruhigt wegen der Nachrichten aus Transnistrien, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow. Der ranghohe russische Parlamentarier Leonid Kalaschnikow sagte: »Die Vorgänge in Transnistrien sind eine Provokation mit dem Ziel, Russland noch tiefer in die Kriegshandlungen in der Region hineinzuziehen.« Die Spuren der Anschläge führten in die Ukraine, sagte Separatistenführer Krasnoselski.
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