Die Menschen in Litauen setzen angesichts des russischen Angriffskriegs in der Ukraine auf politische Kontinuität an der Staatsspitze: Bei der Präsidentenwahl bestätigten sie Gitanas Nauseda in einer Direktwahl im Amt und wählten ihn für fünf weitere Jahre zum Staatsoberhaupt des baltischen EU- und Nato-Landes.
Der Amtsinhaber setzte sich in der entscheidenden Runde am Sonntag klar gegen Regierungschefin Ingrida Simonyte durch. Damit dürfte der 60-Jährige seinen harten Kurs gegen Moskau und die resolute Unterstützung für Kiew fortsetzen. Nauseda steht seit 2019 dem Baltenstaat vor, der an die russische Ostsee-Exklave Kaliningrad sowie Russlands engen Verbündeten Belarus grenzt.
Nach Russlands Angriffskriegs gegen die Ukraine setzte sich Nauseda entschlossen für humanitäre Hilfe und Waffenlieferungen an Kiew ein. International profilierte er sich zudem als engagierter Vertreter der Interessen seines Heimatlandes, das durch seine Lage an der Nato-Ostflanke in der geopolitischen Konfrontation mit Russland besonders exponiert ist. Deutschland will deshalb eine gefechtsbereite Brigade mit bis zu 5000 deutsche Soldaten dauerhaft in Litauen stationieren.
Nauseda fordert höhere Militärausgaben
Nach seiner Wiederwahl hat Litauens Staatspräsident eine weitere Steigerung der Militärausgaben seines Landes gefordert. »Ich denke, wir sollten in den kommenden Jahren mindestens 3,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts anstreben«, sagte Nauseda in Vilnius. Dies sei keine frei erfundene Zahl, sondern eine, auf denen die »aktuell dringendsten Bedürfnisse« des baltischen EU- und Nato-Landes gestützt werden könnten.
Konkret nannte Nauseda dabei die Aufnahme der deutschen Litauen-Brigade, die weitere Modernisierung der litauischen Armee und die Vorbereitungen zur Einführung einer allgemeinen Wehrpflicht. »All dies erfordert ganz konkrete finanzielle Mittel, wir müssen sie bereitstellen«, betonte Nauseda.
»Ein zerbrechliches Gefäß«
»Litauens Unabhängigkeit und Freiheit ist wie ein zerbrechliches Gefäß, das wir hegen, schützen und vor dem Zerbrechen bewahren müssen«, sagte der parteilose Politiker noch in der Wahlnacht und kündigte an, sich in seiner zweiten Amtszeit weiter auf Außenpolitik und Verteidigung konzentrieren zu wollen.
Nach vorläufigen Ergebnissen lag Nauseda in allen Wahlbezirken vorn und gewann mit 74,4 Prozent der Wählerstimmen. Der Ökonom hatte bereits die erste Wahlrunde am 12. Mai klar gewonnen, ohne aber die nötige absolute Mehrheit zu erzielen. Seine Rivalin Simonyte erhielt im Abstimmungsduell 24,1 Prozent der Stimmen - und räumte frühzeitig ihre Niederlage ein. Die amtierende Regierungschefin war Nauseda bereits bei der vorigen Präsidentenwahl vor fünf Jahren unterlegen. Die Wahlbeteiligung lag bei 49,2 Prozent.
In Litauen hat das Staatsoberhaupt vorwiegend repräsentative Aufgaben. Im Vergleich zum deutschen Bundespräsidenten hat der Präsident aber weitergehende Kompetenzen in der Außen- und Verteidigungspolitik. So vertrat Nauseda sein Land regelmäßig bei EU-Gipfeln. Auch ist der Präsident Oberbefehlshaber der Streitkräfte.
Kommentatoren und Politologen gingen davon aus, dass Nauseda in seiner zweiten Amtszeit innenpolitisch mutiger agieren, in der Außenpolitik aber kaum von seinem bisherigen Kurs abweichen wird. Darauf setzt auch der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj, der zusammen mit den Staatschefs der Nachbarstaaten Lettland, Estland und Polen zu den ersten ausländischen Gratulanten zählte.
© dpa-infocom, dpa:240526-99-166486/10