Eine in den vergangenen beiden Legislaturperioden gescheiterte wirksame Reform der Wahlrechts wird schon wieder zum Zankapfel zwischen den Parteien.
Während die SPD aufs Tempo drückt, droht die Unionsfraktion im Bundestag mit einer Klage vor dem Bundesverfassungsgericht, sollten die Ampel-Parteien das in ihren Reihen entwickelte Konzept im Bundestag durchsetzen.
Der Vorschlag sei »mit dem Grundgesetz nicht vereinbar«, sagte Fraktionschef Friedrich Merz (CDU) in Berlin. Die Union sei offen für Kompromisse und eine gemeinsame Lösung, betonte er zugleich.
»Dieser Vorschlag der Ampel grenzt an Wahlbetrug mit Ansage«, erklärte CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt. Er führe dazu, dass direkt gewählten Abgeordneten der Einzug in den Bundestag verweigert werde. Dies untergrabe auch die demokratischen Grundlagen einer Wahl. »Deswegen ist klar: Sollte es so weit kommen, dass die Ampel diesen Vorschlag umsetzen wird, dann werden wir umgehend dagegen Verfassungsklage einreichen.«
Kommission berät über Möglichkeiten
Die Wahlrechtsreform soll erreichen, dass der auf 736 Abgeordnete angewachsene Bundestag wieder kleiner wird. Über die Möglichkeiten dafür berät derzeit eine extra eingesetzte Kommission. Diese soll bis zum Herbst einen Zwischenbericht vorlegen. Eine Entscheidung steht aktuell noch nicht an.
Die Koalition will die Reform, die zu einer deutlichen Verkleinerung des Bundestags führen soll, laut SPD noch in diesem Jahr durchs Parlament bringen. »Unser Ziel ist, das Gesetzgebungsverfahren im September zu beginnen und bis zum Jahresende zum Abschluss zu bringen«, sagte der Obmann der SPD in der Kommission, Sebastian Hartmann, dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). »Dabei werden wir den normalen Verfahrensweg einhalten und nicht auf Fristverkürzungen zurückgreifen.«
Wahlrechtsreform Teil des Koalitionsvertrages
Im Koalitionsvertrag hatten SPD, Grüne und FDP vereinbart: »Wir werden innerhalb des ersten Jahres das Wahlrecht überarbeiten, um nachhaltig das Anwachsen des Bundestages zu verhindern.« Allerdings sieht der Fahrplan der Kommission vor, dass sie spätestens bis zum 30. Juni 2023 ihren Abschlussbericht vorlegt. Damít wäre noch länger Zeit für das Finden eines Kompromisses.
Das Problem dabei ist: Der Vorschlag von drei Abgeordneten der Ampel-Parteien und das Modell der CDU/CSU sind so gegensätzlich, dass es zwischen ihnen keinen Kompromiss geben kann. Sie stimmen nur darin überein, die Zahl der Mandate auf 598 zu beschränken, indem Überhang- und Ausgleichsmandate, die regelmäßig zur Aufblähung des Bundestags führen, künftig wegfallen.
Der SPD-Abgeordnete Hartmann gab sich in der »Rheinischen Post« mit Blick auf die angedrohte Verfassungsklage gelassen: »Sollte es zu einer Verfassungsklage kommen, können wir auf umfangreiche Beratungen mit ausgewiesenen Verfassungs- und Wahlrechtsexperten zurückgreifen und in den Verfahren gut argumentieren.«
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