Bis zur nächsten Kabinettssitzung am 14. August will die Bundesregierung einen geänderten Plan für den Haushalt 2025 haben - die Gespräche darüber in den nächsten Tagen könnten allerdings schwierig werden. Über ein konkret geplantes persönliches Treffen zwischen Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), Finanzminister Christian Lindner (FDP) und Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) habe er nichts zu berichten, sagte der stellvertretende Regierungssprecher, Wolfgang Büchner, in Berlin. Der Kanzler und seine Kabinettskollegen seien jedoch jederzeit in der Lage, sich abzustimmen, auch telefonisch. »Jedenfalls sind alle guten Willens und optimistisch, dass man das alles am Ende gut auflösen kann«, fügte er hinzu.
Lindner hatte zuvor öffentlich gemacht, dass Gutachter verfassungsrechtliche und ökonomische Risiken bei einigen Plänen der Bundesregierung sehen, zum Beispiel bei der Idee, übrig gebliebene 4,9 Milliarden Euro der Förderbank KfW für die Gaspreisbremsen anderweitig im Haushalt zu nutzen. Auch das Vorhaben, Darlehen statt Zuschüsse an die Autobahngesellschaft zu zahlen, könnte demnach problematisch sein.
Entsprechend müsse man beim Haushalt noch einmal nachverhandeln, sagte Lindner. Vor allem aus der SPD kam anschließend Kritik daran, dass der Bundesfinanzminister dazu nicht erst intern das Gespräch gesucht habe.
Lindner schließt Steuererhöhungen aus
Am Rande eines Bürgerdialogs bekräftigte Lindner am Montag in Potsdam, wo für die FDP die roten Linien liegen. Er sagte: »Es gibt keine Option, die Steuern für die Arbeit der Bevölkerung und die Betriebe zu erhöhen, sondern im Gegenteil: Wir sollten festhalten an den Zielen einer breiten Entlastung.« Keine Option sei es auch, Notlagenbeschlüsse bei der Schuldenbremse vorzunehmen.
SPD-Chefin Saskia Esken sagte im Morgenmagazin von ARD und ZDF: »Er spricht von Transparenz, aber er hat nicht innerhalb der Regierung Transparenz hergestellt, sondern mit der Öffentlichkeit. Das ist unanständig, und das dient der eigenen Profilierung.« Damit beschädige Lindner wieder einmal die Regierung. Scholz, Lindner und Habeck würden miteinander sprechen, bis zum 14. August eine Lösung finden und den Haushaltsentwurf dann dem Parlament zuleiten, sagte sie.
FDP-Fraktionschef Christian Dürr betonte im Deutschlandfunk: »In Grundzügen steht der Haushalt.« Der Haushalt für das kommende Jahr sei mit 480 Milliarden Euro ja wesentlich größer als die Lücke von fünf Milliarden Euro.
Union geht von deutlich größerer Finanzierungslücke aus
Der Bundesfinanzminister hatte die Finanzierungslücke am Sonntag auf rund fünf Milliarden Euro beziffert. Aus der Union wurden Zweifel daran laut. Die Finanzierungslücke sei »größer als die von Christian Lindner behaupteten fünf Milliarden Euro«, sagte Fraktionsvize Mathias Middelberg (CDU) der Deutschen Presse-Agentur. »Tatsächlich bleiben von den offenen 17 Milliarden Euro nach Abzug einer Kapitalerhöhung bei der Bahn in Höhe von bis zu 3,6 Milliarden Euro noch 13,4 Milliarden Euro zu finanzieren«, rechnete er vor.
Lindners Erwartung, acht bis neun Milliarden Euro würden nicht verausgabt, sei unrealistisch. Angesichts der aktuell schrumpfenden wirtschaftlichen Entwicklung sei mit steigenden Ausgaben zu rechnen, vor allem im Sozialbereich. Das zeige schon der Entwurf für den Nachtragshaushalt 2024. Dort seien allein 3,7 Milliarden Euro für »massiv steigende Ausgaben im Bürgergeld vorgesehen«, sagte Middelberg.
Der stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion warf den Koalitionären vor, die von ihnen verursachte Unsicherheit in Bezug auf den Haushalt sowie Förderprogramme und öffentliche Investitionen zerstöre das Vertrauen von Verbrauchern und privaten Investoren. Er sagte: »Wenn die Ampel ihren Zank nicht sehr zügig und glaubwürdig beendet, wird das Abschmieren der deutschen Wirtschaft erst richtig Fahrt aufnehmen.«
Es sei bei der Vorstellung des Haushalts durch Scholz, Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und Lindner vor einem Monat öffentlich gesagt worden, dass es diese Prüfbitten an das Finanzministerium gebe, sagte FDP-Fraktionschef Dürr, offensichtlich bemüht, die Kritik an Lindner zu entkräften.
Kühnert wirft Lindner schlechten Stil vor
Die Ergebnisse hätten intern besprochen werden müssen, sagte SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert dem TV-Sender Phoenix. »Das ist einfach nur als schlechter Stil zu beschreiben.« Wenn eine Regierung gemeinsam einen Prüfauftrag auf den Weg bringe, müssten die Ergebnisse zuerst mit den Kollegen in der Bundesregierung besprochen werden. Lindner wolle offensichtlich einen »öffentlichen Deutungswettkampf« über den Sozialstaat in Deutschland führen.
Aus dem Bundesfinanzministerium hatte es nach einer ersten Sichtung der Gutachten in der vergangenen Woche geheißen, auch »Maßnahmen zur Treffsicherheit der Sozialausgaben, über die bislang keine politische Einigung erzielt werden konnte, könnten den Handlungsbedarf reduzieren«.
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