In den Umfragen bundesweit beharrlich vorne, eine Landtagswahl in diesem Jahr schon gewonnen und beste Aussichten bei den zwei noch kommenden, die eigenen Reihen geschlossen wie lange nicht mehr - es läuft also bei CDU und CSU? Nein, nicht wirklich.
Denn es gibt eine andere, für die Union weniger schöne Entwicklung: Von der wachsenden Unzufriedenheit der Bürger mit der Politik der Ampel-Koalition profitiert im Moment nur eine Partei: die AfD. Während sie in den Umfragen kontinuierlich steigt, klebt die Union regelrecht an der 30-Prozent-Marke fest.
Im jüngsten ARD-»Deutschlandtrend« kletterte die AfD um zwei Punkte auf 18 Prozent und lag damit erstmals mit der SPD gleichauf. Die CDU/CSU rutschte um einen Punkt auf 29 Prozent runter. Ähnlich die Entwicklung in der neuesten Insa-Umfrage für die »Bild am Sonntag«: Auch hier legte die AfD um einen Punkt zu und landete punktgleich mit der SPD bei 19 Prozent. Die Union verlor hier ebenfalls einen Punkt und kam noch auf 27 Prozent.
Die Gründe für den Erfolg der Rechtsaußenpartei sehen die Verantwortlichen von CDU und CSU in der Ampel-Koalition: »Eine schwache und beständig streitende Regierung löst Gegenreaktionen aus. Mit der AfD können die Bürgerinnen und Bürger heftige Denkzettel verpassen«, schrieb der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz am vergangenen Wochenende in seinem Newsletter »MerzMail«.
Merz: Union wird für Zustand des Landes mit verantwortlich gemacht
Doch warum wenden sich die Unzufriedenen nicht der Union zu? »Auch wir werden mitverantwortlich gemacht für den Zustand des Landes – und das Mantra der Ampel, sie müsse nun endlich mal aufräumen, was da 16 Jahre lang liegen geblieben ist, verfängt eben bei vielen Wählerinnen und Wählern«, lautete die Antwort von Merz. Und: Wenn die Union dann Gegenpositionen zur Ampel einnehme, sehe sie sich von dieser schnell mit der Rassismuskeule und dem Rechtsruck-Vorwurf konfrontiert. »Eine solche Verengung des Meinungsklimas zahlt wieder nur bei der AfD ein, und so nährt die Ampel diese Partei gleich doppelt.«
Was den Zustand der Koalition angeht, scheinen die Umfragen Merz Recht zu geben. Während sich im ARD-»Deutschlandtrend« 79 Prozent der Befragten insgesamt weniger oder gar nicht zufrieden mit der Arbeit der Bundesregierung zeigten, waren es bei den AfD-Anhängern 98 Prozent. Ganz oben bei den Gründen standen bei ihnen die Themen Zuwanderung und Migration (65 Prozent) sowie Energie-, Umwelt- und Klimapolitik (47 Prozent).
Erkenntnisse auf dem ZDF-»Politbarometer«
Was der CDU zu denken geben muss: Die Bürgerinnen und Bürger trauen ihr offenbar keine größere Problemlösungskompetenz als der Ampel zu. Das zeigte sich im jüngsten ZDF-»Politbarometer«, in dem nur 22 Prozent davon ausgingen, dass eine von der Union geführte Regierung die Sache besser machen würde. 25 Prozent rechneten sogar damit, dass es dann schlechter würde, für 48 Prozent bestünde kein Unterschied. Und noch eine Frage drängt sich auf: Ist Merz der richtige Mann? In der ARD- wie in der ZDF-Umfrage rangiert der 67-Jährige in der Beliebtheits- und Zufriedenheitsrangliste nur auf Platz 6.
Schwindelig werden muss es der CDU und ihrem Vorsitzenden beim Blick ins kommende Jahr. Im Herbst 2024 werden in Brandenburg, Sachsen und Thüringen neue Landtage gewählt. In allen drei Ländern könnte die AfD stärkste Kraft werden, wie die Umfragen zeigen. So liegen CDU und AfD in Brandenburg mit 23 Prozent gleichauf. In Sachsen steht die AfD mit 28 Prozent drei Punkte vor der CDU. Und in Thüringen ist der Vorsprung der AfD vor der CDU mit 28 zu 21 Prozent noch deutlicher.
Lange ist es her, dass Merz forsch der AfD den Kampf ansagte: »Das traue ich mir zu, die AfD zu halbieren - das geht.« Im November 2018 war das, als sich Merz - erfolglos - um die Nachfolge von Angela Merkel für den CDU-Vorsitz bewarb. Heute ist der Satz von ihm nicht mehr zu hören, umso lauter dafür eine strikte Abgrenzung, wie soeben im »Heute Journal« im ZDF: »Wir haben mit diesen Leuten nichts zu tun, und hier wird es keine Zusammenarbeit geben - unter der Hand, über der Hand, auf dem Tisch, unter dem Tisch mit mir und uns nicht.«
Hoffnung geben kann der CDU wie den anderen Parteien, dass im »Deutschlandtrend« nur 32 Prozent der Befragten angaben, die AfD komme für sie bei Wahlen in Frage, weil sie von ihr überzeugt seien. 67 Prozent begründeten dies mit der Enttäuschung über die Politik der anderen Parteien. Diese Gruppe lasse sich durch eine andere Politik eventuell zurückgewinnen, sagt der Politikwissenschaftler Jürgen Falter. Brandenburgs CDU-Landesvorsitzender Jan Redmann appellierte am Montag denn auch an seine Partei: »Die CDU ist auf allen Ebenen aufgerufen, leidenschaftlicher für ihre Ideen zu kämpfen.«
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