Dass die AfD in Umfragen aktuell etwa doppelt so viel Zuspruch erhält wie bei der Bundestagswahl 2021, sorgt beim Bundesparteitag der Rechtspopulisten für gute Stimmung. Von der Parteispitze kommt in Magdeburg am Freitag dennoch die Ansage, nicht nachzulassen - vor allem mit Blick auf die Landtagswahlen im Osten 2024.
Wohin die Reise der AfD in der Europapolitik gehen könnte, zeigte der sachsen-anhaltische Landeschef Martin Reichardt auf. Von diesem Parteitag solle das Signal ausgehen, »Europa wir kommen, um Deutschland zu retten«, sagte der Bundestagsabgeordnete. Ziel müsse ein Europa souveräner Nationen, ein »Europa der Vaterländer« sein.
»Können in Sachsen, Thüringen und Brandenburg stärkste Kraft werden«
Ihre gestiegenen Umfragewerte hat die AfD nach Ansicht ihres Vorsitzenden Tino Chrupalla auch der neuen »Harmonie« in der Parteispitze zu verdanken. »Diese Harmonie werden wir auch in die nächsten Wahlkämpfe tragen«, rief er bei der Eröffnung des Parteitages den rund 600 Delegierten zu und betonte gleichzeitig seine gute Zusammenarbeit mit der Co-Vorsitzenden Alice Weidel.
Die AfD dürfe sich aber auf den guten Werten nicht ausruhen, mahnte Chrupalla. Er verwies auf die kommenden Landtagswahlen in Bayern und Hessen und sagte: »Nächstes Jahr können wir in Sachsen, Thüringen und Brandenburg stärkste Kraft werden.« Die AfD müsse sich darauf vorbereiten, Regierungsverantwortung zu übernehmen. In bundesweiten Wählerumfragen erreichte die AfD zuletzt Werte zwischen 18 und 22 Prozent.
Chrupalla: CDU nicht einziger möglicher Koalitionspartner
»Wir sollten aber nicht den Fehler begehen, uns auf die CDU als einzige Koalitionsoption festzulegen«, sagte Chrupalla. Die AfD könne mit jeder Partei Koalitionen eingehen, die bereit sei, »Politik im Interesse der Bürger zu machen«. Lediglich eine Koalition mit den Grünen schloss er aus. Die im Bundestag vertretenen Parteien haben ihrerseits alle Koalitionen mit der AfD ausgeschlossen.
Chrupalla warf Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) vor, dieser habe den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine als Vorwand für den von dessen Partei schon zuvor angestrebten Stopp der Importe von billigem Gas aus Russland benutzt. Die Sanktionen gegen Russland schadeten Deutschland mehr als Russland, fügte Chrupalla hinzu.
In den ersten Stunden ihres Parteitages beschäftigten sich die Delegierten vor allem mit Finanz- und Satzungsfragen. Im Bericht der Rechnungsprüfer ging es unter anderem um die Prüfung von Anzahl und Echtheit der Goldbarren, die sich im Besitz der Partei befinden. Während des Vortrags der Rechnungsprüfer wurde ein Bild eingeblendet, das mehrere Männer zeigt, die um einen Tisch herum sitzen, auf dem zahlreiche Barren liegen.
Kritischer Blick auf EU
Obwohl die meisten AfD-Funktionäre entweder einen Rückbau hin zu einer Wirtschaftsunion oder einen Austritt Deutschlands aus der Europäischen Union befürworten, drängen viele von ihnen auf die Kandidatenliste für die Europawahl im kommenden Juni. Aus Parteikreisen hieß es in Magdeburg, man rechne mit bis zu 150 Bewerbern. Als aussichtsreicher Kandidat für den Spitzenplatz gilt der Europaabgeordnete Maximilian Krah.
Die Europawahlversammlung der Partei wird ab Samstag in der sachsen-anhaltischen Landeshauptstadt stattfinden. Sie ist für mindestens vier Tage angesetzt und wird am Sonntag unterbrochen bis zum darauffolgenden Freitag. Sollten vier Tage nicht ausreichen, könnte es sein, dass auch am nächsten Wochenende noch bis Sonntagabend Kandidaten aufgestellt werden. Dann müsste die AfD zu einem späteren Zeitpunkt noch einen Saal anmieten und eine weitere Versammlung einberufen, die dann das Europawahlprogramm beschließt. Zeit genug bleibt dafür auf jeden Fall, da erst am 9. Juni 2024 gewählt wird.
Mehrheit für Beitritt zur Partei Identität und Demokratie
Einen kleinen Dämpfer gab es in Magdeburg für diejenigen in der AfD, die für einen »Dexit« - den Austritt Deutschlands aus der EU - plädieren. Die aktuelle AfD-Delegation gehört im Europäischen Parlament der Fraktion Identität und Demokratie (ID) an, so wie unter anderem auch die österreichische FPÖ und der französische Rassemblement National von Marine Le Pen.
Heftig diskutiert wurde nun über einen Vorschlag des Bundesvorstandes, dass sich die AfD auch der gleichnamigen Partei anschließen solle. »Die Mitglieder der ID-Partei erkennen die Rechte aller an, ihre in Europa einzigartigen spezifischen wirtschaftlichen, sozialen, kulturellen und territorialen Modelle zu verteidigen«, hieß es in dem Antrag, der mit deutlicher Mehrheit angenommen wurde. »Wir brauchen in Europa starke Partner«, warb Weidel für den Antrag.
Dagegen hatte unter anderem der baden-württembergische Co-Landesvorsitzende Emil Sänze argumentiert. Er warnte unter Hinweis auf die ablehnende Haltung der AfD gegenüber der EU: »Wir verlieren unsere Glaubwürdigkeit.«
Am Nachmittag wurden nacheinander mehrere Politiker rechtspopulistischer Parteien aus anderen europäischen Staaten für Grußworte auf die Bühne gebeten. André Ventura von der portugiesischen Partei Chega sagte, Olaf Scholz (SPD), sei »der schlechteste Kanzler, den Deutschland jemals hatte«.
Vor dem Parteitagsgelände wurden die Delegierten von einigen Dutzend Demonstranten begrüßt. Diese trugen Transparente der Gruppe »Omas gegen Rechts« und riefen: »Nationalismus raus aus den Köpfen«. Am Nachmittag war am Himmel über Magdeburg ein Kleinflugzeug zu sehen, das ein Banner mit der Aufschrift »SCHEISSAFD!« hinter sich herzog.
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