Gerichte dürfen nicht einfach Abschiebehaft verhängen, bevor nicht eine Vertrauensperson oder ein Angehöriger des Betroffenen benachrichtigt wurde. Das stellte das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe in einem am Mittwoch veröffentlichten Beschluss klar und gab damit einer Beschwerde von drei Männern statt. Aus Sicht des Senats hatten es sich die Vorinstanzen zu einfach gemacht, Vertraute zu erreichen oder ausfindig zu machen.
Geklagt hatten zwei afghanische Staatsbürger und ein Jordanier, die gegen jeweils in Sachsen-Anhalt, Bayern und Thüringen ergangene Urteile der Vorinstanzen vorgingen. Die Kläger seien in ihrem Recht aus Artikel 104 Absatz 4 des Grundgesetzes verletzt worden, so der Karlsruher Senat.
In dem Passus steht, dass vor jeder richterlichen Entscheidung über die Anordnung oder Fortdauer einer Freiheitsentziehung ein Angehöriger des Festgehaltenen oder eine Person seines Vertrauens benachrichtigt werden muss. Diese Norm solle ein spurloses Verschwinden Inhaftierter verhindern, betonten die Richter. Dies hätten die Vorinstanzen nicht beachtet.
Drei Schicksale
Im ersten Fall hatte ein Afghane einen Freund anrufen wollen, bei dem er seine Sachen aufbewahrte und bei dem er sich regelmäßig aufhielt. Das Amtsgericht setzte sich darüber hinweg, dokumentierte die Gründe dafür nicht und ordnete Abschiebungshaft an. Der nicht mit Namen genannte Freund erfülle die Anforderungen an eine Vertrauensperson nicht, entschied später das Landgericht.
Im zweiten Verfahren wurde ein afghanischer Staatsbürger bei Einreise nach Deutschland festgenommen und kam in sogenannte Überstellungshaft. Auch hier hatte der Mann in einer Anhörung gesagt, dass eine Vertrauensperson benachrichtigt werden solle. Dabei hatte er aber nur angegeben, dass die Person in Frankfurt wohne. Das war dem Gericht zu ungenau, eine Pflicht zur Nachforschung sah es nicht. Der Jordanier im dritten Fall hatte als Arzt in einer Reha-Klinik hospitiert. Als Abschiebungshaft angeordnet wurde, wollte der Mann, dass die Klinik benachrichtigt wird. Auch dies unterblieb mit dem Hinweis, eine Klinik sei weder eine Vertrauensperson noch ein Angehöriger.
Das war den Richtern aus Karlsruhe insgesamt zu wenig. So sei es beispielsweise - wie im zweiten Fall - einem Gericht durchaus zuzumuten, eine Meldeauskunft einzuholen und so die Anschrift von Freunden oder Angehörigen herauszufinden. Auch im dritten Fall habe es sich die Vorinstanz zu einfach gemacht. Schließlich hätte ja eine Person aus der Personalabteilung der Klinik benachrichtigt werden können.
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