BERLIN. Bund und Länder wollen als Konsequenz aus der anhaltenden Corona-Pandemie bis Ende 2022 mindestens 5000 neue und unbefristete Vollzeitstellen im Öffentlichen Gesundheitsdienst (ÖGD) schaffen.
In einem ersten Schritt solle es bis zum 31. Dezember 2021 mindestens 1500 Stellen für Ärzte, weiteres Fachpersonal und Verwaltungsmitarbeiter geben, teilten Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) und die Vorsitzende der Länder-Gesundheitsminister, Berlins Senatorin Dilek Kalayci (SPD), in Berlin mit.
Neben den neuen Stellen geht es um eine bessere Digitalisierung der Gesundheitsämter und -behörden sowie darum, die Arbeit im Öffentlichen Gesundheitsdienst attraktiver zu machen und zukunftsfähige Strukturen zu schaffen. Die 375 Gesundheitsämter spielen etwa beim Verfolgen von Infektionsketten sowie bei Anordnungen von Tests und Quarantäne eine wesentliche Rolle.
Spahn sagte, Ziel sei ein über alle Ebenen vernetzter Gesundheitsdienst. Er sprach von der größten Investition in diesen Bereich in der Geschichte der Bundesrepublik. Auf die Frage, ob der Zuwachs an Stellen überhaupt realisierbar sei, sagte der Minister, es gehe um 10 bis 20 Stellen pro Gesundheitsamt. Er sei zuversichtlich, dass dies innerhalb von zwei Jahren gemeinsam gelingen könne.
Kalayci sagte, die Umsetzung werde ein Kraftakt für Bund, Länder und Kommunen. Die Corona-Pandemie habe gezeigt, dass die Gesundheitsbehörden eine zentrale Säule des Gesundheitssystems seien. Der schwarz-rote Koalitionsausschuss hatte sich am 22. Juni darauf geeinigt, für die Umsetzung des »Pakts für den Öffentlichen Gesundheitsdienst« insgesamt 4 Milliarden Euro bis zum Jahr 2026 zur Verfügung zu stellen.
Der Deutsche Städtetag erklärte, die Städte hätten deutlich gemacht, dass die Hilfen kein Strohfeuer sein dürften. Der Gedanke werde aufgegriffen, erklärte Städtetagspräsident Burkhard Jung, der auch Oberbürgermeister von Leipzig ist. Die Minister wollten die Finanzierung des Personalaufwuchses über 2026 hinaus verstetigen.
Kanzlerin Angela Merkel (CDU) würdigte die Rolle der Gesundheitsämter bei der Pandemiebekämpfung in ihrem wöchentlichen Video-Podcast. »Wenn unser Land bisher so verhältnismäßig gut durch die Pandemie gekommen ist, wenn das Infektionsgeschehen nicht die Ausmaße erreicht hat, die wir in anderen Ländern beobachten mussten, dann hat das nicht zuletzt mit dem zu tun, was tagtäglich im Öffentlichen Gesundheitsdienst geleistet wird«, sagte sie. An diesem Dienstag will Merkel in einer Videokonferenz mit Verantwortlichen vor Ort sprechen.
Die gesundheitspolitische Sprecherin der FDP-Bundestagsfraktion, Christine Aschenberg-Dugnus, sagte, der digitalen Transformation der Gesundheitsämter müsse nun höchste Priorität eingeräumt werden.
Die Beschlüsse im Einzelnen:
PERSONAL: Mehr Stellen soll es auf allen Ebenen geben - in den örtlichen Gesundheitsämtern und Behörden, den mit dem Thema befassten Landesstellen sowie den obersten Landesbehörden. Dabei sollten aber grundsätzlich 90 Prozent der Stellen in unteren Gesundheitsbehörden wie den Gesundheitsämtern geschaffen werden, heißt es im Beschluss. Auch Teilzeitstellen können aufgestockt werden. Der Bund will zur Umsetzung und Evaluierung bis Ende 2021 40 Stellen schaffen.
DIGITALISIERUNG: Die Kommunikationsplattform DEMIS (Deutsches Elektronisches Melde- und Informationssystem für den Infektionsschutz) soll bis Ende 2022 allen Gesundheitsbehörden in Bund und Ländern zur Verfügung stehen. So sollen Meldeverfahren beschleunigt und vereinfacht werden. Der Aufbau von DEMIS beim Robert Koch-Institut (RKI) wird vom Bund finanziert. Über die 4 Milliarden Euro für das Paket hinaus stelle der Bund dazu schon 2020 Finanzhilfen in Höhe von 50 Millionen Euro zur Verfügung. Insgesamt sind für die bessere Digitalisierung 800 Millionen Euro vorgesehen.
Die Länder verpflichten sich dazu, dafür Sorge zu tragen, dass im ÖGD digital gemeinsame Mindeststandards eingehalten werden. Die Standards sollen vom Bundesgesundheitsministerium mit den Ländern, Städten und Kommunen sowie anderen Experten bis Frühjahr 2021 erarbeitet werden.
ATTRAKTIVITÄT: Damit die Stellen auch besetzt werden können, soll die Arbeit im Öffentlichen Gesundheitsdienst attraktiver werden. Es soll Anreize über das Besoldungsrecht wie über tarifvertragliche Regelungen und andere Maßnahmen geben. Die Länder wollen auch für Verbesserungen für das beamtete ärztliche Personal sorgen. Damit das schnell geht, soll jedes Land bis zu zehn Prozent seines Anteils aus dem Pakt nutzen können.
Bund und Länder wollen zudem eine vertiefte Verbindung des ÖGD mit der Wissenschaft bei der Fort-, Aus- und Weiterbildung erreichen. Medizinstudenten sollen künftig schon im Studium stärker an die entsprechenden Themenfelder herangeführt werden. Die Länder verpflichten sich, Bildungsinstitutionen entsprechend personell und sachlich auszustatten. Dafür sollen die Länder Mittel aus dem Pakt in Höhe von 35 Millionen Euro für fünf Jahre zur Verfügung stellen.
ZUKUNFTSFÄHIGE STRUKTUREN: Der Öffentliche Gesundheitsdienst sei zunehmend zentraler Ansprechpartner auch in der Gesundheitsförderung und Prävention geworden, heißt es in dem Beschluss. Deswegen soll der Gesundheitsdienst für kommende Pandemien und andere nationale gesundheitliche Notlagen organisatorisch und rechtlich besser aufgestellt werden. Die Grundlagen dafür soll ein externer und unabhängiger Expertenbeirat schaffen.
INTERNATIONALE GESUNDHEITSSICHERHEIT: Deutschland hat der Weltgesundheitsorganisation WHO schon vor Jahren Flug- und Seehäfen benannt, bei denen besondere Vorrichtungen vorgehalten werden müssen etwa im Kampf gegen Ebola. Dazu gehören laut Spahn etwa die Flughäfen Frankfurt/Main, München, Berlin, Hamburg und Düsseldorf sowie die Häfen in Hamburg und Bremen. Der Bund stellt nun 50 Millionen Euro für ein Förderprogramm zur Stärkung dieser Strukturen bereit.
UMSETZUNG: Der Bund stellt den Ländern einmalig 3,1 Milliarden Euro zur Verfügung - in sechs Tranchen. Dafür erhalten die Länder gegen Nachweis Festbeträge im Rahmen der Umsatzsteuerverteilung. Diese Mittel sollen vorrangig in den Personalaufwuchs und für mehr Attraktivität der Arbeit im ÖGD fließen. Die restlichen Gelder fließen in den Aufbau von Strukturen, für Forschung und Evaluierung sowie zur Stärkung von Bundesbehörden. (dpa)