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Wohin mit dem Plastik? Kreative Ideen gegen die Müllflut

Plastikverschmutzung ist überall. Sie stellt eine globale Gefahr für die Umwelt und unsere Gesundheit dar. Aber es gibt Ideen gegen die Plastikflut - von Müll-Apps bis innovativen Recyclingmethoden.

Kreative Ideen gegen die Müllflut
Ein Mann trinkt Wasser aus der kompostierbaren Verpackung des Start-up-Unternehmens Notpla. Foto: Notpla/DPA
Ein Mann trinkt Wasser aus der kompostierbaren Verpackung des Start-up-Unternehmens Notpla.
Foto: Notpla/DPA

Weltweit wird mehr und mehr Plastik produziert – und nur ein kleiner Teil davon recycelt. In Europa etwa werde rund ein Drittel des Kunststoffmülls in der einen oder anderen Form aufbereitet, sagt der Materialwissenschaftler Johannes Steinhaus von der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg.

Global gesehen ist die Recyclingquote laut UN-Angaben mit neun Prozent deutlich schlechter. Große Kunststoffmengen landen in der Natur. Dabei gibt es rund um den Globus kreative Ideen, um die Plastikflut zumindest etwas einzudämmen.

Trinkflaschen auffüllen

In Frankreich haben etliche Städte begonnen, das kostenlose Auffüllen von Trinkflaschen mit Leitungswasser anzubieten. Das soll verhindern, dass man immer neue Plastikflaschen kaufen muss. In Paris machen Geschäfte seit dem vergangenen Jahr mit einem Aufkleber auf den Service aufmerksam, der nicht zu irgendeinem Kauf verpflichtet. Auf einer Onlinekarte können die inzwischen 825 beteiligten Läden lokalisiert werden, ebenso wie die rund 1200 Brunnen und öffentlichen Wasserzapfstellen in Straßen und Parks der Hauptstadt.

Müll-Apps

Unter anderem in Afrika fehlt häufig eine funktionierende Abfallwirtschaft. Ersetzt wird diese durch informelle Müllsammler, die von recycelbarem Müll leben. Dennoch landet viel Material auf illegalen Mülldeponien. Es gibt aber digitale Lösungsansätze in mehreren Ländern. Dabei werden App-Nutzer, Müllsammler und Recycling-Unternehmen vernetzt: Nutzer können ihren Recycling-Müll per Knopfdruck abholen lassen und die Müllsammler verdienen mit jedem Kilo Plastikmüll, das bei den Recycling-Unternehmen landet. Materialwissenschaftler Steinhaus hält das für eine gute Idee. Es sei auch in armen Ländern sinnvoll, Kunststoffmüll einen Wert zu geben, damit man ihm dem Recyclingprozess zuführen kann.

Zäune aus Altplastik

Zahllose Start-ups zeigen vielfältige Recycling-Möglichkeiten auf. In Kenia stellt ein Unternehmen Zäune aus Altplastik her. Das spare Bauholz und schone die Bestände der seit Jahren schrumpfenden kenianischen Wälder, heißt es. In Ruanda und auf den Philippinen produzieren Firmen Tische und Stühle für Schulen. Von der Firma Envirotech aus den Philippinen heißt es beispielsweise, dass dafür etwa Beutel, Becher und Bonbonpapier geschreddert, geschmolzen, geformt und dann neu zusammengesetzt werden.

In einen Stuhl fließen laut Firmenchef Winchester Lemen 20 bis 30 Kilo Kunststoff. Es werden auch andere Produkte wie Pflanzentöpfe, Lampen, Picknicktische und kürzlich gar ein 28 Quadratmeter großes Haus, das zu 95 Prozent aus Plastikmüll bestehe, produziert.

Pflastersteine aus Plastik

Die Firma Rebricks aus Indonesien verwandelt Kunststoffabfälle wie Tüten und Lebensmittelverpackungen in Pflastersteine, Fliesen und Ziegel. Rebricks arbeitet mit Abfallbanken, Müllsammlern und Haushalten zusammen. Der Abfall wird geschreddert, mit Zement und Sand vermischt und in verschiedene Formen gegossen. Seit seiner Gründung im Jahr 2018 hat das Startup über 17.500 Kilo Plastikmüll recycelt und über 100.000 Ziegelsteine hergestellt.

Ähnlich stellt die indische Firma KK Plastic Waste Management LTD neben Baumaterialien auch ganze Straßen her, die unter anderem aus Plastik bestehen. Plastikmüll würde dafür sortiert, gereinigt und mit Asphalt sowie Kies bei 160 Grad vermischt. Der Plastik diene als Bindemittel, sagt Firmenchef Rasool Khan. Seine Firma habe im vergangenen Vierteljahrhundert mehr als 2000 Kilometer Straße gebaut – darunter auch Autobahnen. Fachmann Steinhaus sieht bei solchen Lösungen allerdings die Gefahr, dass Mikroplastik in die Umwelt gelangt.

Plastik-Kunst

Der indonesische Künstler Ari Bayuaji fertigt aus alten Bootsseilen, die er in Mangrovenwäldern und an Stränden einsammelt, Kunst. Mittlerweile ist er so bekannt, dass Fischer ihm auch selbst ihre ausgemusterten Taue vorbeibringen. In seinem Studio im Urlaubsort Sanur entwirrt der 48-Jährige die Kunstfasern, bis sie so dünn wie Nähgarn sind. An einem traditionellen Webstuhl werden anschließend Wandbehänge erschaffen. Zudem arbeitet Bayuaji mit Handwerkern zusammen - so entstehen traditionelle Skulpturen aus der balinesischen Mythologie mit Haaren aus entwirrten Bootsseilen. »Weaving the Ocean«, den Ozean weben, nennt er das Projekt. Die Werke wurden schon in Singapur, Rotterdam und Mönchengladbach gezeigt.

Verpackungen aus Seetang

Eine der Auszeichnungen des vom britischen Thronfolger Prinz William ausgelobten »Earthshot«-Preises ging im vergangenen Jahr an das Londoner Start-up-Unternehmen Notpla, das Verpackungen aus Seetang herstellt. Müll soll dadurch vermieden werden. Zu den kompostierbaren Produkten gehören Schachteln für Take-Away-Mahlzeiten, eine verzehrbare Membran, in der Wasser und andere Flüssigkeiten transportiert werden können und Folie. Allein 2022 seien beispielsweise eine Million der Seetang-Schachteln für das Liefer-Unternehmen Just Eat produziert worden, hieß es auf der Firmenwebseite.

Plastikabkommen

Bei den UN gibt es Verhandlungen um ein internationales Plastikabkommen. Bis 2024 soll eine Konvention erarbeitet werden, in der verbindliche Regeln und Maßnahmen festgelegt werden, die den gesamten Lebenszyklus von Plastik betreffen. Wunsch der UN ist es, die Umweltverschmutzung durch Plastikabfälle bis 2040 massiv einzudämmen.

© dpa-infocom, dpa:230905-99-80014/3