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Unternehmen tüfteln an nächsten Corona-Impfstoffen

Noch sind bei weitem weder ein Großteil der Menschen gegen das Coronavirus geimpft noch alle entwickelten Impfstoffe zugelassen. Doch schon läuft hinter den Kulissen die Arbeit an deren Nachfolgern.

Coronavirus
Diese von den Centers for Disease Control and Prevention (CDC) im Januar 2020 zur Verfügung gestellte Illustration zeigt das Coronavirus (2019-nCoV). Foto: Uncredited/Centers for Disease Control and Prevention/AP/dpa
Diese von den Centers for Disease Control and Prevention (CDC) im Januar 2020 zur Verfügung gestellte Illustration zeigt das Coronavirus (2019-nCoV). Foto: Uncredited/Centers for Disease Control and Prevention/AP/dpa

BERLIN. Während viele Menschen in Deutschland noch auf ihre Corona-Impfung warten, arbeiten Hersteller schon an der nächsten Impfstoff-Generation.

Erste solche Präparate könnten nach Angaben des Verbands forschender Arzneimittelhersteller (vfa) im Erfolgsfall noch in diesem Jahr zugelassen werden.

Dabei werden einem vfa-Sprecher zufolge vor allem drei Strategien verfolgt: Erstens geht es um eine stärkere Immunisierung, indem die Immunabwehr etwa durch Antikörper noch mehr aktiviert wird. Im zweiten Fall wird an der Immunisierung gegen das sogenannte Spikeprotein, das an der Außenhülle des Coronavirus sitzt, oder gegen mehrere solche Spikeproteine gearbeitet. Und schließlich wird an der Immunisierung auch gegen andere Sars-CoV-2-Bestandteile geforscht wie etwa das sogenannte Nukleokapsid. Dieser zentrale Teil des Virus besteht aus Proteinhülle (Kapsid) und viraler Nukleinsäure.

Die Gründe für derartige Forschung sind sehr unterschiedlich. Zum einen gelten die bisherigen Impfstoffe zwar als wirksam gegen die ursprüngliche Variante des Virus. Doch schon bei manchen Mutanten lässt die Wirkung nach. Und da sich das Virus weiter verändern wird, will man vorbereitet sein. Zum anderen ist nach wie vor unklar, ob und in welchem Zeitabstand Auffrischimpfungen - sogenannte Booster - notwendig sein werden.

Nach Angaben des Robert Koch-Instituts (RKI) ist bisher auch nicht bekannt, ob solche Booster besser mit einem anderen Impfstofftyp erfolgen sollten als mit dem zuerst gespritzten Präparat. Die Beantwortung dieser Frage hänge von Faktoren ab wie der Dauer des Impfschutzes nach der ersten Impfserie oder der Wirkweise des Impfstoffs, heißt es beim RKI. Der Vorsitzende der Ständigen Impfkommission (Stiko), Thomas Mertens, hatte jüngst den Zeitungen der Funke Mediengruppe gesagt, dass wohl alle Geimpften im nächsten Jahr ihren Impfschutz auffrischen lassen müssten.

Hersteller wie Biontech/Pfizer oder Johnson & Johnson testen fortlaufend die Wirksamkeit ihrer Produkte bei Mutanten und auch die Dauer des Impfschutzes. Nach ersten Ergebnissen wirken die Impfstoffe nach einem halben Jahr noch einwandfrei. Moderna untersucht drei verschiedene Booster-Impfungen, die Ende des Jahres auf den Markt kommen könnten, wie Europachef Dan Staner dem »Handelsblatt« sagte. Auch Curevac, dessen erster Impfstoff noch nicht zugelassen ist, arbeitet an einem Impfstoffkandidaten der zweiten Generation. Erste präklinische Daten zeigen nach Angaben vom Mittwoch einen schnelleren Start der Antikörperherstellung und gute Wirkung bei Virusvarianten.

Ferner arbeiten Biontech und Pfizer beispielsweise daran, dass ihr Impfstoff auch für 12- bis 15-Jährige und jüngere Kinder eingesetzt werden kann. Seit Ende März lassen die Unternehmen ebenso die Verabreichung einer einzelnen Auffrischungsimpfung fünf bis sieben Monate nach Erhalt der zweiten Biontech-Dosis untersuchen. Dabei wird auch ein modifizierter Impfstoff getestet, der an das Spikeprotein der aus Südafrika bekannten Variante B.1.351 angepasst wurde. Angelaufen ist zudem eine Schwangerenstudie.

Der Biontech-Vorstandsvorsitzende Uğur Şahin hatte bei einer Veranstaltung des Science Media Centers gesagt, er wolle auch Studien durchführen bei Menschen, deren Immunabwehr unterdrückt ist. Das kann zum Beispiel infolge einer Erkrankung wie Aids passieren oder wenn man Medikamente nehmen muss, um die körpereigenen Reaktionen zu hemmen - etwa im Rahmen einer Krebstherapie.

Anders als bei den mRNA-Impfstoffen wie von Biontech/Pfizer muss das Vakzin von Johnson & Johnson wegen einer anderen Art der Anwendung bislang nur einmal gespritzt werden. Es würden aber auch Wirksamkeit und Sicherheit von zwei Dosen untersucht, erklärte eine Sprecherin der Janssen-Cilag GmbH, die zu Johnson & Johnson gehört. »Wir erwarten im Sommer 2021 erste Daten aus dieser Studie.«

Darüber hinaus erprobe das Unternehmen, ob andere am Schutz gegen Sars-CoV-2 beteiligte Immunfunktionen, wie die sogenannten T-Zell-Immunantworten, auch gegen neuen Varianten wirksam sind. »Parallel dazu beschäftigen wir uns bereits mit der Entwicklung eines Impfstoffs der zweiten Generation und werden unsere Erkenntnisse aus unserem aktuellen Covid-19-Programm nutzen, um diese Bemühungen zu beschleunigen«, teilte die Sprecherin mit.

Doch nicht nur die Hersteller selbst befassen sich mit solchen Forschungen. Der Verband der forschenden Pharma-Unternehmen hat eine ganze Reihe an Projekten aufgelistet, die im Moment an Impfstoffen der zweiten Generation arbeiten. Dazu zählt die Entwicklung einer Schluckimpfung mit gentechnisch veränderten, lebenden Typhus-Impfbakterien, die zwei verschiedene Proteine von Sars-CoV-2 tragen. An dem Vorhaben ist die Universität Würzburg beteiligt.

Inwiefern das alles nötig ist, kann man derzeit schwer abschätzen. Prognosen sind wegen vieler nicht zu beantwortender Fragen kaum möglich. Die Leiterin der Sektion Infektiologie am Zentrum für Innere Medizin des Uniklinikums Hamburg-Eppendorf, Marylyn Addo, hatte beim Science Media Center gesagt, bei eingedämmtem Infektionsgeschehen gebe es auch weniger Mutationen. »Dann müssen wir uns diesem Thema der neuen Mutationen vielleicht gar nicht so dramatisch stellen.«

Und wenn das doch notwendig wird? Das für die Impfstoffzulassung zuständige Paul-Ehrlich-Institut hat keinen Einfluss auf die Entwicklungen, verweist aber zumindest auf Aussagen der Hersteller der mRNA-Impfstoffe. Die gingen davon aus, innerhalb von sechs Monaten Anpassungen vornehmen zu können. Innerhalb weiterer sechs Monate wollten sie dann Millionen Impfstoffdosen produzieren können. (dpa)